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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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fuhr sie auf. So? rief sie, das soll ihm noch als eine Tugend an¬
gerechnet werden, daß er den häuslichen Frieden untergraben hat und
Hader angestiftet und hat seine ruchlose Hand gegen seine Mutter auf¬
gehoben? Und darob lobt man mir ihn in's Gesicht, wie wenn ich
nicht die Frau im Haus mehr wär'?

Still jetzt! rief der Sonnenwirth auf den Tisch schlagend: ich hab'
genug an dem Neujahrsschmaus, will nicht auch noch einen Nach¬
tisch dazu!

Die Familie ging mit einem sauren Abschied aus einander. Der
Sonnenwirth lehnte eine Einladung des Krämers ziemlich trocken ab,
nahm seinen Hut und schloß sich im Weggehen dem Chirurgen an,
der ihn in's Freie zu begleiten versprach.


11.

Abends zur verabredeten Zeit traf Friedrich mit Christinen zu¬
sammen. Hat's was gegeben? fragte er. Sie verneinte es. Bei
mir hat's schon eingeschlagen! sagte er und erzählte ihr den Auftritt,
den es über Mittag abgesetzt hatte, wobei er jedoch die grellen Farben
desselben sehr zu mildern Sorge trug. Christine weinte und sagte:
Ich hab's wohl vorausgesehen, daß ich den Deinigen nicht recht sein
werd'. Ach Frieder, wie wird's mir gehen? Da liegen viel Berg'
und Thäler dazwischen, bis wir Zwei zusammenkommen.

Reut's dich? fragte er. Mich reut's nicht.

So lang du so gegen mich bist wie jetzt, reut's mich auch nicht.
Aber wir werden eben viel zu leiden haben mit einander, das gibt
schon der Anfang. Es ist kein gut's Zeichen, daß es uns gleich am
ersten Tag so hinderlich gehen muß. Ich möcht' nur auch wissen,
was für ein Neidhammel uns bei deiner Mutter verrathen hat.

Das möcht' ich auch herausbringen, sagte er. Hat dich vielleicht
einer von den ledigen Buben gesehen gestern Nacht, wie du den Brief
in's Beckenhaus tragen hast?

fuhr ſie auf. So? rief ſie, das ſoll ihm noch als eine Tugend an¬
gerechnet werden, daß er den häuslichen Frieden untergraben hat und
Hader angeſtiftet und hat ſeine ruchloſe Hand gegen ſeine Mutter auf¬
gehoben? Und darob lobt man mir ihn in's Geſicht, wie wenn ich
nicht die Frau im Haus mehr wär'?

Still jetzt! rief der Sonnenwirth auf den Tiſch ſchlagend: ich hab'
genug an dem Neujahrsſchmaus, will nicht auch noch einen Nach¬
tiſch dazu!

Die Familie ging mit einem ſauren Abſchied aus einander. Der
Sonnenwirth lehnte eine Einladung des Krämers ziemlich trocken ab,
nahm ſeinen Hut und ſchloß ſich im Weggehen dem Chirurgen an,
der ihn in's Freie zu begleiten verſprach.


11.

Abends zur verabredeten Zeit traf Friedrich mit Chriſtinen zu¬
ſammen. Hat's was gegeben? fragte er. Sie verneinte es. Bei
mir hat's ſchon eingeſchlagen! ſagte er und erzählte ihr den Auftritt,
den es über Mittag abgeſetzt hatte, wobei er jedoch die grellen Farben
deſſelben ſehr zu mildern Sorge trug. Chriſtine weinte und ſagte:
Ich hab's wohl vorausgeſehen, daß ich den Deinigen nicht recht ſein
werd'. Ach Frieder, wie wird's mir gehen? Da liegen viel Berg'
und Thäler dazwiſchen, bis wir Zwei zuſammenkommen.

Reut's dich? fragte er. Mich reut's nicht.

So lang du ſo gegen mich biſt wie jetzt, reut's mich auch nicht.
Aber wir werden eben viel zu leiden haben mit einander, das gibt
ſchon der Anfang. Es iſt kein gut's Zeichen, daß es uns gleich am
erſten Tag ſo hinderlich gehen muß. Ich möcht' nur auch wiſſen,
was für ein Neidhammel uns bei deiner Mutter verrathen hat.

Das möcht' ich auch herausbringen, ſagte er. Hat dich vielleicht
einer von den ledigen Buben geſehen geſtern Nacht, wie du den Brief
in's Beckenhaus tragen haſt?

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[137/0153] fuhr ſie auf. So? rief ſie, das ſoll ihm noch als eine Tugend an¬ gerechnet werden, daß er den häuslichen Frieden untergraben hat und Hader angeſtiftet und hat ſeine ruchloſe Hand gegen ſeine Mutter auf¬ gehoben? Und darob lobt man mir ihn in's Geſicht, wie wenn ich nicht die Frau im Haus mehr wär'? Still jetzt! rief der Sonnenwirth auf den Tiſch ſchlagend: ich hab' genug an dem Neujahrsſchmaus, will nicht auch noch einen Nach¬ tiſch dazu! Die Familie ging mit einem ſauren Abſchied aus einander. Der Sonnenwirth lehnte eine Einladung des Krämers ziemlich trocken ab, nahm ſeinen Hut und ſchloß ſich im Weggehen dem Chirurgen an, der ihn in's Freie zu begleiten verſprach. 11. Abends zur verabredeten Zeit traf Friedrich mit Chriſtinen zu¬ ſammen. Hat's was gegeben? fragte er. Sie verneinte es. Bei mir hat's ſchon eingeſchlagen! ſagte er und erzählte ihr den Auftritt, den es über Mittag abgeſetzt hatte, wobei er jedoch die grellen Farben deſſelben ſehr zu mildern Sorge trug. Chriſtine weinte und ſagte: Ich hab's wohl vorausgeſehen, daß ich den Deinigen nicht recht ſein werd'. Ach Frieder, wie wird's mir gehen? Da liegen viel Berg' und Thäler dazwiſchen, bis wir Zwei zuſammenkommen. Reut's dich? fragte er. Mich reut's nicht. So lang du ſo gegen mich biſt wie jetzt, reut's mich auch nicht. Aber wir werden eben viel zu leiden haben mit einander, das gibt ſchon der Anfang. Es iſt kein gut's Zeichen, daß es uns gleich am erſten Tag ſo hinderlich gehen muß. Ich möcht' nur auch wiſſen, was für ein Neidhammel uns bei deiner Mutter verrathen hat. Das möcht' ich auch herausbringen, ſagte er. Hat dich vielleicht einer von den ledigen Buben geſehen geſtern Nacht, wie du den Brief in's Beckenhaus tragen haſt?

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/153>, abgerufen am 21.11.2024.