also dieser Beitritt nichts weiter ist als eine innere Angelegenheit welche geregelt wird nicht durch Aenderung der Verfassung, son- dern durch Gesetze."
Der Norddeutsche Bund war von Anfang an darauf ange- legt, zum Deutschen Reiche erweitert zu werden. Es hing ledig- lich von den politischen Verhältnissen Europa's und den eigenen Wünschen der süddeutschen Staaten und Bevölkerungen ab, wann die Vollendung der staatlichen Wiedergeburt Deutschlands erfolgen sollte. Der glorreiche Krieg, welcher zur Abwehr des französischen Angriffs vom Norddeutschen Bunde und den süddeutschen Staaten gemeinschaftlich in treuer Erfüllung der Schutzbündnisse geführt wurde, beseitigte nicht nur die Hindernisse, welche bis dahin dem Beitritt der süddeutschen Staaten entgegenstanden, sondern er gab durch die Wiedererwerbung von Elsaß-Lothringen der politi- schen Neugestaltung Deutschlands einen Abschluß, der die kühnsten patriotischen Wünsche übertraf.
§ 4. Die Gründung des Deutschen Reiches.
Ueber den äußeren Hergang der Verhandlungen, welche zur Gründung des Deutschen Reiches geführt haben, gab der Präsident des Bundeskanzler-Amts, Staatsminister Delbrück in der Sitzung des Norddeutschen Reichstages vom 5. Dez. 1870 einen Bericht, der theils wegen seines offiziellen Charakters theils wegen seiner Vollständigkeit und Klarheit in seinem eigentlich re- ferirenden Theile hier wörtlich folgen mag: "Die Initiative kam von Bayern. Die Königl. Baye- rische Regierung gab im Laufe des September dem Bundes- präsidium zu erkennen, daß die Entwicklung der politischen Verhältnisse Deutschlands, wie sie durch die kriegerischen Ereignisse herbeigeführt sei, nach ihrer Ueberzeugung es bedinge, von dem Boden der völkerrechtlichen Verträge, welche bisher die süddeutschen Staaten mit dem Norddeut- schen Bunde verbanden, ab zu einem Verfassungsbündnisse überzugehen. Sie verband mit dieser Mittheilung den Ausdruck des Wunsches, mit einem Bevollmächtigten des Präsidiums über die Vorschläge in Besprechung zu treten, welche sie zur Ausführung ihres Gedankens vorbereitet hatte. Das Präsidium beeilte sich, diesem Wunsche zu ent-
§. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.
alſo dieſer Beitritt nichts weiter iſt als eine innere Angelegenheit welche geregelt wird nicht durch Aenderung der Verfaſſung, ſon- dern durch Geſetze.“
Der Norddeutſche Bund war von Anfang an darauf ange- legt, zum Deutſchen Reiche erweitert zu werden. Es hing ledig- lich von den politiſchen Verhältniſſen Europa’s und den eigenen Wünſchen der ſüddeutſchen Staaten und Bevölkerungen ab, wann die Vollendung der ſtaatlichen Wiedergeburt Deutſchlands erfolgen ſollte. Der glorreiche Krieg, welcher zur Abwehr des franzöſiſchen Angriffs vom Norddeutſchen Bunde und den ſüddeutſchen Staaten gemeinſchaftlich in treuer Erfüllung der Schutzbündniſſe geführt wurde, beſeitigte nicht nur die Hinderniſſe, welche bis dahin dem Beitritt der ſüddeutſchen Staaten entgegenſtanden, ſondern er gab durch die Wiedererwerbung von Elſaß-Lothringen der politi- ſchen Neugeſtaltung Deutſchlands einen Abſchluß, der die kühnſten patriotiſchen Wünſche übertraf.
§ 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.
Ueber den äußeren Hergang der Verhandlungen, welche zur Gründung des Deutſchen Reiches geführt haben, gab der Präſident des Bundeskanzler-Amts, Staatsminiſter Delbrück in der Sitzung des Norddeutſchen Reichstages vom 5. Dez. 1870 einen Bericht, der theils wegen ſeines offiziellen Charakters theils wegen ſeiner Vollſtändigkeit und Klarheit in ſeinem eigentlich re- ferirenden Theile hier wörtlich folgen mag: „Die Initiative kam von Bayern. Die Königl. Baye- riſche Regierung gab im Laufe des September dem Bundes- präſidium zu erkennen, daß die Entwicklung der politiſchen Verhältniſſe Deutſchlands, wie ſie durch die kriegeriſchen Ereigniſſe herbeigeführt ſei, nach ihrer Ueberzeugung es bedinge, von dem Boden der völkerrechtlichen Verträge, welche bisher die ſüddeutſchen Staaten mit dem Norddeut- ſchen Bunde verbanden, ab zu einem Verfaſſungsbündniſſe überzugehen. Sie verband mit dieſer Mittheilung den Ausdruck des Wunſches, mit einem Bevollmächtigten des Präſidiums über die Vorſchläge in Beſprechung zu treten, welche ſie zur Ausführung ihres Gedankens vorbereitet hatte. Das Präſidium beeilte ſich, dieſem Wunſche zu ent-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0057"n="37"/><fwplace="top"type="header">§. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.</fw><lb/>
alſo dieſer Beitritt nichts weiter iſt als eine innere Angelegenheit<lb/>
welche geregelt wird nicht durch Aenderung der Verfaſſung, ſon-<lb/>
