Das muß ihr für jetzt genug sein. Und deinem Vater sag', es bleib' bei unsrer Abred', und er soll' sie bei sich behalten, wie wir ausge¬ macht haben, bis etliche Zeit verstrichen ist; sowie ich wieder ein wenig zu Kräften komm', will ich ihn dafür schadlos halten. Du aber ver¬ sprichst mir, daß wir uns je und je im Beckenhaus treffen, damit ich Nachricht von meinem Schatz hab'; denn du bist jetzt mein Münd¬ lich's und mein Schriftlich's mit ihr.
Bleib's dabei, sagte Jerg.
Und jetzt sag' mir noch eins, offen, Aug' in Aug': glaubst du meinen Worten und willst du dich bei den Deinigen und bei deiner Schwester für mich verbürgen, daß ich's noch so treulich mein' wie sonst, trotzdem daß der Schein gegen mich ist? Die Hand drauf, Schwager, Bruderherz?
Ja, ich glaub' dir, da hast meine Hand.
So, jetzt geh' ich mit leichterem Herzen heim. Gut' Nacht, und grüß' mir mein' Schatz viel tausendmal.
17.
Bald genug sollte Friedrich's Ahnung, daß der natürliche Gang der Dinge von selbst zwischen zwei widerstreitenden Versprechen ent¬ scheiden werde, in Erfüllung gehen.
In der Stellung des dienenden Sohnes, in die er zurückgetreten, waren ihm ein paar Monate leer und trüb dahingegangen, ohne daß seine Herzensangelegenheit einen weiteren Zusammenstoß zwischen ihm und seinem Vater verursachte. Diesem genügte es, seinen Sohn der herrschenden Sitte gemäß ehrlich und christlich, wie die stehende Redeweise der Zeit sich ausdrückte, erzogen zu haben, und er meinte seine ganze Verantwortlichkeit abgethan, wenn er einem Irrweg dessel¬ ben die einfache Schranke des väterlichen Verbotes entgegensetzte. Er glaubte ihm weder die Gründe, durch welche ein älterer Freund die unerfahrene Jugend manchmal von einem Fehlgriff abzuhalten vermag, noch die Achtung vor der Freiheit des menschlichen Willens schuldig
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 12
Das muß ihr für jetzt genug ſein. Und deinem Vater ſag', es bleib' bei unſrer Abred', und er ſoll' ſie bei ſich behalten, wie wir ausge¬ macht haben, bis etliche Zeit verſtrichen iſt; ſowie ich wieder ein wenig zu Kräften komm', will ich ihn dafür ſchadlos halten. Du aber ver¬ ſprichſt mir, daß wir uns je und je im Beckenhaus treffen, damit ich Nachricht von meinem Schatz hab'; denn du biſt jetzt mein Münd¬ lich's und mein Schriftlich's mit ihr.
Bleib's dabei, ſagte Jerg.
Und jetzt ſag' mir noch eins, offen, Aug' in Aug': glaubſt du meinen Worten und willſt du dich bei den Deinigen und bei deiner Schweſter für mich verbürgen, daß ich's noch ſo treulich mein' wie ſonſt, trotzdem daß der Schein gegen mich iſt? Die Hand drauf, Schwager, Bruderherz?
Ja, ich glaub' dir, da haſt meine Hand.
So, jetzt geh' ich mit leichterem Herzen heim. Gut' Nacht, und grüß' mir mein' Schatz viel tauſendmal.
17.
Bald genug ſollte Friedrich's Ahnung, daß der natürliche Gang der Dinge von ſelbſt zwiſchen zwei widerſtreitenden Verſprechen ent¬ ſcheiden werde, in Erfüllung gehen.
