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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Lachend gingen seine Gesellen mit ihm fort. Auf dem Wege er¬
öffnete er ihnen, daß er diese Nacht in ihrem Hause bei ihrer Schwe¬
ster zuzubringen gesonnen sei. Sie fanden das in der Ordnung und
ließen ihn mit sich ein.


13.

Und nun den letzten Kuß! sagte Friedrich, als kaum der Morgen
graute. Das Scheiden und Meiden ist ein schlechtes Handwerk, und
der bös' Gott woll's dem behüten, dem's zuerst eingefallen ist, aber
es muß nun einmal sein.

Wenn ich nicht Sorg' hätt', mein Vater oder Mutter könnt' auf¬
wachen, so ließ' ich dich noch nicht fort, sagte Christine unwillkürlich
seinen Arm umklammernd. Es hat sich ja noch nicht einmal ein
Hahnenschrei hören lassen.

Sie werden bald krähen, und dann währt's nicht lang mehr, so
wird's lebendig im Ort und ich kann nicht mehr unbeschrieen fort¬
kommen, was mir unlieb wär', weil ich des Geschwätzes mit den
Leuten überdrüssig bin und nicht jedem auf die Nas' binden mag,
warum ich in die Fremde soll. Fort muß ich ja doch einmal, und so
ist's eins, ob wir den bittern Kelch jetzt trinken oder ein wenig später.
Denk' dir, wir seien verheirathet, was wir ja auch eigentlich sind,
und ich müss' verreisen auf längere Zeit. Wie Mancher hat schon
von Weib und Kind weg in Krieg müssen, und ist gar nicht wieder
kommen.

Wann wirst auch du wieder zu mir kommen? seufzte Christine.

Am Sanct Nimmerlestag, wo die Eulen bocken. Frag' nicht so
schäckig, weißt ja doch selber wohl, daß ich komm', wenn ich kann
und darf. Soll ich dir denn Alles wieder herleiern, was ich dir ge¬
sagt hab' und worauf unsre Hoffnung steht? Ich müßt' mich ja
heiser predigen.

Christine schluchzte überlaut. Mein Herz sagt mir, wir sehen ein¬
ander nie wieder und ich werd' in Schand' und Noth verlassen sein.

Lachend gingen ſeine Geſellen mit ihm fort. Auf dem Wege er¬
öffnete er ihnen, daß er dieſe Nacht in ihrem Hauſe bei ihrer Schwe¬
ſter zuzubringen geſonnen ſei. Sie fanden das in der Ordnung und
ließen ihn mit ſich ein.


13.

Und nun den letzten Kuß! ſagte Friedrich, als kaum der Morgen
graute. Das Scheiden und Meiden iſt ein ſchlechtes Handwerk, und
der böſ' Gott woll's dem behüten, dem's zuerſt eingefallen iſt, aber
es muß nun einmal ſein.

Wenn ich nicht Sorg' hätt', mein Vater oder Mutter könnt' auf¬
wachen, ſo ließ' ich dich noch nicht fort, ſagte Chriſtine unwillkürlich
ſeinen Arm umklammernd. Es hat ſich ja noch nicht einmal ein
Hahnenſchrei hören laſſen.

Sie werden bald krähen, und dann währt's nicht lang mehr, ſo
wird's lebendig im Ort und ich kann nicht mehr unbeſchrieen fort¬
kommen, was mir unlieb wär', weil ich des Geſchwätzes mit den
Leuten überdrüſſig bin und nicht jedem auf die Naſ' binden mag,
warum ich in die Fremde ſoll. Fort muß ich ja doch einmal, und ſo
iſt's eins, ob wir den bittern Kelch jetzt trinken oder ein wenig ſpäter.
Denk' dir, wir ſeien verheirathet, was wir ja auch eigentlich ſind,
und ich müſſ' verreiſen auf längere Zeit. Wie Mancher hat ſchon
von Weib und Kind weg in Krieg müſſen, und iſt gar nicht wieder
kommen.

Wann wirſt auch du wieder zu mir kommen? ſeufzte Chriſtine.

Am Sanct Nimmerlestag, wo die Eulen bocken. Frag' nicht ſo
ſchäckig, weißt ja doch ſelber wohl, daß ich komm', wenn ich kann
und darf. Soll ich dir denn Alles wieder herleiern, was ich dir ge¬
ſagt hab' und worauf unſre Hoffnung ſteht? Ich müßt' mich ja
heiſer predigen.

Chriſtine ſchluchzte überlaut. Mein Herz ſagt mir, wir ſehen ein¬
ander nie wieder und ich werd' in Schand' und Noth verlaſſen ſein.

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[150/0166] Lachend gingen ſeine Geſellen mit ihm fort. Auf dem Wege er¬ öffnete er ihnen, daß er dieſe Nacht in ihrem Hauſe bei ihrer Schwe¬ ſter zuzubringen geſonnen ſei. Sie fanden das in der Ordnung und ließen ihn mit ſich ein. 13. Und nun den letzten Kuß! ſagte Friedrich, als kaum der Morgen graute. Das Scheiden und Meiden iſt ein ſchlechtes Handwerk, und der böſ' Gott woll's dem behüten, dem's zuerſt eingefallen iſt, aber es muß nun einmal ſein. Wenn ich nicht Sorg' hätt', mein Vater oder Mutter könnt' auf¬ wachen, ſo ließ' ich dich noch nicht fort, ſagte Chriſtine unwillkürlich ſeinen Arm umklammernd. Es hat ſich ja noch nicht einmal ein Hahnenſchrei hören laſſen. Sie werden bald krähen, und dann währt's nicht lang mehr, ſo wird's lebendig im Ort und ich kann nicht mehr unbeſchrieen fort¬ kommen, was mir unlieb wär', weil ich des Geſchwätzes mit den Leuten überdrüſſig bin und nicht jedem auf die Naſ' binden mag, warum ich in die Fremde ſoll. Fort muß ich ja doch einmal, und ſo iſt's eins, ob wir den bittern Kelch jetzt trinken oder ein wenig ſpäter. Denk' dir, wir ſeien verheirathet, was wir ja auch eigentlich ſind, und ich müſſ' verreiſen auf längere Zeit. Wie Mancher hat ſchon von Weib und Kind weg in Krieg müſſen, und iſt gar nicht wieder kommen. Wann wirſt auch du wieder zu mir kommen? ſeufzte Chriſtine. Am Sanct Nimmerlestag, wo die Eulen bocken. Frag' nicht ſo ſchäckig, weißt ja doch ſelber wohl, daß ich komm', wenn ich kann und darf. Soll ich dir denn Alles wieder herleiern, was ich dir ge¬ ſagt hab' und worauf unſre Hoffnung ſteht? Ich müßt' mich ja heiſer predigen. Chriſtine ſchluchzte überlaut. Mein Herz ſagt mir, wir ſehen ein¬ ander nie wieder und ich werd' in Schand' und Noth verlaſſen ſein.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/166>, abgerufen am 21.11.2024.