IX. Der Gegensatz zwischen dem Reichslande und den Einzel- staaten tritt mit großer Deutlichkeit in Beziehung auf die Ge- bietshoheit entgegen; hier ist er ganz unverkennbar. Eine Gebietshoheit an den von Frankreich abgetretenen Ländern, welche von der dem Reiche zustehenden Gebietshoheit in ähnlicher Art unterschieden werden könnte, wie die Gebietshoheit der Einzelstaa- ten an ihren Staatsgebieten, giebt es nicht. Das Reich hat die rechtliche Befugniß, das Reichsland in mehrere, ganz getrennte Verwaltungsbezirke zu zerlegen; Theile desselben an benachbarte Bundesstaaten oder an einen auswärtigen Staat abzutreten oder auszutauschen; es einem Deutschen Gliedstaat einzuverleiben; und überhaupt an dem Reichslande nicht nur diejenigen Hoheitsrechte, welche nach der Reichsverfassung zur Kompetenz des Reiches gehören, sondern in vollem Umfange alle Hoheitsrechte, welche in der Souveränetät enthalten sind, auszuüben 1). Die Bezeichnung Elsaß-Lothringen's als eines unmittelbaren Reichslandes hebt grade diesen Unterschied von der rechtlichen Stellung der übrigen Theile des Bundesgebietes hervor 2). Wäre Elsaß-Lothringen nicht das einzige Reichsland, wäre es namentlich nicht in der ganzen Länge seiner Binnengränze eingeschlossen von Gebieten, die einer Landes- hoheit unterliegen, so würde noch deutlicher zu Tage treten, daß Elsaß-Lothringen nicht das Staats-Gebiet eines Bundesgliedes, sondern eine Provinz, ein Verwaltungsdistrikt des Reiches ist, in- dem alsdann aus Zweckmäßigkeits-Gründen vielleicht Theile des Reichslandes mit angränzenden Gebieten zu Verwaltungsdistrikten verbunden werden würden.
§. 55. Der Landesfiskus von Elsaß-Lothringen.
Während in den angegebenen Beziehungen zwischen dem Reichs- land und den Einzelstaaten ein tiefgehender Gegensatz besteht, wird das Reichsland in finanzieller Hinsicht den Einzelstaaten voll-
dies eine Strafe für eine politische Demonstration, denn eine Option ohne Aus- wanderung ist ohne Rechtswirkung. Vgl. Mitscher a. a. O. Bd. 34 S. 34.
1) Dahin gehört auch das Expropriationsrecht. Vgl. z. B. Ges. v. 2. Febr. 1872 über die Kriegergrabstätten §. 4. (G.-Bl. f. Els.-Lothr. S. 124.) Ueber den Umfang, in welchem das Reich in den Gebieten der Einzelstaaten das Ent- eignungsrecht hat, vgl. oben §. 22.
2) Vgl. auch Mitscher a. a. O. S. 275.
§. 54. Bundesglied und Reichsland.
IX. Der Gegenſatz zwiſchen dem Reichslande und den Einzel- ſtaaten tritt mit großer Deutlichkeit in Beziehung auf die Ge- bietshoheit entgegen; hier iſt er ganz unverkennbar. Eine Gebietshoheit an den von Frankreich abgetretenen Ländern, welche von der dem Reiche zuſtehenden Gebietshoheit in ähnlicher Art unterſchieden werden könnte, wie die Gebietshoheit der Einzelſtaa- ten an ihren Staatsgebieten, giebt es nicht. Das Reich hat die rechtliche Befugniß, das Reichsland in mehrere, ganz getrennte Verwaltungsbezirke zu zerlegen; Theile deſſelben an benachbarte Bundesſtaaten oder an einen auswärtigen Staat abzutreten oder auszutauſchen; es einem Deutſchen Gliedſtaat einzuverleiben; und überhaupt an dem Reichslande nicht nur diejenigen Hoheitsrechte, welche nach der Reichsverfaſſung zur Kompetenz des Reiches gehören, ſondern in vollem Umfange alle Hoheitsrechte, welche in der Souveränetät enthalten ſind, auszuüben 1). Die Bezeichnung Elſaß-Lothringen’s als eines unmittelbaren Reichslandes hebt grade dieſen Unterſchied von der rechtlichen Stellung der übrigen Theile des Bundesgebietes hervor 2). Wäre Elſaß-Lothringen nicht das einzige Reichsland, wäre es namentlich nicht in der ganzen Länge ſeiner Binnengränze eingeſchloſſen von Gebieten, die einer Landes- hoheit unterliegen, ſo würde noch deutlicher zu Tage treten, daß Elſaß-Lothringen nicht das Staats-Gebiet eines Bundesgliedes, ſondern eine Provinz, ein Verwaltungsdiſtrikt des Reiches iſt, in- dem alsdann aus Zweckmäßigkeits-Gründen vielleicht Theile des Reichslandes mit angränzenden Gebieten zu Verwaltungsdiſtrikten verbunden werden würden.
