Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. der richterlichen Beamten ist nur ein Mittel, um die unabhängigeAmtsthätigkeit der rechtsprechenden Behörden zu garantiren; aber sie ist keineswegs wesentlich und unerläßlich; es giebt zahlreiche, zur Rechtsprechung berufene Behörden, welche nicht aus richterlichen Beamten bestehen. Die rechtsprechenden Behörden sind ebensowenig auf das Gebiet der eigentlichen Justiz beschränkt; es lassen sich vielmehr drei Kategorien derselben unterscheiden: Justizgerichte, Disciplinargerichte, Verwaltungsgerichte. A. Reichsjustizgerichte. I. Das Reichs-Oberhandelsgericht 1). Als durch das im Jahre 1869 dem Reichstage vorgelegte Auf Antrag der Königl. Sächsischen Regierung wurde daher 1) Vgl. Lesse in der Zeitschr. für das gesammte Handelsr. Bd. XIV. S. 59 ff. Endemann in Busch's Archiv für Theorie u. Praxis des Han- delsr. Bd. 17 S. XLVII ff. Nissen in v. Holtzendorff's Jahrb. I. S. 496 ff. II. S. 261 ff. Sachs ebendas. III. S. 341 fg. und bes. Goldschmidt Handbuch des Handelsrechts. I. Bd. 2. Aufl. §. 20 S. 147--155. 2) Reichstagsverhandl. 1869. Anlagen S. 250. Vgl. auch die Erklärung des Bundesraths-Bevollmächtigten Pape im Reichstag am 10. April 1869. Stenogr. Berichte I. S. 285 fg. 3) Ueber die Vorgeschichte dieses Antrages vgl. Goldschmidt a. a. O.
S. 147. 148 und Behrend in seiner Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen III. S. 200 ff. -- Der im Auftrage der Sächsi- schen Regierung von dem Ober-Appellationsrath Tauchnitz ausgearbei- tete Gesetz-Entwurf wurde nebst Motiven am 23. Februar 1869 dem Bundes- rath vorgelegt. Der Justiz-Ausschuß empfahl mittelst Berichtes vom 22. März 1869 dessen Annahme und der Bundesrath trat diesem Antrage bei. Nachdem §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. der richterlichen Beamten iſt nur ein Mittel, um die unabhängigeAmtsthätigkeit der rechtſprechenden Behörden zu garantiren; aber ſie iſt keineswegs weſentlich und unerläßlich; es giebt zahlreiche, zur Rechtſprechung berufene Behörden, welche nicht aus richterlichen Beamten beſtehen. Die rechtſprechenden Behörden ſind ebenſowenig auf das Gebiet der eigentlichen Juſtiz beſchränkt; es laſſen ſich vielmehr drei Kategorien derſelben unterſcheiden: Juſtizgerichte, Disciplinargerichte, Verwaltungsgerichte. A. Reichsjuſtizgerichte. I. Das Reichs-Oberhandelsgericht 1). Als durch das im Jahre 1869 dem Reichstage vorgelegte Auf Antrag der Königl. Sächſiſchen Regierung wurde daher 1) Vgl. Leſſe in der Zeitſchr. für das geſammte Handelsr. Bd. XIV. S. 59 ff. Endemann in Buſch’s Archiv für Theorie u. Praxis des Han- delsr. Bd. 17 S. XLVII ff. Niſſen in v. Holtzendorff’s Jahrb. I. S. 496 ff. II. S. 261 ff. Sachs ebendaſ. III. S. 341 fg. und beſ. Goldſchmidt Handbuch des Handelsrechts. I. Bd. 2. Aufl. §. 20 S. 147—155. 2) Reichstagsverhandl. 1869. Anlagen S. 250. Vgl. auch die Erklärung des Bundesraths-Bevollmächtigten Pape im Reichstag am 10. April 1869. Stenogr. Berichte I. S. 285 fg. 3) Ueber die Vorgeſchichte dieſes Antrages vgl. Goldſchmidt a. a. O.