In der Stellung des dienenden Sohnes, in die er zurückgetreten, waren ihm ein paar Monate leer und trüb dahingegangen, ohne daß ſeine Herzensangelegenheit einen weiteren Zuſammenſtoß zwiſchen ihm und ſeinem Vater verurſachte. Dieſem genügte es, ſeinen Sohn der herrſchenden Sitte gemäß ehrlich und chriſtlich, wie die ſtehende Redeweiſe der Zeit ſich ausdrückte, erzogen zu haben, und er meinte ſeine ganze Verantwortlichkeit abgethan, wenn er einem Irrweg deſſel¬ ben die einfache Schranke des väterlichen Verbotes entgegenſetzte. Er glaubte ihm weder die Gründe, durch welche ein älterer Freund die unerfahrene Jugend manchmal von einem Fehlgriff abzuhalten vermag, noch die Achtung vor der Freiheit des menſchlichen Willens ſchuldig
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 12
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0193"n="177"/>
Das muß ihr für jetzt genug ſein. Und deinem Vater ſag', es bleib'<lb/>
bei unſrer Abred', und er ſoll' ſie bei ſich behalten, wie wir ausge¬<lb/>
macht haben, bis etliche Zeit verſtrichen iſt; ſowie ich wieder ein wenig<lb/>
zu Kräften komm', will ich ihn dafür ſchadlos halten. Du aber ver¬<lb/>ſprichſt mir, daß wir uns je und je im Beckenhaus treffen, damit ich<lb/>
Nachricht von meinem Schatz hab'; denn du biſt jetzt mein Münd¬<lb/>
lich's und mein Schriftlich's mit ihr.</p><lb/><p>Bleib's dabei, ſagte Jerg.</p><lb/><p>Und jetzt ſag' mir noch eins, offen, Aug' in Aug': glaubſt du<lb/>
meinen Worten und willſt du dich bei den Deinigen und bei deiner<lb/>
Schweſter für mich verbürgen, daß ich's noch ſo treulich mein' wie<lb/>ſonſt, trotzdem daß der Schein gegen mich iſt? Die Hand drauf,<lb/>
Schwager, Bruderherz?</p><lb/><p>Ja, ich glaub' dir, da haſt meine Hand.</p><lb/><p>So, jetzt geh' ich mit leichterem Herzen heim. Gut' Nacht, und<lb/>
grüß' mir mein' Schatz viel tauſendmal.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="1"><head>17.<lb/></head><p>Bald genug ſollte Friedrich's Ahnung, daß der natürliche Gang<lb/>
der Dinge von ſelbſt zwiſchen zwei widerſtreitenden Verſprechen ent¬<lb/>ſcheiden werde, in Erfüllung gehen.</p><lb/><p>In der Stellung des dienenden Sohnes, in die er zurückgetreten,<lb/>
waren ihm ein paar Monate leer und trüb dahingegangen, ohne daß<lb/>ſeine Herzensangelegenheit einen weiteren Zuſammenſtoß zwiſchen ihm<lb/>
und ſeinem Vater verurſachte. Dieſem genügte es, ſeinen Sohn der<lb/>
herrſchenden Sitte gemäß ehrlich und chriſtlich, wie die ſtehende<lb/>
Redeweiſe der Zeit ſich ausdrückte, erzogen zu haben, und er meinte<lb/>ſeine ganze Verantwortlichkeit abgethan, wenn er einem Irrweg deſſel¬<lb/>
ben die einfache Schranke des väterlichen Verbotes entgegenſetzte. Er<lb/>
glaubte ihm weder die Gründe, durch welche ein älterer Freund die<lb/>
unerfahrene Jugend manchmal von einem Fehlgriff abzuhalten vermag,<lb/>
noch die Achtung vor der Freiheit des menſchlichen Willens ſchuldig<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 12<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[177/0193]
Das muß ihr für jetzt genug ſein. Und deinem Vater ſag', es bleib'
bei unſrer Abred', und er ſoll' ſie bei ſich behalten, wie wir ausge¬
macht haben, bis etliche Zeit verſtrichen iſt; ſowie ich wieder ein wenig
zu Kräften komm', will ich ihn dafür ſchadlos halten. Du aber ver¬
ſprichſt mir, daß wir uns je und je im Beckenhaus treffen, damit ich
Nachricht von meinem Schatz hab'; denn du biſt jetzt mein Münd¬
lich's und mein Schriftlich's mit ihr.
Bleib's dabei, ſagte Jerg.
Und jetzt ſag' mir noch eins, offen, Aug' in Aug': glaubſt du
meinen Worten und willſt du dich bei den Deinigen und bei deiner
Schweſter für mich verbürgen, daß ich's noch ſo treulich mein' wie
ſonſt, trotzdem daß der Schein gegen mich iſt? Die Hand drauf,
Schwager, Bruderherz?
Ja, ich glaub' dir, da haſt meine Hand.
So, jetzt geh' ich mit leichterem Herzen heim. Gut' Nacht, und
grüß' mir mein' Schatz viel tauſendmal.
17.
Bald genug ſollte Friedrich's Ahnung, daß der natürliche Gang
der Dinge von ſelbſt zwiſchen zwei widerſtreitenden Verſprechen ent¬
ſcheiden werde, in Erfüllung gehen.
In der Stellung des dienenden Sohnes, in die er zurückgetreten,
waren ihm ein paar Monate leer und trüb dahingegangen, ohne daß
ſeine Herzensangelegenheit einen weiteren Zuſammenſtoß zwiſchen ihm
und ſeinem Vater verurſachte. Dieſem genügte es, ſeinen Sohn der
herrſchenden Sitte gemäß ehrlich und chriſtlich, wie die ſtehende
Redeweiſe der Zeit ſich ausdrückte, erzogen zu haben, und er meinte
ſeine ganze Verantwortlichkeit abgethan, wenn er einem Irrweg deſſel¬
ben die einfache Schranke des väterlichen Verbotes entgegenſetzte. Er
glaubte ihm weder die Gründe, durch welche ein älterer Freund die
unerfahrene Jugend manchmal von einem Fehlgriff abzuhalten vermag,
noch die Achtung vor der Freiheit des menſchlichen Willens ſchuldig
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/193>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.