Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 22. Der Schutz des Gebietes. Wortlaut. Es handelt sich aber keineswegs blos um eine begriff-liche Unterscheidung; sondern es lassen sich sehr wohl Unterneh- mungen denken, in denen nicht gleichzeitig in ideeller Concurrenz beide Fälle des Hochverraths vorliegen, sondern nur entweder der eine oder der andere. So würde z. B. das Unternehmen, die Provinz Posen zwar beim Königreich Preußen zu belassen, aber sie gewaltsam vom Reiche loszureißen, nur unter Nro 3 1); da- gegen das Unternehmen, die Provinz Hannover zwar beim Reiche zu belassen, aber sie gewaltsam vom Königreich Preußen loszu- reißen, nur unter Nro. 4 fallen. 2. In ähnlicher Weise wie beim Hochverrath kömmt das Ge- 3. Endlich stellt auch Str.-G.-B. §. 361 Nro. 2 die Gebiets- §. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden. Am deutlichsten markirt sich das Nebeneinander-Bestehen der 1) Die Aufzählung bei John in Holtzendorff's Handb. des Deutschen Strafrechts III, 1 S. 14, wonach der Hochverrath gegen das Bundesgebiet in doppelter Weise begangen werden kann, indem entweder ein Theil des Bundesgebiets einem fremden Staat einverleibt werden oder aus demselben ein neuer selbständiger, dem Reich nicht angehöriger Staat gemacht werden soll, ist nicht erschöpfend. 2) Beziehentl. gegen den Regenten oder gegen ein Mitglied des landes-
herrlichen Hauses. §. 22. Der Schutz des Gebietes. Wortlaut. Es handelt ſich aber keineswegs blos um eine begriff-liche Unterſcheidung; ſondern es laſſen ſich ſehr wohl Unterneh- mungen denken, in denen nicht gleichzeitig in ideeller Concurrenz beide Fälle des Hochverraths vorliegen, ſondern nur entweder der eine oder der andere. So würde z. B. das Unternehmen, die Provinz Poſen zwar beim Königreich Preußen zu belaſſen, aber ſie gewaltſam vom Reiche loszureißen, nur unter Nro 3 1); da- gegen das Unternehmen, die Provinz Hannover zwar beim Reiche zu belaſſen, aber ſie gewaltſam vom Königreich Preußen loszu- reißen, nur unter Nro. 4 fallen. 2. In ähnlicher Weiſe wie beim Hochverrath kömmt das Ge- 3. Endlich ſtellt auch Str.-G.-B. §. 361 Nro. 2 die Gebiets- §. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden. Am deutlichſten markirt ſich das Nebeneinander-Beſtehen der 1) Die Aufzählung bei John in Holtzendorff’s Handb. des Deutſchen Strafrechts III, 1 S. 14, wonach der Hochverrath gegen das Bundesgebiet in doppelter Weiſe begangen werden kann, indem entweder ein Theil des Bundesgebiets einem fremden Staat einverleibt werden oder aus demſelben ein neuer ſelbſtändiger, dem Reich nicht angehöriger Staat gemacht werden ſoll, iſt nicht erſchöpfend. 2) Beziehentl. gegen den Regenten oder gegen ein Mitglied des landes-
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§. 22. Der Schutz des Gebietes.
Wortlaut. Es handelt ſich aber keineswegs blos um eine begriff-
liche Unterſcheidung; ſondern es laſſen ſich ſehr wohl Unterneh-
mungen denken, in denen nicht gleichzeitig in ideeller Concurrenz
beide Fälle des Hochverraths vorliegen, ſondern nur entweder der
eine oder der andere. So würde z. B. das Unternehmen, die
Provinz Poſen zwar beim Königreich Preußen zu belaſſen, aber
ſie gewaltſam vom Reiche loszureißen, nur unter Nro 3 1); da-
gegen das Unternehmen, die Provinz Hannover zwar beim Reiche
zu belaſſen, aber ſie gewaltſam vom Königreich Preußen loszu-
reißen, nur unter Nro. 4 fallen.
2. In ähnlicher Weiſe wie beim Hochverrath kömmt das Ge-
biet in Betracht bei denjenigen ſtrafbaren Handlungen, zu deren
Thatbeſtand es gehört, daß ſie gegen das Oberhaupt des Reiches
oder eines Bundesſtaates 2) verübt werden. Der Kaiſer iſt gegen
hochverrätheriſche Mord-Unternehmungen und gegen Beleidigungen
im ganzen Bundesgebiet durch die gleichen Strafandrohungen ge-
ſchützt; dagegen ſind die Landesherren gegen dieſelben Verbrechen
nur dann mit einem ebenſo ſtarken ſtrafrechtlichen Schutz wie der
eigene Landesherr des Thäters umgeben, wenn die verbrecheriſche
That in dem Gebiete ihres Staates verübt worden iſt.
St.-G.-B. §. 80. 94 bis 97.
3. Endlich ſtellt auch Str.-G.-B. §. 361 Nro. 2 die Gebiets-
hoheit des Reiches und die der Einzelſtaaten dadurch unter gleichen
Schutz, daß er denjenigen mit Strafe bedroht: „der, nachdem er
des Bundesgebietes oder des Gebietes eines Bundes-
ſtaates verwieſen iſt, ohne Erlaubniß zurückkehrt.“
§. 23. Die räumliche Begränzung der Kompetenz der Behörden.
Am deutlichſten markirt ſich das Nebeneinander-Beſtehen der
ſtelbſtſtändigen Gebietshoheit des Reiches am Bundesgebiet und
1) Die Aufzählung bei John in Holtzendorff’s Handb. des Deutſchen
Strafrechts III, 1 S. 14, wonach der Hochverrath gegen das Bundesgebiet
in doppelter Weiſe begangen werden kann, indem entweder ein Theil des
Bundesgebiets einem fremden Staat einverleibt werden oder aus demſelben ein
neuer ſelbſtändiger, dem Reich nicht angehöriger Staat gemacht werden ſoll,
iſt nicht erſchöpfend.
2) Beziehentl. gegen den Regenten oder gegen ein Mitglied des landes-
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