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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Hause anschickte über Feld zu gehen. Sieh, es freut mich von gan¬
zem Herzen, wie gut du gegen meinen Bruder bist.

Quod medicamenta non sanant --, murmelte der Chirurg vor
sich hin und hielt wieder inne. Dann wandte er sich zu seiner Frau:
So lang man singt, ist die Kirche nicht aus, hat deine Mutter gesagt,
und mir hat ein Vögelein gepfiffen, sie werde wohl Recht haben.
Zwar, wenn dein Bruder jetzt Vernunft annimmt, so will ich ihm
alles Gute gönnen, und will gerne dazu geholfen haben. Aber die
Kugel, die bergab geht, rollt gemeiniglich so fort ohne Aufenthalt.
Ohnehin, wenn dein Vater heut stirbt, so nimmt er morgen sein
Bauernmensch. Meinst du, du würdest nicht besser zu einer Sonnen¬
wirthin taugen? Und sollt' ich zum Wirthschaften nicht so gut Geschick
haben als zum Rasiren? Deine Mutter ist so giftig und höhnisch,
daß sie meinen Rasirtag meinen Schabes heißt. Ei, mir stände es
gar wohl an, einen Ruhetag aus ihm zu machen, wenigstens was das
Bartschaben betrifft.

Er ging, und Magdalene sah ihm seufzend nach. Dieser Seufzer
mochte wohl Mancherlei zu bedeuten haben.


16.

Kaum war es am nächsten Tage Abend geworden, als im Bäcker¬
hause Jemand eilfertig in die Stube herein schlüpfte. Die Bäckerin
war allein; sie saß im Großvaterstuhle und hatte die Hände schlaff
in den Schoß gelegt. Sie blickte den Eintretenden scharf durch die
Dämmerung an. Wer ist's? fragte sie endlich, da sie ihn nicht er¬
kannte.

Grüß' Gott, Bas', sagte eine bekannte Stimme.

Herrjeses, der Frieder! rief sie. Was, schon wieder aus der Fremde
da? Was ist denn das? Wie geht denn das zu?

Schrecklich ist's, erwiderte der Ankömmling, wenn man Alt und
Jung, Kind und Kegel immer auf die nämlich' Frag' Antwort geben
soll. Wo ich geh' und steh', greift man mich mit Fragen an und

Hauſe anſchickte über Feld zu gehen. Sieh, es freut mich von gan¬
zem Herzen, wie gut du gegen meinen Bruder biſt.

Quod medicamenta non sanant —, murmelte der Chirurg vor
ſich hin und hielt wieder inne. Dann wandte er ſich zu ſeiner Frau:
So lang man ſingt, iſt die Kirche nicht aus, hat deine Mutter geſagt,
und mir hat ein Vögelein gepfiffen, ſie werde wohl Recht haben.
Zwar, wenn dein Bruder jetzt Vernunft annimmt, ſo will ich ihm
alles Gute gönnen, und will gerne dazu geholfen haben. Aber die
Kugel, die bergab geht, rollt gemeiniglich ſo fort ohne Aufenthalt.
Ohnehin, wenn dein Vater heut ſtirbt, ſo nimmt er morgen ſein
Bauernmenſch. Meinſt du, du würdeſt nicht beſſer zu einer Sonnen¬
wirthin taugen? Und ſollt' ich zum Wirthſchaften nicht ſo gut Geſchick
haben als zum Raſiren? Deine Mutter iſt ſo giftig und höhniſch,
daß ſie meinen Raſirtag meinen Schabes heißt. Ei, mir ſtände es
gar wohl an, einen Ruhetag aus ihm zu machen, wenigſtens was das
Bartſchaben betrifft.

Er ging, und Magdalene ſah ihm ſeufzend nach. Dieſer Seufzer
mochte wohl Mancherlei zu bedeuten haben.


16.

Kaum war es am nächſten Tage Abend geworden, als im Bäcker¬
hauſe Jemand eilfertig in die Stube herein ſchlüpfte. Die Bäckerin
war allein; ſie ſaß im Großvaterſtuhle und hatte die Hände ſchlaff
in den Schoß gelegt. Sie blickte den Eintretenden ſcharf durch die
Dämmerung an. Wer iſt's? fragte ſie endlich, da ſie ihn nicht er¬
kannte.

Grüß' Gott, Baſ', ſagte eine bekannte Stimme.

Herrjeſes, der Frieder! rief ſie. Was, ſchon wieder aus der Fremde
da? Was iſt denn das? Wie geht denn das zu?

Schrecklich iſt's, erwiderte der Ankömmling, wenn man Alt und
Jung, Kind und Kegel immer auf die nämlich' Frag' Antwort geben
ſoll. Wo ich geh' und ſteh', greift man mich mit Fragen an und

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[171/0187] Hauſe anſchickte über Feld zu gehen. Sieh, es freut mich von gan¬ zem Herzen, wie gut du gegen meinen Bruder biſt. Quod medicamenta non sanant —, murmelte der Chirurg vor ſich hin und hielt wieder inne. Dann wandte er ſich zu ſeiner Frau: So lang man ſingt, iſt die Kirche nicht aus, hat deine Mutter geſagt, und mir hat ein Vögelein gepfiffen, ſie werde wohl Recht haben. Zwar, wenn dein Bruder jetzt Vernunft annimmt, ſo will ich ihm alles Gute gönnen, und will gerne dazu geholfen haben. Aber die Kugel, die bergab geht, rollt gemeiniglich ſo fort ohne Aufenthalt. Ohnehin, wenn dein Vater heut ſtirbt, ſo nimmt er morgen ſein Bauernmenſch. Meinſt du, du würdeſt nicht beſſer zu einer Sonnen¬ wirthin taugen? Und ſollt' ich zum Wirthſchaften nicht ſo gut Geſchick haben als zum Raſiren? Deine Mutter iſt ſo giftig und höhniſch, daß ſie meinen Raſirtag meinen Schabes heißt. Ei, mir ſtände es gar wohl an, einen Ruhetag aus ihm zu machen, wenigſtens was das Bartſchaben betrifft. Er ging, und Magdalene ſah ihm ſeufzend nach. Dieſer Seufzer mochte wohl Mancherlei zu bedeuten haben. 16. Kaum war es am nächſten Tage Abend geworden, als im Bäcker¬ hauſe Jemand eilfertig in die Stube herein ſchlüpfte. Die Bäckerin war allein; ſie ſaß im Großvaterſtuhle und hatte die Hände ſchlaff in den Schoß gelegt. Sie blickte den Eintretenden ſcharf durch die Dämmerung an. Wer iſt's? fragte ſie endlich, da ſie ihn nicht er¬ kannte. Grüß' Gott, Baſ', ſagte eine bekannte Stimme. Herrjeſes, der Frieder! rief ſie. Was, ſchon wieder aus der Fremde da? Was iſt denn das? Wie geht denn das zu? Schrecklich iſt's, erwiderte der Ankömmling, wenn man Alt und Jung, Kind und Kegel immer auf die nämlich' Frag' Antwort geben ſoll. Wo ich geh' und ſteh', greift man mich mit Fragen an und

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/187>, abgerufen am 21.11.2024.