Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 44. Versetzung, Stellung zur Disposition, Suspension.

7) Die in dem Gewaltsverhältniß des Reiches gegen den
Beamten begründeten Befugnisse in Beziehung auf einstweilige oder
definitive Versetzung in den Ruhestand, Suspension, Versetzung in
ein anderes Amt, Dienstentlassung, Verhängung von Ordnungs-
strafen u. s. w. unterliegen der richterlichen Beurtheilung nicht;
es sind vielmehr die von der zuständigen Verwaltungs- oder
Disciplinarbehörde hierüber ergangenen Entscheidungen für die Be-
urtheilung der vor dem Gerichte geltend gemachten vermögens-
rechtlichen Ansprüche maßgebend §. 155.

§. 44. Versetzung, Stellung zur Disposition, Suspension.

Aus der begrifflichen Unterscheidung zwischen dem, durch den
Anstellungsvertrag begründeten Dienstverhältniß und der Führung
eines Amtes ergiebt sich, daß die Verwaltung eines bestimmten
Amtes weder zu den Rechten des Beamten gehört noch für die
Fortdauer des Staatsdienerverhältnisses wesentlich ist. Die herr-
schende Theorie, welche das Wesen der Anstellung in der Ver-
leihung eines Amtes sieht, führt zu dem Resultate, daß in allen
Fällen, in welchem einem Beamten das Amt entzogen wird, zu-
gleich das Staatsdiener-Verhältniß sein Ende findet. Die selbst-
verständliche Folge davon wäre, daß auch der Anspruch des Be-
amten auf Gehalt aufhört; da nun unbezweifelt der Beamte kein
Recht auf das Amt hat, der Staat vielmehr jederzeit ihm die
amtlichen Geschäfte entziehen kann, so müßte sich consequenter Weise
der Schluß ergeben, daß dem Beamten gleichzeitig mit dem Amte
auch die Besoldung genommen werden kann. Dieses praktische
Resultat aber widerspricht zu sehr dem wirklich bestehenden Rechte.
Man hilft sich deshalb in der Theorie mit der Annahme, entweder
daß aus Billigkeits-Rücksichten der Beamte zu entschädigen sei oder
daß die "privatrechtliche Seite" des Verhältnisses fortdauere, wäh-
rend die staatsrechtliche erlösche.

Eine Aufhebung des Staatsdienst-Verhältnisses wird der
herrschenden Theorie zufolge dadurch herbeigeführt, daß das Amt,
welches ein Staatsdiener bisher bekleidet hat, ganz beseitigt wird 1).
Konsequenter Weise müßte sie aber bei jeder Versetzung in ein

1) Leist §. 102 Nr. 8. Heffter a. a. O. S. 136 Maurenbrecher
§. 163 Nr. 2.
§. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion.

7) Die in dem Gewaltsverhältniß des Reiches gegen den
Beamten begründeten Befugniſſe in Beziehung auf einſtweilige oder
definitive Verſetzung in den Ruheſtand, Suſpenſion, Verſetzung in
ein anderes Amt, Dienſtentlaſſung, Verhängung von Ordnungs-
ſtrafen u. ſ. w. unterliegen der richterlichen Beurtheilung nicht;
es ſind vielmehr die von der zuſtändigen Verwaltungs- oder
Disciplinarbehörde hierüber ergangenen Entſcheidungen für die Be-
urtheilung der vor dem Gerichte geltend gemachten vermögens-
rechtlichen Anſprüche maßgebend §. 155.

§. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion.

Aus der begrifflichen Unterſcheidung zwiſchen dem, durch den
Anſtellungsvertrag begründeten Dienſtverhältniß und der Führung
eines Amtes ergiebt ſich, daß die Verwaltung eines beſtimmten
Amtes weder zu den Rechten des Beamten gehört noch für die
Fortdauer des Staatsdienerverhältniſſes weſentlich iſt. Die herr-
ſchende Theorie, welche das Weſen der Anſtellung in der Ver-
leihung eines Amtes ſieht, führt zu dem Reſultate, daß in allen
Fällen, in welchem einem Beamten das Amt entzogen wird, zu-
gleich das Staatsdiener-Verhältniß ſein Ende findet. Die ſelbſt-
verſtändliche Folge davon wäre, daß auch der Anſpruch des Be-
amten auf Gehalt aufhört; da nun unbezweifelt der Beamte kein
Recht auf das Amt hat, der Staat vielmehr jederzeit ihm die
amtlichen Geſchäfte entziehen kann, ſo müßte ſich conſequenter Weiſe
der Schluß ergeben, daß dem Beamten gleichzeitig mit dem Amte
auch die Beſoldung genommen werden kann. Dieſes praktiſche
Reſultat aber widerſpricht zu ſehr dem wirklich beſtehenden Rechte.
Man hilft ſich deshalb in der Theorie mit der Annahme, entweder
daß aus Billigkeits-Rückſichten der Beamte zu entſchädigen ſei oder
daß die „privatrechtliche Seite“ des Verhältniſſes fortdauere, wäh-
rend die ſtaatsrechtliche erlöſche.

