müssen; aber die Reichsschulden-Verwaltung hat das Recht und die Pflicht, selbstständig und unabhängig zu prüfen, ob die Anordnung des Reichskanzlers in Uebereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften sich befindet.
Man kann daher auch nicht sagen, daß die Reichsschulden- Verwaltung vom Reichskanzler-Amt ressortirt; da sie hinsicht- lich ihrer amtlichen Thätigkeit von demselben nicht abhängig ist. Nur die Kosten, welche für die Verwaltung der Reichsschulden an Preußen zu vergüten sind, werden im Etats-Gesetz bisher bei dem Etat des Reichskanzler-Amtes angesetzt, die Zahlungen aus diesem Etats-Fonds werden vom Reichskanzler-Amt angewiesen und kommen bei diesem Fonds zur Verrechnung 1).
II.Die Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds.
In dem Gesetz vom 23. Mai 1873 (R.-G.-Bl. S. 117), durch welches die Gründung des Invalidenfonds im Betrage von 187 Millionen Thalern erfolgt ist, wird zur Verwaltung desselben die Errichtung einer Behörde angeordnet (§. 11), "welche von der allgemeinen Finanzverwaltung abgesondert und selbstständig sein, jedoch der oberen Leitung des Reichskanzlers insoweit unterliegen soll, als dies mit der ihr nach §. 12 dieses Gesetzes beigelegten Unabhängigkeit vereinbar ist." Der hier erwähnte §. 12 erklärt, daß der Vorsitzende und die Mitglieder der Verwaltung des Reichs- Invalidenfonds für die gesetzmäßige Anlage, Verrechnung und Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds unbedingt verant- wortlich sind, und er fordert von ihnen vor Antrit ihres Amtes die Ableistung eines besonderen Eides, der in öffentlicher Sitzung des Reichs-Oberhandelsgerichts zu schwören ist, "daß sie sich von Erfüllung dieser ihnen mit eigener Verantwortlichkeit obliegenden Pflichten durch keine Anweisung oder Verordnungen irgend einer Art abhalten lassen wollen."
1) In dem Handb. für das Deutsche Reich für 1874, welches im Reichs- kanzler-Amt bearbeitet worden ist, wird die Reichs-Schulden-Verwaltung unter dem Ressort der Central-Abtheilung des Reichskanzler-Amtes aufgeführt; ebenso z. B. das Heimathsamt, der Disziplinarhof und die Disziplinarkam- mern u. s. w. Es beruht dies aber nur darauf, daß in diesem Handbuch die Behörden nicht nach irgend einem staatsrechtlichen Gesichtspunkte gruppirt sind, sondern wie es scheint in allgemeiner Anlehnung an das Etatsgesetz unsyste- matisch aufgeführt werden.
§. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden.
müſſen; aber die Reichsſchulden-Verwaltung hat das Recht und die Pflicht, ſelbſtſtändig und unabhängig zu prüfen, ob die Anordnung des Reichskanzlers in Uebereinſtimmung mit den geſetzlichen Vorſchriften ſich befindet.
Man kann daher auch nicht ſagen, daß die Reichsſchulden- Verwaltung vom Reichskanzler-Amt reſſortirt; da ſie hinſicht- lich ihrer amtlichen Thätigkeit von demſelben nicht abhängig iſt. Nur die Koſten, welche für die Verwaltung der Reichsſchulden an Preußen zu vergüten ſind, werden im Etats-Geſetz bisher bei dem Etat des Reichskanzler-Amtes angeſetzt, die Zahlungen aus dieſem Etats-Fonds werden vom Reichskanzler-Amt angewieſen und kommen bei dieſem Fonds zur Verrechnung 1).
II.Die Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds.