dern durch Geſetze.“</p><lb/><p>Der Norddeutſche Bund war von Anfang an darauf ange-<lb/>
legt, zum Deutſchen Reiche erweitert zu werden. Es hing ledig-<lb/>
lich von den politiſchen Verhältniſſen Europa’s und den eigenen<lb/>
Wünſchen der ſüddeutſchen Staaten und Bevölkerungen ab, wann<lb/>
die Vollendung der ſtaatlichen Wiedergeburt Deutſchlands erfolgen<lb/>ſollte. Der glorreiche Krieg, welcher zur Abwehr des franzöſiſchen<lb/>
Angriffs vom Norddeutſchen Bunde und den ſüddeutſchen Staaten<lb/>
gemeinſchaftlich in treuer Erfüllung der Schutzbündniſſe geführt<lb/>
wurde, beſeitigte nicht nur die Hinderniſſe, welche bis dahin dem<lb/>
Beitritt der ſüddeutſchen Staaten entgegenſtanden, ſondern er<lb/>
gab durch die Wiedererwerbung von Elſaß-Lothringen der politi-<lb/>ſchen Neugeſtaltung Deutſchlands einen Abſchluß, der die kühnſten<lb/>
patriotiſchen Wünſche übertraf.</p></div><lb/><divn="2"><head>§ 4. <hirendition="#b">Die Gründung des Deutſchen Reiches.</hi></head><lb/><p>Ueber den <hirendition="#g">äußeren Hergang</hi> der Verhandlungen, welche<lb/>
zur Gründung des Deutſchen Reiches geführt haben, gab der<lb/>
Präſident des Bundeskanzler-Amts, Staatsminiſter <hirendition="#g">Delbrück</hi><lb/>
in der Sitzung des Norddeutſchen Reichstages vom 5. Dez. 1870<lb/>
einen Bericht, der theils wegen ſeines offiziellen Charakters theils<lb/>
wegen ſeiner Vollſtändigkeit und Klarheit in ſeinem eigentlich re-<lb/>
ferirenden Theile hier wörtlich folgen mag:<lb/><hirendition="#et">„Die Initiative kam von Bayern. Die Königl. Baye-<lb/>
riſche Regierung gab im Laufe des September dem Bundes-<lb/>
präſidium zu erkennen, daß die Entwicklung der politiſchen<lb/>
Verhältniſſe Deutſchlands, wie ſie durch die kriegeriſchen<lb/>
Ereigniſſe herbeigeführt ſei, nach ihrer Ueberzeugung es<lb/>
bedinge, von dem Boden der völkerrechtlichen Verträge,<lb/>
welche bisher die ſüddeutſchen Staaten mit dem Norddeut-<lb/>ſchen Bunde verbanden, ab zu einem Verfaſſungsbündniſſe<lb/>
überzugehen. Sie verband mit dieſer Mittheilung den<lb/>
Ausdruck des Wunſches, mit einem Bevollmächtigten des<lb/>
Präſidiums über die Vorſchläge in Beſprechung zu treten,<lb/>
welche ſie zur Ausführung ihres Gedankens vorbereitet<lb/>
hatte. Das Präſidium beeilte ſich, dieſem Wunſche zu ent-</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[37/0057]
§. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.
alſo dieſer Beitritt nichts weiter iſt als eine innere Angelegenheit
welche geregelt wird nicht durch Aenderung der Verfaſſung, ſon-
dern durch Geſetze.“
Der Norddeutſche Bund war von Anfang an darauf ange-
legt, zum Deutſchen Reiche erweitert zu werden. Es hing ledig-
lich von den politiſchen Verhältniſſen Europa’s und den eigenen
Wünſchen der ſüddeutſchen Staaten und Bevölkerungen ab, wann
die Vollendung der ſtaatlichen Wiedergeburt Deutſchlands erfolgen
ſollte. Der glorreiche Krieg, welcher zur Abwehr des franzöſiſchen
Angriffs vom Norddeutſchen Bunde und den ſüddeutſchen Staaten
gemeinſchaftlich in treuer Erfüllung der Schutzbündniſſe geführt
wurde, beſeitigte nicht nur die Hinderniſſe, welche bis dahin dem
Beitritt der ſüddeutſchen Staaten entgegenſtanden, ſondern er
gab durch die Wiedererwerbung von Elſaß-Lothringen der politi-
ſchen Neugeſtaltung Deutſchlands einen Abſchluß, der die kühnſten
patriotiſchen Wünſche übertraf.
§ 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.
Ueber den äußeren Hergang der Verhandlungen, welche
zur Gründung des Deutſchen Reiches geführt haben, gab der
Präſident des Bundeskanzler-Amts, Staatsminiſter Delbrück
in der Sitzung des Norddeutſchen Reichstages vom 5. Dez. 1870
einen Bericht, der theils wegen ſeines offiziellen Charakters theils
wegen ſeiner Vollſtändigkeit und Klarheit in ſeinem eigentlich re-
ferirenden Theile hier wörtlich folgen mag:
„Die Initiative kam von Bayern. Die Königl. Baye-
riſche Regierung gab im Laufe des September dem Bundes-
präſidium zu erkennen, daß die Entwicklung der politiſchen
Verhältniſſe Deutſchlands, wie ſie durch die kriegeriſchen
Ereigniſſe herbeigeführt ſei, nach ihrer Ueberzeugung es
bedinge, von dem Boden der völkerrechtlichen Verträge,
welche bisher die ſüddeutſchen Staaten mit dem Norddeut-
ſchen Bunde verbanden, ab zu einem Verfaſſungsbündniſſe
überzugehen. Sie verband mit dieſer Mittheilung den
Ausdruck des Wunſches, mit einem Bevollmächtigten des
Präſidiums über die Vorſchläge in Beſprechung zu treten,
welche ſie zur Ausführung ihres Gedankens vorbereitet
hatte. Das Präſidium beeilte ſich, dieſem Wunſche zu ent-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/57>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.