Eine Aufhebung des Staatsdienſt-Verhältniſſes wird der
herrſchenden Theorie zufolge dadurch herbeigeführt, daß das Amt,
welches ein Staatsdiener bisher bekleidet hat, ganz beſeitigt wird 1).
Konſequenter Weiſe müßte ſie aber bei jeder Verſetzung in ein

1) Leiſt §. 102 Nr. 8. Heffter a. a. O. S. 136 Maurenbrecher
§. 163 Nr. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0498" n="478"/>
              <fw place="top" type="header">§. 44. Ver&#x017F;etzung, Stellung zur Dispo&#x017F;ition, Suspen&#x017F;ion.</fw><lb/>
              <p>7) Die in dem Gewaltsverhältniß des Reiches gegen den<lb/>
Beamten begründeten Befugni&#x017F;&#x017F;e in Beziehung auf ein&#x017F;tweilige oder<lb/>
definitive Ver&#x017F;etzung in den Ruhe&#x017F;tand, Su&#x017F;pen&#x017F;ion, Ver&#x017F;etzung in<lb/>
ein anderes Amt, Dien&#x017F;tentla&#x017F;&#x017F;ung, Verhängung von Ordnungs-<lb/>
&#x017F;trafen u. &#x017F;. w. unterliegen der richterlichen Beurtheilung nicht;<lb/>
es &#x017F;ind vielmehr die von der zu&#x017F;tändigen Verwaltungs- oder<lb/>
Disciplinarbehörde hierüber ergangenen Ent&#x017F;cheidungen für die Be-<lb/>
urtheilung der vor dem Gerichte geltend gemachten vermögens-<lb/>
rechtlichen An&#x017F;prüche maßgebend §. 155.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 44. <hi rendition="#b">Ver&#x017F;etzung, Stellung zur Dispo&#x017F;ition, Suspen&#x017F;ion.</hi></head><lb/>
              <p>Aus der begrifflichen Unter&#x017F;cheidung zwi&#x017F;chen dem, durch den<lb/>
An&#x017F;tellungsvertrag begründeten Dien&#x017F;tverhältniß und der Führung<lb/>
eines Amtes ergiebt &#x017F;ich, daß die Verwaltung eines be&#x017F;timmten<lb/>
Amtes weder zu den Rechten des Beamten gehört noch für die<lb/>
Fortdauer des Staatsdienerverhältni&#x017F;&#x017F;es we&#x017F;entlich i&#x017F;t. Die herr-<lb/>
&#x017F;chende Theorie, welche das We&#x017F;en der An&#x017F;tellung in der Ver-<lb/>
leihung eines Amtes &#x017F;ieht, führt zu dem Re&#x017F;ultate, daß in allen<lb/>
Fällen, in welchem einem Beamten das Amt entzogen wird, zu-<lb/>
gleich das Staatsdiener-Verhältniß &#x017F;ein Ende findet. Die &#x017F;elb&#x017F;t-<lb/>
ver&#x017F;tändliche Folge davon wäre, daß auch der An&#x017F;pruch des Be-<lb/>
amten auf Gehalt aufhört; da nun unbezweifelt der Beamte kein<lb/>
Recht auf das Amt hat, der Staat vielmehr jederzeit ihm die<lb/>
amtlichen Ge&#x017F;chäfte entziehen kann, &#x017F;o müßte &#x017F;ich con&#x017F;equenter Wei&#x017F;e<lb/>
der Schluß ergeben, daß dem Beamten gleichzeitig mit dem Amte<lb/>
auch die Be&#x017F;oldung genommen werden kann. Die&#x017F;es prakti&#x017F;che<lb/>
Re&#x017F;ultat aber wider&#x017F;pricht zu &#x017F;ehr dem wirklich be&#x017F;tehenden Rechte.<lb/>
Man hilft &#x017F;ich deshalb in der Theorie mit der Annahme, entweder<lb/>
daß aus Billigkeits-Rück&#x017F;ichten der Beamte zu ent&#x017F;chädigen &#x017F;ei oder<lb/>
daß die &#x201E;privatrechtliche Seite&#x201C; des Verhältni&#x017F;&#x017F;es fortdauere, wäh-<lb/>