In dem Geſetz vom 23. Mai 1873 (R.-G.-Bl. S. 117), durch welches die Gründung des Invalidenfonds im Betrage von 187 Millionen Thalern erfolgt iſt, wird zur Verwaltung deſſelben die Errichtung einer Behörde angeordnet (§. 11), „welche von der allgemeinen Finanzverwaltung abgeſondert und ſelbſtſtändig ſein, jedoch der oberen Leitung des Reichskanzlers inſoweit unterliegen ſoll, als dies mit der ihr nach §. 12 dieſes Geſetzes beigelegten Unabhängigkeit vereinbar iſt.“ Der hier erwähnte §. 12 erklärt, daß der Vorſitzende und die Mitglieder der Verwaltung des Reichs- Invalidenfonds für die geſetzmäßige Anlage, Verrechnung und Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds unbedingt verant- wortlich ſind, und er fordert von ihnen vor Antrit ihres Amtes die Ableiſtung eines beſonderen Eides, der in öffentlicher Sitzung des Reichs-Oberhandelsgerichts zu ſchwören iſt, „daß ſie ſich von Erfüllung dieſer ihnen mit eigener Verantwortlichkeit obliegenden Pflichten durch keine Anweiſung oder Verordnungen irgend einer Art abhalten laſſen wollen.“
1) In dem Handb. für das Deutſche Reich für 1874, welches im Reichs- kanzler-Amt bearbeitet worden iſt, wird die Reichs-Schulden-Verwaltung unter dem Reſſort der Central-Abtheilung des Reichskanzler-Amtes aufgeführt; ebenſo z. B. das Heimathsamt, der Disziplinarhof und die Disziplinarkam- mern u. ſ. w. Es beruht dies aber nur darauf, daß in dieſem Handbuch die Behörden nicht nach irgend einem ſtaatsrechtlichen Geſichtspunkte gruppirt ſind, ſondern wie es ſcheint in allgemeiner Anlehnung an das Etatsgeſetz unſyſte- matiſch aufgeführt werden.
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§. 35. Die ſelbſtſtändigen Reichs-Finanzbehörden.
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die Pflicht, ſelbſtſtändig und unabhängig zu prüfen, ob
die Anordnung des Reichskanzlers in Uebereinſtimmung mit den
geſetzlichen Vorſchriften ſich befindet.
Man kann daher auch nicht ſagen, daß die Reichsſchulden-
Verwaltung vom Reichskanzler-Amt reſſortirt; da ſie hinſicht-
lich ihrer amtlichen Thätigkeit von demſelben nicht abhängig
iſt. Nur die Koſten, welche für die Verwaltung der Reichsſchulden
an Preußen zu vergüten ſind, werden im Etats-Geſetz bisher bei
dem Etat des Reichskanzler-Amtes angeſetzt, die Zahlungen aus
dieſem Etats-Fonds werden vom Reichskanzler-Amt angewieſen und
kommen bei dieſem Fonds zur Verrechnung 1).
II. Die Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds.
In dem Geſetz vom 23. Mai 1873 (R.-G.-Bl. S. 117), durch
welches die Gründung des Invalidenfonds im Betrage von 187
Millionen Thalern erfolgt iſt, wird zur Verwaltung deſſelben die
Errichtung einer Behörde angeordnet (§. 11), „welche von der
allgemeinen Finanzverwaltung abgeſondert und ſelbſtſtändig ſein,
jedoch der oberen Leitung des Reichskanzlers inſoweit unterliegen
ſoll, als dies mit der ihr nach §. 12 dieſes Geſetzes beigelegten
Unabhängigkeit vereinbar iſt.“ Der hier erwähnte §. 12 erklärt,
daß der Vorſitzende und die Mitglieder der Verwaltung des Reichs-
Invalidenfonds für die geſetzmäßige Anlage, Verrechnung und
Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds unbedingt verant-
wortlich ſind, und er fordert von ihnen vor Antrit ihres Amtes
die Ableiſtung eines beſonderen Eides, der in öffentlicher Sitzung
des Reichs-Oberhandelsgerichts zu ſchwören iſt, „daß ſie ſich von
Erfüllung dieſer ihnen mit eigener Verantwortlichkeit obliegenden
Pflichten durch keine Anweiſung oder Verordnungen
irgend einer Art abhalten laſſen wollen.“
1) In dem Handb. für das Deutſche Reich für 1874, welches im Reichs-
kanzler-Amt bearbeitet worden iſt, wird die Reichs-Schulden-Verwaltung unter
dem Reſſort der Central-Abtheilung des Reichskanzler-Amtes aufgeführt;
ebenſo z. B. das Heimathsamt, der Disziplinarhof und die Disziplinarkam-
mern u. ſ. w. Es beruht dies aber nur darauf, daß in dieſem Handbuch die
Behörden nicht nach irgend einem ſtaatsrechtlichen Geſichtspunkte gruppirt ſind,
ſondern wie es ſcheint in allgemeiner Anlehnung an das Etatsgeſetz unſyſte-
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/371>, abgerufen am 03.03.2025.
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