§. 55. Der Landesfiskus von Elſaß-Lothringen.
Während in den angegebenen Beziehungen zwiſchen dem Reichs- land und den Einzelſtaaten ein tiefgehender Gegenſatz beſteht, wird das Reichsland in finanzieller Hinſicht den Einzelſtaaten voll-
dies eine Strafe für eine politiſche Demonſtration, denn eine Option ohne Aus- wanderung iſt ohne Rechtswirkung. Vgl. Mitſcher a. a. O. Bd. 34 S. 34.
1) Dahin gehört auch das Expropriationsrecht. Vgl. z. B. Geſ. v. 2. Febr. 1872 über die Kriegergrabſtätten §. 4. (G.-Bl. f. Elſ.-Lothr. S. 124.) Ueber den Umfang, in welchem das Reich in den Gebieten der Einzelſtaaten das Ent- eignungsrecht hat, vgl. oben §. 22.
2) Vgl. auch Mitſcher a. a. O. S. 275.
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§. 54. Bundesglied und Reichsland.
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auszutauſchen; es einem Deutſchen Gliedſtaat einzuverleiben; und
überhaupt an dem Reichslande nicht nur diejenigen Hoheitsrechte,
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gehören, ſondern in vollem Umfange alle Hoheitsrechte, welche in
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Elſaß-Lothringen’s als eines unmittelbaren Reichslandes hebt grade
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einzige Reichsland, wäre es namentlich nicht in der ganzen Länge
ſeiner Binnengränze eingeſchloſſen von Gebieten, die einer Landes-
hoheit unterliegen, ſo würde noch deutlicher zu Tage treten, daß
Elſaß-Lothringen nicht das Staats-Gebiet eines Bundesgliedes,
ſondern eine Provinz, ein Verwaltungsdiſtrikt des Reiches iſt, in-
dem alsdann aus Zweckmäßigkeits-Gründen vielleicht Theile des
Reichslandes mit angränzenden Gebieten zu Verwaltungsdiſtrikten
verbunden werden würden.
§. 55. Der Landesfiskus von Elſaß-Lothringen.
Während in den angegebenen Beziehungen zwiſchen dem Reichs-
land und den Einzelſtaaten ein tiefgehender Gegenſatz beſteht, wird
das Reichsland in finanzieller Hinſicht den Einzelſtaaten voll-
4)
1) Dahin gehört auch das Expropriationsrecht. Vgl. z. B. Geſ. v. 2. Febr.
1872 über die Kriegergrabſtätten §. 4. (G.-Bl. f. Elſ.-Lothr. S. 124.) Ueber
den Umfang, in welchem das Reich in den Gebieten der Einzelſtaaten das Ent-
eignungsrecht hat, vgl. oben §. 22.
2) Vgl. auch Mitſcher a. a. O. S. 275.
4) dies eine Strafe für eine politiſche Demonſtration, denn eine Option ohne Aus-
wanderung iſt ohne Rechtswirkung. Vgl. Mitſcher a. a. O. Bd. 34 S. 34.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/624>, abgerufen am 21.12.2024.
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