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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§ 47. Allgemeine Charakteristik des Reichstages.
§. 38 sind die Vorschriften, welche die Ehe der Militärper-
sonen
, der Landesbeamten und der Ausländer von einer
Erlaubniß abhängig machen, in Kraft erhalten worden. Für die
Civil-Beamten des Reiches ist demnach ein Consens nicht erfor-
derlich 1).

Eine weitere Ausgleichung der gegenwärtig noch bestehenden
Verschiedenheiten wird durch die allgemeine Civilprozeß- 2) und
Konkurs-Ordnung 3) bewirkt werden.

Im Übrigen ist die Thatsache, daß die Rechtsverhältnisse der
Reichsbeamten in einzelnen Beziehungen durch die Landesgesetze
normirt werden, ebenso eine Folge des bundesstaatlichen
Charakters des Reiches, wie die gegenüberstehende Thatsache, daß
die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten in zahlreichen Punkten
durch Reichsgesetze geregelt sind.

Vierter Abschnitt.
Der Reichstag.
§. 47. Allgemeine Charakteristik.

Die Institution des Reichstages des Deutschen Reiches bietet
staatsrechtlich keine Schwierigkeiten dar wie Kaiserthum und Bun-
desrath, da sie keine neue und der Reichsverfassung eigenthümliche
Einrichtung ist, sondern dem im constitutionellen Staatsrecht längst
wissenschaftlich erörterten Begriff der sogenannten Volksvertretung
entspricht. In politischer Beziehung nimmt das Deutsche Reich
zwar unter allen großen Staaten auch in dieser Hinsicht eine be-
sondere Stellung ein, weil hier das Einkammersystem mit einem

1) Hinschius Kommentar zu diesem Gesetz S. 131 Note 88. Ganz
zweifellos ist diese Auslegung übrigens nicht. Man könnte auch argumentiren:
Die Reichsbeamten unterliegen nach §. 19 des Beamtengesetzes den Rechtsvor-
schriften, welche an ihrem Domizil für die Landesbeamten bestehen, folglich
auch den nach §. 38 des Ges. v. 6. Febr. 1875 in Kraft erhaltenen Vorschriften
über die Nothwendigkeit eines Eheconsenses. Aus den Motiven zu diesem Ge-
setz (Drucks. des Reichstages 1874/75 III. Nro. 153 S. 33 zu §. 37 des Entw.)
ergiebt sich aber deutlich, daß durch den Ausdruck "Landesbeamte" die Reichs-
beamten ausgeschlossen werden sollten.
2) Entw. der Civilpr.-Ordn. v. 1874 §. 664 Nro. 6 und 7. §. 682. 696.
736. 757.
3) Entw. der Konk.-Ordn. v. 1875 §. 54 Nro. 5.

§ 47. Allgemeine Charakteriſtik des Reichstages.
§. 38 ſind die Vorſchriften, welche die Ehe der Militärper-
ſonen
, der Landesbeamten und der Ausländer von einer
Erlaubniß abhängig machen, in Kraft erhalten worden. Für die
Civil-Beamten des Reiches iſt demnach ein Conſens nicht erfor-
derlich 1).

Eine weitere Ausgleichung der gegenwärtig noch beſtehenden
Verſchiedenheiten wird durch die allgemeine Civilprozeß- 2) und
Konkurs-Ordnung 3) bewirkt werden.

Im Übrigen iſt die Thatſache, daß die Rechtsverhältniſſe der
Reichsbeamten in einzelnen Beziehungen durch die Landesgeſetze
normirt werden, ebenſo eine Folge des bundesſtaatlichen
Charakters des Reiches, wie die gegenüberſtehende Thatſache, daß
die Rechtsverhältniſſe der Landesbeamten in zahlreichen Punkten
durch Reichsgeſetze geregelt ſind.

Vierter Abſchnitt.
Der Reichstag.
§. 47. Allgemeine Charakteriſtik.

