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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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als das Nichtwollen in fremder Sach'. Wenn ich eher den Kopf
hergeb' als meinen Willen und mein Herz, und das darfst mir zu¬
trauen, so wird das Nichtwollen schon mürb' werden. Merk' dir nur
Eins und laß dir's gesagt sein: Will' und Lieb', die stiehlt kein Dieb.


12.

Zu dem Gantverfahren, das der alte Sonnenwirth seinem Sohne
angerathen hatte, schien er ihm volle Zeit und Muße verstatten zu
wollen; denn er ließ ihn seine Tage und Nächte ungestört nach seinem
Gutdünken hinbringen. Friedrich befolgte das Gebot seines Vaters,
ihm nicht vor's Angesicht zu kommen, buchstäblich, und obgleich seine
Stiefmutter täglich über die gestörte Hausordnung seufzte, wenn er
sich das Essen durch die Dienstboten auf seine Kammer bringen ließ,
so wußte sie doch nichts dagegen einzuwenden, weil er sich auf den
unmittelbaren Ausspruch des Familienoberhauptes berufen konnte.
Dabei ließ er sich's jedoch angelegen sein, mit seinen Dienstverrichtun¬
gen immer da einzugreifen, wo er den Vater nicht gegenwärtig wußte.
Die Nächte widmete er den Zusammenkünften mit seiner Geliebten,
und da er mit allen Gängen und Schlichen vertraut war, so machte
es ihm keine Schwierigkeit, beim Heimgehen wieder in das verschlossene
Haus zu kommen. Es schien ihm beinahe, als ob sein Vater, nach¬
dem er einmal seine Willensmeinung ausgesprochen, den Dingen ohne
weiteres Einschreiten den Lauf lassen wollte.

Hierin täuschte er sich aber sehr. Der Sonnenwirth hatte, nach
reiflicher Berathung mit dem Chirurgen, seinen Plan und Entschluß
gefaßt, und wenn die Ausführung desselben sich gerade so lange ver¬
zögerte, um einen bereits gesponnenen Schicksalsfaden vollends unab¬
änderlich zu befestigen, so war ja dies einer von den Fehlschlägen,
welche die kurzsichtigen Rathschläge der Menschen so häufig treffen.
Der Sonnenwirth wollte sicher gehen und seinen Plan gründlich durch¬
setzen. Er schickte seine Frau, mit einem Brätchen aus der Metzig, in's
Amthaus, um durch sie der Amtmännin zunächst mittheilen zu lassen,

als das Nichtwollen in fremder Sach'. Wenn ich eher den Kopf
hergeb' als meinen Willen und mein Herz, und das darfſt mir zu¬
trauen, ſo wird das Nichtwollen ſchon mürb' werden. Merk' dir nur
Eins und laß dir's geſagt ſein: Will' und Lieb', die ſtiehlt kein Dieb.


12.

Zu dem Gantverfahren, das der alte Sonnenwirth ſeinem Sohne
angerathen hatte, ſchien er ihm volle Zeit und Muße verſtatten zu
wollen; denn er ließ ihn ſeine Tage und Nächte ungeſtört nach ſeinem
Gutdünken hinbringen. Friedrich befolgte das Gebot ſeines Vaters,
ihm nicht vor's Angeſicht zu kommen, buchſtäblich, und obgleich ſeine
Stiefmutter täglich über die geſtörte Hausordnung ſeufzte, wenn er
ſich das Eſſen durch die Dienſtboten auf ſeine Kammer bringen ließ,
ſo wußte ſie doch nichts dagegen einzuwenden, weil er ſich auf den
unmittelbaren Ausſpruch des Familienoberhauptes berufen konnte.
Dabei ließ er ſich's jedoch angelegen ſein, mit ſeinen Dienſtverrichtun¬
gen immer da einzugreifen, wo er den Vater nicht gegenwärtig wußte.
Die Nächte widmete er den Zuſammenkünften mit ſeiner Geliebten,
und da er mit allen Gängen und Schlichen vertraut war, ſo machte
es ihm keine Schwierigkeit, beim Heimgehen wieder in das verſchloſſene
Haus zu kommen. Es ſchien ihm beinahe, als ob ſein Vater, nach¬
dem er einmal ſeine Willensmeinung ausgeſprochen, den Dingen ohne
weiteres Einſchreiten den Lauf laſſen wollte.

