Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.§. 60. Die Wirkungen der Reichsgesetze. nungen, deren Erlaß den Einzelstaaten delegirt ist. Beruht dieverbindliche Kraft derselben auch auf der vom Reiche ertheilten Er- mächtigung, so sind sie doch Willenserklärungen des Einzelstaates und nur für das Gebiet desselben verbindlich. Sie werden daher vom Einzelstaat nicht nur sanctionirt, sondern auch publicirt und die Formen, welche beobachtet werden müssen, um ihre Echtheit und Richtigkeit zu verbürgen, bestimmen sich nach den Vorschriften des Landesstaatsrechts. Für die Verkündigung derselben kann dem- nach der Abdruck in einem Verordnungsblatt oder Ministerialblatt oder Amtsblatt u. s. w. genügen, beziehungsweise erforderlich sein 1). §. 60. Die Wirkungen der Reichsgesetze. I. Die Wirkungen der Gesetze bestimmen sich nach deren In- Ergibt sich schon aus diesem verschiedenen Inhalt eine große 1) In einigen Fällen sind Verordnungen der Einzelstaaten im Central- blatt des Deutschen Reiches abgedruckt worden; so namentlich die über die Schifffahrts-Abgaben, 1873 S. 184, 1875 S. 203 ff. 301 ff. Dieser Abdruck ist keine "Verkündigung" im Rechtssinne. 2) L. 7 Dig. de Legibus I. 3.
§. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze. nungen, deren Erlaß den Einzelſtaaten delegirt iſt. Beruht dieverbindliche Kraft derſelben auch auf der vom Reiche ertheilten Er- mächtigung, ſo ſind ſie doch Willenserklärungen des Einzelſtaates und nur für das Gebiet deſſelben verbindlich. Sie werden daher vom Einzelſtaat nicht nur ſanctionirt, ſondern auch publicirt und die Formen, welche beobachtet werden müſſen, um ihre Echtheit und Richtigkeit zu verbürgen, beſtimmen ſich nach den Vorſchriften des Landesſtaatsrechts. Für die Verkündigung derſelben kann dem- nach der Abdruck in einem Verordnungsblatt oder Miniſterialblatt oder Amtsblatt u. ſ. w. genügen, beziehungsweiſe erforderlich ſein 1). §. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze. I. Die Wirkungen der Geſetze beſtimmen ſich nach deren In- Ergibt ſich ſchon aus dieſem verſchiedenen Inhalt eine große 1) In einigen Fällen ſind Verordnungen der Einzelſtaaten im Central- blatt des Deutſchen Reiches abgedruckt worden; ſo namentlich die über die Schifffahrts-Abgaben, 1873 S. 184, 1875 S. 203 ff. 301 ff. Dieſer Abdruck iſt keine „Verkündigung“ im Rechtsſinne. 2) L. 7 Dig. de Legibus I. 3.
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§. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze.
nungen, deren Erlaß den Einzelſtaaten delegirt iſt. Beruht die
verbindliche Kraft derſelben auch auf der vom Reiche ertheilten Er-
mächtigung, ſo ſind ſie doch Willenserklärungen des Einzelſtaates
und nur für das Gebiet deſſelben verbindlich. Sie werden daher
vom Einzelſtaat nicht nur ſanctionirt, ſondern auch publicirt und
die Formen, welche beobachtet werden müſſen, um ihre Echtheit
und Richtigkeit zu verbürgen, beſtimmen ſich nach den Vorſchriften
des Landesſtaatsrechts. Für die Verkündigung derſelben kann dem-
nach der Abdruck in einem Verordnungsblatt oder Miniſterialblatt
oder Amtsblatt u. ſ. w. genügen, beziehungsweiſe erforderlich ſein 1).
§. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze.
I. Die Wirkungen der Geſetze beſtimmen ſich nach deren In-
halt und können daher ebenſo verſchieden ſein wie dieſe. Im All-
gemeinen haben die Geſetze dieſelbe Bedeutung, welche dem Rechte
überhaupt zukommt, ſie beſtimmen die durch das geſellige Zuſam-
menleben der Menſchen gebotenen Schranken und Gränzen der na-
türlichen Handlungsfreiheit des Einzelnen. Das Geſetz kann dieſe
Handlungsfreiheit in einem gewiſſen Umfange anerkennen, alſo eine
Ermächtigung oder Erlaubniß enthalten, oder es kann ſie in einem
gewiſſen Umfange aufheben, ſei es durch ein Gebot oder ſei es
durch ein Verbot, und es kann endlich an die Verletzung dieſer
Anordnungen Rechtsnachtheile knüpfen. Legis virtus haec est:
imperare, vetare, permittere, punire ſagt Modeſtinus 2).
Ergibt ſich ſchon aus dieſem verſchiedenen Inhalt eine große
Mannigfaltigkeit der Wirkungen, ſo wird die letztere noch dadurch
geſteigert, daß die in dem Geſetz enthaltene Anordnung bald an
die Einzelnen bald an die Behörden und Organe der Staatsgewalt
ſelbſt gerichtet ſein kann. Dies gilt auch von der Geſetzgebung auf
dem Gebiete des Civilrechts, indem dadurch den Gerichten Befehle
ertheilt werden, unter welchen Vorausſetzungen und in welchem
Umfange ſie den privatrechtlichen Anſprüchen den rechtlichen Schutz
gewähren ſollen. Sehr zahlreiche Geſetze regeln nur die eigene
1) In einigen Fällen ſind Verordnungen der Einzelſtaaten im Central-
blatt des Deutſchen Reiches abgedruckt worden; ſo namentlich die über die
Schifffahrts-Abgaben, 1873 S. 184, 1875 S. 203 ff. 301 ff. Dieſer Abdruck
iſt keine „Verkündigung“ im Rechtsſinne.
2) L. 7 Dig. de Legibus I. 3.
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