S. 147. 148 und Behrend in ſeiner Zeitſchrift für Geſetzgebung und Rechtspflege in Preußen III. S. 200 ff. — Der im Auftrage der Sächſi- ſchen Regierung von dem Ober-Appellationsrath Tauchnitz ausgearbei- tete Geſetz-Entwurf wurde nebſt Motiven am 23. Februar 1869 dem Bundes- rath vorgelegt. Der Juſtiz-Ausſchuß empfahl mittelſt Berichtes vom 22. März 1869 deſſen Annahme und der Bundesrath trat dieſem Antrage bei. Nachdem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb n="360" facs="#f0380"/><fw type="header" place="top">§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.</fw><lb/> der richterlichen Beamten iſt nur ein Mittel, um die unabhängige<lb/> Amtsthätigkeit der rechtſprechenden Behörden zu garantiren; aber<lb/> ſie iſt keineswegs weſentlich und unerläßlich; es giebt zahlreiche,<lb/> zur Rechtſprechung berufene Behörden, welche nicht aus richterlichen<lb/> Beamten beſtehen. Die rechtſprechenden Behörden ſind ebenſowenig<lb/> auf das Gebiet der eigentlichen Juſtiz beſchränkt; es laſſen ſich<lb/> vielmehr drei Kategorien derſelben unterſcheiden: Juſtizgerichte,<lb/> Disciplinargerichte, Verwaltungsgerichte.</p><lb/> <div n="5"> <head><hi rendition="#aq">A.</hi><hi rendition="#g">Reichsjuſtizgerichte</hi>.</head><lb/> <div n="6"> <head><hi rendition="#aq">I.</hi> Das <hi rendition="#g">Reichs-Oberhandelsgericht</hi> <note place="foot" n="1)">Vgl. <hi rendition="#g">Leſſe</hi> in der Zeitſchr. für das geſammte Handelsr. Bd. <hi rendition="#aq">XIV.</hi><lb/> S. 59 ff. <hi rendition="#g">Endemann</hi> in Buſch’s Archiv für Theorie u. Praxis des Han-<lb/> delsr. Bd. 17 S. <hi rendition="#aq">XLVII</hi> ff. <hi rendition="#g">Niſſen</hi> in v. Holtzendorff’s Jahrb. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 496 ff.<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> S. 261 ff. <hi rendition="#g">Sachs</hi> ebendaſ. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 341 fg. und beſ. <hi rendition="#g">Goldſchmidt</hi><lb/> Handbuch des Handelsrechts. <hi rendition="#aq">I.</hi> Bd. 2. Aufl. §. 20 S. 147—155.</note>.</head><lb/> <p>Als durch das im Jahre 1869 dem Reichstage vorgelegte<lb/> Geſetz die deutſche Wechſel-Ordnung und das deutſche Handels-<lb/> Geſetzbuch zu Bundesgeſetzen erklärt und dadurch vor partikulari-<lb/> ſtiſchen Abänderungen mittelſt der Landesgeſetzgebung geſchützt wer-<lb/> den ſollten, erwies ſich die Einſetzung eines gemeinſamen oberſten<lb/> Gerichtshofes für Wechſel- und Handelsſachen als nothwendig,<lb/> „um der Gefahr einer abweichenden Entwickelung des einheitlichen<lb/> Rechts durch die Praxis und Judikatur vorzubeugen <note place="foot" n="2)">Reichstagsverhandl. 1869. Anlagen S. 250. Vgl. auch die Erklärung<lb/> des Bundesraths-Bevollmächtigten <hi rendition="#g">Pape</hi> im Reichstag am 10. April 1869.<lb/> Stenogr. Berichte <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 285 fg.</note>“.</p><lb/> <p>Auf Antrag der Königl. Sächſiſchen Regierung wurde daher<lb/> die Errichtung eines oberſten Gerichtshofes für den Norddeutſchen<lb/> Bund in Ausſicht genommen, welcher in Handels- und Wechſel-<lb/> ſachen an die Stelle der oberſten Gerichtshöfe der einzelnen Staa-<lb/> ten treten ſollte <note place="foot" n="3)" xml:id="seg2pn_38_1" next="#seg2pn_38_2">Ueber die Vorgeſchichte dieſes Antrages vgl. <hi rendition="#g">Goldſchmidt</hi> a. a. O.