Hierin täuſchte er ſich aber ſehr. Der Sonnenwirth hatte, nach
reiflicher Berathung mit dem Chirurgen, ſeinen Plan und Entſchluß
gefaßt, und wenn die Ausführung deſſelben ſich gerade ſo lange ver¬
zögerte, um einen bereits geſponnenen Schickſalsfaden vollends unab¬
änderlich zu befeſtigen, ſo war ja dies einer von den Fehlſchlägen,
welche die kurzſichtigen Rathſchläge der Menſchen ſo häufig treffen.
Der Sonnenwirth wollte ſicher gehen und ſeinen Plan gründlich durch¬
ſetzen. Er ſchickte ſeine Frau, mit einem Brätchen aus der Metzig, in's
Amthaus, um durch ſie der Amtmännin zunächſt mittheilen zu laſſen,

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[140/0156] als das Nichtwollen in fremder Sach'. Wenn ich eher den Kopf hergeb' als meinen Willen und mein Herz, und das darfſt mir zu¬ trauen, ſo wird das Nichtwollen ſchon mürb' werden. Merk' dir nur Eins und laß dir's geſagt ſein: Will' und Lieb', die ſtiehlt kein Dieb. 12. Zu dem Gantverfahren, das der alte Sonnenwirth ſeinem Sohne angerathen hatte, ſchien er ihm volle Zeit und Muße verſtatten zu wollen; denn er ließ ihn ſeine Tage und Nächte ungeſtört nach ſeinem Gutdünken hinbringen. Friedrich befolgte das Gebot ſeines Vaters, ihm nicht vor's Angeſicht zu kommen, buchſtäblich, und obgleich ſeine Stiefmutter täglich über die geſtörte Hausordnung ſeufzte, wenn er ſich das Eſſen durch die Dienſtboten auf ſeine Kammer bringen ließ, ſo wußte ſie doch nichts dagegen einzuwenden, weil er ſich auf den unmittelbaren Ausſpruch des Familienoberhauptes berufen konnte. Dabei ließ er ſich's jedoch angelegen ſein, mit ſeinen Dienſtverrichtun¬ gen immer da einzugreifen, wo er den Vater nicht gegenwärtig wußte. Die Nächte widmete er den Zuſammenkünften mit ſeiner Geliebten, und da er mit allen Gängen und Schlichen vertraut war, ſo machte es ihm keine Schwierigkeit, beim Heimgehen wieder in das verſchloſſene Haus zu kommen. Es ſchien ihm beinahe, als ob ſein Vater, nach¬ dem er einmal ſeine Willensmeinung ausgeſprochen, den Dingen ohne weiteres Einſchreiten den Lauf laſſen wollte. Hierin täuſchte er ſich aber ſehr. Der Sonnenwirth hatte, nach reiflicher Berathung mit dem Chirurgen, ſeinen Plan und Entſchluß gefaßt, und wenn die Ausführung deſſelben ſich gerade ſo lange ver¬ zögerte, um einen bereits geſponnenen Schickſalsfaden vollends unab¬ änderlich zu befeſtigen, ſo war ja dies einer von den Fehlſchlägen, welche die kurzſichtigen Rathſchläge der Menſchen ſo häufig treffen. Der Sonnenwirth wollte ſicher gehen und ſeinen Plan gründlich durch¬ ſetzen. Er ſchickte ſeine Frau, mit einem Brätchen aus der Metzig, in's Amthaus, um durch ſie der Amtmännin zunächſt mittheilen zu laſſen,

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/156>, abgerufen am 21.11.2024.