rend die &#x017F;taatsrechtliche erlö&#x017F;che.</p><lb/>
              <p>Eine Aufhebung des Staatsdien&#x017F;t-Verhältni&#x017F;&#x017F;es wird der<lb/>
herr&#x017F;chenden Theorie zufolge dadurch herbeigeführt, daß das Amt,<lb/>
welches ein Staatsdiener bisher bekleidet hat, ganz be&#x017F;eitigt wird <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Lei&#x017F;t</hi> §. 102 Nr. 8. <hi rendition="#g">Heffter</hi> a. a. O. S. 136 <hi rendition="#g">Maurenbrecher</hi><lb/>
§. 163 Nr. 2.</note>.<lb/>
Kon&#x017F;equenter Wei&#x017F;e müßte &#x017F;ie aber bei <hi rendition="#g">jeder</hi> Ver&#x017F;etzung in ein<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0498] §. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion. 7) Die in dem Gewaltsverhältniß des Reiches gegen den Beamten begründeten Befugniſſe in Beziehung auf einſtweilige oder definitive Verſetzung in den Ruheſtand, Suſpenſion, Verſetzung in ein anderes Amt, Dienſtentlaſſung, Verhängung von Ordnungs- ſtrafen u. ſ. w. unterliegen der richterlichen Beurtheilung nicht; es ſind vielmehr die von der zuſtändigen Verwaltungs- oder Disciplinarbehörde hierüber ergangenen Entſcheidungen für die Be- urtheilung der vor dem Gerichte geltend gemachten vermögens- rechtlichen Anſprüche maßgebend §. 155. §. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion. Aus der begrifflichen Unterſcheidung zwiſchen dem, durch den Anſtellungsvertrag begründeten Dienſtverhältniß und der Führung eines Amtes ergiebt ſich, daß die Verwaltung eines beſtimmten Amtes weder zu den Rechten des Beamten gehört noch für die Fortdauer des Staatsdienerverhältniſſes weſentlich iſt. Die herr- ſchende Theorie, welche das Weſen der Anſtellung in der Ver- leihung eines Amtes ſieht, führt zu dem Reſultate, daß in allen Fällen, in welchem einem Beamten das Amt entzogen wird, zu- gleich das Staatsdiener-Verhältniß ſein Ende findet. Die ſelbſt- verſtändliche Folge davon wäre, daß auch der Anſpruch des Be- amten auf Gehalt aufhört; da nun unbezweifelt der Beamte kein Recht auf das Amt hat, der Staat vielmehr jederzeit ihm die amtlichen Geſchäfte entziehen kann, ſo müßte ſich conſequenter Weiſe der Schluß ergeben, daß dem Beamten gleichzeitig mit dem Amte auch die Beſoldung genommen werden kann. Dieſes praktiſche Reſultat aber widerſpricht zu ſehr dem wirklich beſtehenden Rechte. Man hilft ſich deshalb in der Theorie mit der Annahme, entweder daß aus Billigkeits-Rückſichten der Beamte zu entſchädigen ſei oder daß die „privatrechtliche Seite“ des Verhältniſſes fortdauere, wäh- rend die ſtaatsrechtliche erlöſche. Eine Aufhebung des Staatsdienſt-Verhältniſſes wird der herrſchenden Theorie zufolge dadurch herbeigeführt, daß das Amt, welches ein Staatsdiener bisher bekleidet hat, ganz beſeitigt wird 1). Konſequenter Weiſe müßte ſie aber bei jeder Verſetzung in ein 1) Leiſt §. 102 Nr. 8. Heffter a. a. O. S. 136 Maurenbrecher §. 163 Nr. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/498
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/498>, abgerufen am 21.12.2024.