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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Das muß ihr für jetzt genug sein. Und deinem Vater sag', es bleib'
bei unsrer Abred', und er soll' sie bei sich behalten, wie wir ausge¬
macht haben, bis etliche Zeit verstrichen ist; sowie ich wieder ein wenig
zu Kräften komm', will ich ihn dafür schadlos halten. Du aber ver¬
sprichst mir, daß wir uns je und je im Beckenhaus treffen, damit ich
Nachricht von meinem Schatz hab'; denn du bist jetzt mein Münd¬
lich's und mein Schriftlich's mit ihr.

Bleib's dabei, sagte Jerg.

Und jetzt sag' mir noch eins, offen, Aug' in Aug': glaubst du
meinen Worten und willst du dich bei den Deinigen und bei deiner
Schwester für mich verbürgen, daß ich's noch so treulich mein' wie
sonst, trotzdem daß der Schein gegen mich ist? Die Hand drauf,
Schwager, Bruderherz?

Ja, ich glaub' dir, da hast meine Hand.

So, jetzt geh' ich mit leichterem Herzen heim. Gut' Nacht, und
grüß' mir mein' Schatz viel tausendmal.


17.

Bald genug sollte Friedrich's Ahnung, daß der natürliche Gang
der Dinge von selbst zwischen zwei widerstreitenden Versprechen ent¬
scheiden werde, in Erfüllung gehen.

In der Stellung des dienenden Sohnes, in die er zurückgetreten,
waren ihm ein paar Monate leer und trüb dahingegangen, ohne daß
seine Herzensangelegenheit einen weiteren Zusammenstoß zwischen ihm
und seinem Vater verursachte. Diesem genügte es, seinen Sohn der
herrschenden Sitte gemäß ehrlich und christlich, wie die stehende
Redeweise der Zeit sich ausdrückte, erzogen zu haben, und er meinte
seine ganze Verantwortlichkeit abgethan, wenn er einem Irrweg dessel¬
ben die einfache Schranke des väterlichen Verbotes entgegensetzte. Er
glaubte ihm weder die Gründe, durch welche ein älterer Freund die
unerfahrene Jugend manchmal von einem Fehlgriff abzuhalten vermag,
noch die Achtung vor der Freiheit des menschlichen Willens schuldig

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 12

Das muß ihr für jetzt genug ſein. Und deinem Vater ſag', es bleib'
bei unſrer Abred', und er ſoll' ſie bei ſich behalten, wie wir ausge¬
macht haben, bis etliche Zeit verſtrichen iſt; ſowie ich wieder ein wenig
zu Kräften komm', will ich ihn dafür ſchadlos halten. Du aber ver¬
ſprichſt mir, daß wir uns je und je im Beckenhaus treffen, damit ich
Nachricht von meinem Schatz hab'; denn du biſt jetzt mein Münd¬
lich's und mein Schriftlich's mit ihr.

Bleib's dabei, ſagte Jerg.

Und jetzt ſag' mir noch eins, offen, Aug' in Aug': glaubſt du
meinen Worten und willſt du dich bei den Deinigen und bei deiner
Schweſter für mich verbürgen, daß ich's noch ſo treulich mein' wie
ſonſt, trotzdem daß der Schein gegen mich iſt? Die Hand drauf,
Schwager, Bruderherz?

Ja, ich glaub' dir, da haſt meine Hand.

So, jetzt geh' ich mit leichterem Herzen heim. Gut' Nacht, und
grüß' mir mein' Schatz viel tauſendmal.


17.

Bald genug ſollte Friedrich's Ahnung, daß der natürliche Gang
der Dinge von ſelbſt zwiſchen zwei widerſtreitenden Verſprechen ent¬
ſcheiden werde, in Erfüllung gehen.

In der Stellung des dienenden Sohnes, in die er zurückgetreten,
waren ihm ein paar Monate leer und trüb dahingegangen, ohne daß
ſeine Herzensangelegenheit einen weiteren Zuſammenſtoß zwiſchen ihm
und ſeinem Vater verurſachte. Dieſem genügte es, ſeinen Sohn der
herrſchenden Sitte gemäß ehrlich und chriſtlich, wie die ſtehende
Redeweiſe der Zeit ſich ausdrückte, erzogen zu haben, und er meinte
ſeine ganze Verantwortlichkeit abgethan, wenn er einem Irrweg deſſel¬
ben die einfache Schranke des väterlichen Verbotes entgegenſetzte. Er
glaubte ihm weder die Gründe, durch welche ein älterer Freund die
unerfahrene Jugend manchmal von einem Fehlgriff abzuhalten vermag,
noch die Achtung vor der Freiheit des menſchlichen Willens ſchuldig

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[177/0193] Das muß ihr für jetzt genug ſein. Und deinem Vater ſag', es bleib' bei unſrer Abred', und er ſoll' ſie bei ſich behalten, wie wir ausge¬ macht haben, bis etliche Zeit verſtrichen iſt; ſowie ich wieder ein wenig zu Kräften komm', will ich ihn dafür ſchadlos halten. Du aber ver¬ ſprichſt mir, daß wir uns je und je im Beckenhaus treffen, damit ich Nachricht von meinem Schatz hab'; denn du biſt jetzt mein Münd¬ lich's und mein Schriftlich's mit ihr. Bleib's dabei, ſagte Jerg. Und jetzt ſag' mir noch eins, offen, Aug' in Aug': glaubſt du meinen Worten und willſt du dich bei den Deinigen und bei deiner Schweſter für mich verbürgen, daß ich's noch ſo treulich mein' wie ſonſt, trotzdem daß der Schein gegen mich iſt? Die Hand drauf, Schwager, Bruderherz? Ja, ich glaub' dir, da haſt meine Hand. So, jetzt geh' ich mit leichterem Herzen heim. Gut' Nacht, und grüß' mir mein' Schatz viel tauſendmal. 17. Bald genug ſollte Friedrich's Ahnung, daß der natürliche Gang der Dinge von ſelbſt zwiſchen zwei widerſtreitenden Verſprechen ent¬ ſcheiden werde, in Erfüllung gehen. In der Stellung des dienenden Sohnes, in die er zurückgetreten, waren ihm ein paar Monate leer und trüb dahingegangen, ohne daß ſeine Herzensangelegenheit einen weiteren Zuſammenſtoß zwiſchen ihm und ſeinem Vater verurſachte. Dieſem genügte es, ſeinen Sohn der herrſchenden Sitte gemäß ehrlich und chriſtlich, wie die ſtehende Redeweiſe der Zeit ſich ausdrückte, erzogen zu haben, und er meinte ſeine ganze Verantwortlichkeit abgethan, wenn er einem Irrweg deſſel¬ ben die einfache Schranke des väterlichen Verbotes entgegenſetzte. Er glaubte ihm weder die Gründe, durch welche ein älterer Freund die unerfahrene Jugend manchmal von einem Fehlgriff abzuhalten vermag, noch die Achtung vor der Freiheit des menſchlichen Willens ſchuldig D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 12

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/193>, abgerufen am 21.11.2024.