<lb/> S. 147. 148 und <hi rendition="#g">Behrend</hi> in ſeiner Zeitſchrift für Geſetzgebung und<lb/> Rechtspflege in Preußen <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 200 ff. — Der im Auftrage der Sächſi-<lb/> ſchen Regierung von dem Ober-Appellationsrath Tauchnitz ausgearbei-<lb/> tete Geſetz-Entwurf wurde nebſt Motiven am 23. Februar 1869 dem Bundes-<lb/> rath vorgelegt. Der Juſtiz-Ausſchuß empfahl mittelſt Berichtes vom 22. März<lb/> 1869 deſſen Annahme und der Bundesrath trat dieſem Antrage bei. Nachdem</note>. Eine alsbaldige Verwirklichung fand dieſer<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [360/0380]
§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
der richterlichen Beamten iſt nur ein Mittel, um die unabhängige
Amtsthätigkeit der rechtſprechenden Behörden zu garantiren; aber
ſie iſt keineswegs weſentlich und unerläßlich; es giebt zahlreiche,
zur Rechtſprechung berufene Behörden, welche nicht aus richterlichen
Beamten beſtehen. Die rechtſprechenden Behörden ſind ebenſowenig
auf das Gebiet der eigentlichen Juſtiz beſchränkt; es laſſen ſich
vielmehr drei Kategorien derſelben unterſcheiden: Juſtizgerichte,
Disciplinargerichte, Verwaltungsgerichte.
A. Reichsjuſtizgerichte.
I. Das Reichs-Oberhandelsgericht 1).
Als durch das im Jahre 1869 dem Reichstage vorgelegte
Geſetz die deutſche Wechſel-Ordnung und das deutſche Handels-
Geſetzbuch zu Bundesgeſetzen erklärt und dadurch vor partikulari-
ſtiſchen Abänderungen mittelſt der Landesgeſetzgebung geſchützt wer-
den ſollten, erwies ſich die Einſetzung eines gemeinſamen oberſten
Gerichtshofes für Wechſel- und Handelsſachen als nothwendig,
„um der Gefahr einer abweichenden Entwickelung des einheitlichen
Rechts durch die Praxis und Judikatur vorzubeugen 2)“.
Auf Antrag der Königl. Sächſiſchen Regierung wurde daher
die Errichtung eines oberſten Gerichtshofes für den Norddeutſchen
Bund in Ausſicht genommen, welcher in Handels- und Wechſel-
ſachen an die Stelle der oberſten Gerichtshöfe der einzelnen Staa-
ten treten ſollte 3). Eine alsbaldige Verwirklichung fand dieſer
1) Vgl. Leſſe in der Zeitſchr. für das geſammte Handelsr. Bd. XIV.
S. 59 ff. Endemann in Buſch’s Archiv für Theorie u. Praxis des Han-
delsr. Bd. 17 S. XLVII ff. Niſſen in v. Holtzendorff’s Jahrb. I. S. 496 ff.
II. S. 261 ff. Sachs ebendaſ. III. S. 341 fg. und beſ. Goldſchmidt
Handbuch des Handelsrechts. I. Bd. 2. Aufl. §. 20 S. 147—155.
2) Reichstagsverhandl. 1869. Anlagen S. 250. Vgl. auch die Erklärung
des Bundesraths-Bevollmächtigten Pape im Reichstag am 10. April 1869.
Stenogr. Berichte I. S. 285 fg.
3) Ueber die Vorgeſchichte dieſes Antrages vgl. Goldſchmidt a. a. O.
S. 147. 148 und Behrend in ſeiner Zeitſchrift für Geſetzgebung und
Rechtspflege in Preußen III. S. 200 ff. — Der im Auftrage der Sächſi-
ſchen Regierung von dem Ober-Appellationsrath Tauchnitz ausgearbei-
tete Geſetz-Entwurf wurde nebſt Motiven am 23. Februar 1869 dem Bundes-
rath vorgelegt. Der Juſtiz-Ausſchuß empfahl mittelſt Berichtes vom 22. März
1869 deſſen Annahme und der Bundesrath trat dieſem Antrage bei. Nachdem
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Zitationshilfe: | Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/380>, abgerufen am 03.03.2025. |