Die Inſtitution des Reichstages des Deutſchen Reiches bietet
ſtaatsrechtlich keine Schwierigkeiten dar wie Kaiſerthum und Bun-
desrath, da ſie keine neue und der Reichsverfaſſung eigenthümliche
Einrichtung iſt, ſondern dem im conſtitutionellen Staatsrecht längſt
wiſſenſchaftlich erörterten Begriff der ſogenannten Volksvertretung
entſpricht. In politiſcher Beziehung nimmt das Deutſche Reich
zwar unter allen großen Staaten auch in dieſer Hinſicht eine be-
ſondere Stellung ein, weil hier das Einkammerſyſtem mit einem

1) Hinſchius Kommentar zu dieſem Geſetz S. 131 Note 88. Ganz
zweifellos iſt dieſe Auslegung übrigens nicht. Man könnte auch argumentiren:
Die Reichsbeamten unterliegen nach §. 19 des Beamtengeſetzes den Rechtsvor-
ſchriften, welche an ihrem Domizil für die Landesbeamten beſtehen, folglich
auch den nach §. 38 des Geſ. v. 6. Febr. 1875 in Kraft erhaltenen Vorſchriften
über die Nothwendigkeit eines Eheconſenſes. Aus den Motiven zu dieſem Ge-
ſetz (Druckſ. des Reichstages 1874/75 III. Nro. 153 S. 33 zu §. 37 des Entw.)
ergiebt ſich aber deutlich, daß durch den Ausdruck „Landesbeamte“ die Reichs-
beamten ausgeſchloſſen werden ſollten.
2) Entw. der Civilpr.-Ordn. v. 1874 §. 664 Nro. 6 und 7. §. 682. 696.
736. 757.
3) Entw. der Konk.-Ordn. v. 1875 §. 54 Nro. 5.
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[498/0518] § 47. Allgemeine Charakteriſtik des Reichstages. §. 38 ſind die Vorſchriften, welche die Ehe der Militärper- ſonen, der Landesbeamten und der Ausländer von einer Erlaubniß abhängig machen, in Kraft erhalten worden. Für die Civil-Beamten des Reiches iſt demnach ein Conſens nicht erfor- derlich 1). Eine weitere Ausgleichung der gegenwärtig noch beſtehenden Verſchiedenheiten wird durch die allgemeine Civilprozeß- 2) und Konkurs-Ordnung 3) bewirkt werden. Im Übrigen iſt die Thatſache, daß die Rechtsverhältniſſe der Reichsbeamten in einzelnen Beziehungen durch die Landesgeſetze normirt werden, ebenſo eine Folge des bundesſtaatlichen Charakters des Reiches, wie die gegenüberſtehende Thatſache, daß die Rechtsverhältniſſe der Landesbeamten in zahlreichen Punkten durch Reichsgeſetze geregelt ſind. Vierter Abſchnitt. Der Reichstag. §. 47. Allgemeine Charakteriſtik. Die Inſtitution des Reichstages des Deutſchen Reiches bietet ſtaatsrechtlich keine Schwierigkeiten dar wie Kaiſerthum und Bun- desrath, da ſie keine neue und der Reichsverfaſſung eigenthümliche Einrichtung iſt, ſondern dem im conſtitutionellen Staatsrecht längſt wiſſenſchaftlich erörterten Begriff der ſogenannten Volksvertretung entſpricht. In politiſcher Beziehung nimmt das Deutſche Reich zwar unter allen großen Staaten auch in dieſer Hinſicht eine be- ſondere Stellung ein, weil hier das Einkammerſyſtem mit einem 1) Hinſchius Kommentar zu dieſem Geſetz S. 131 Note 88. Ganz zweifellos iſt dieſe Auslegung übrigens nicht. Man könnte auch argumentiren: Die Reichsbeamten unterliegen nach §. 19 des Beamtengeſetzes den Rechtsvor- ſchriften, welche an ihrem Domizil für die Landesbeamten beſtehen, folglich auch den nach §. 38 des Geſ. v. 6. Febr. 1875 in Kraft erhaltenen Vorſchriften über die Nothwendigkeit eines Eheconſenſes. Aus den Motiven zu dieſem Ge- ſetz (Druckſ. des Reichstages 1874/75 III. Nro. 153 S. 33 zu §. 37 des Entw.) ergiebt ſich aber deutlich, daß durch den Ausdruck „Landesbeamte“ die Reichs- beamten ausgeſchloſſen werden ſollten. 2) Entw. der Civilpr.-Ordn. v. 1874 §. 664 Nro. 6 und 7. §. 682. 696. 736. 757. 3) Entw. der Konk.-Ordn. v. 1875 §. 54 Nro. 5.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/518>, abgerufen am 21.11.2024.