Kuhnow, Anna: Gedanken und Erfahrungen über Frauenbildung und Frauenberuf. Leipzig, 1896.Ich weiss, dass gegen einen solchen Vorschlag von Eigentlich könnte ich allen solchen Argumenten nichts 1. Die sittlichen Bedenken: Wo Mann und Frau sich als geistig Strebende und Ich denke an dieser Stelle einiger Episoden aus meinem Ich weiss, dass gegen einen solchen Vorschlag von Eigentlich könnte ich allen solchen Argumenten nichts 1. Die sittlichen Bedenken: Wo Mann und Frau sich als geistig Strebende und Ich denke an dieser Stelle einiger Episoden aus meinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0009" n="8"/> <p>Ich weiss, dass gegen einen solchen Vorschlag von<lb/> vielen Seiten ein Sturm von Entrüstung losbrechen wird.<lb/> 1. Die sittlichen Bedenken, 2. der Kostenpunkt, 3. die<lb/> drohende Berufsbildung der Frau und infolgedessen Con-<lb/> currenz mit dem Manne werden in's Feld geführt werden,<lb/> auch wird natürlich, wie immer, 4. der schwache Frauen-<lb/> organismus, vielleicht auch hie und da noch 5. die mangel-<lb/> haftere geistige Begabung der Frau eine Rolle spielen.</p><lb/> <p>Eigentlich könnte ich allen solchen Argumenten nichts<lb/> als die nackten Thatsachen entgegenstellen: In der Schweiz,<lb/> in England, in Norwegen, in Amerika, Russland etc. sind<lb/> diese Vorschläge längst Wirklichkeit geworden, und mit<lb/> Stolz können diese Völker auf ihre Erfolge blicken, allen<lb/> bösen Prophezeiungen zum Trotz. Aber schauen wir doch<lb/> einmal den einzelnen Argumenten in's Auge:</p><lb/> <div n="2"> <head>1. Die sittlichen Bedenken:</head><lb/> <p>Wo Mann und Frau sich als geistig Strebende und<lb/> Arbeitende gegenüberstehen, da ist der Sinnlichkeit wenig<lb/> Spielraum gelassen. Sehen wir doch so häufig bei geschlechts-<lb/> reifen Individuen, wie die sinnlichen Bedürfnisse bei geistiger<lb/> Arbeit ganz schwinden. Thatsache ist, dass in den gemein-<lb/> samen Schulen und Collegs viel weniger Liebeleien vor-<lb/> kommen als in gemeinsamen Tanzstunden und Kinderbällen.<lb/> Man hat z. B. in Zürich die Beobachtung gemacht, dass<lb/> seit Einführung des Frauenstudiums die männlichen Studenten<lb/> bedeutend fleissiger arbeiten, als in der Zeit, wo sie noch<lb/> ohne den Sporn der Frauenconcurrenz waren. Ein gleiches<lb/> Resultat ergaben auch die Gymnasien in der Schweiz, wo<lb/> die Mädchen mit den Knaben zusammen lernen. Mensch<lb/> ist Mensch, und ich stelle mir vor, dass da die deutschen<lb/> Kinder mit ihrer verhältnissmässig ruhigen Veranlagung<lb/> jedenfalls keinen grösseren Gefahren entgegengehen als<lb/> etwa die nervös leidenschaftlichen Amerikaner.</p><lb/> <p>Ich denke an dieser Stelle einiger Episoden aus meinem<lb/> Studienleben, von denen eine hier Platz finden möge: Ich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0009]
Ich weiss, dass gegen einen solchen Vorschlag von
vielen Seiten ein Sturm von Entrüstung losbrechen wird.
1. Die sittlichen Bedenken, 2. der Kostenpunkt, 3. die
drohende Berufsbildung der Frau und infolgedessen Con-
currenz mit dem Manne werden in's Feld geführt werden,
auch wird natürlich, wie immer, 4. der schwache Frauen-
organismus, vielleicht auch hie und da noch 5. die mangel-
haftere geistige Begabung der Frau eine Rolle spielen.
Eigentlich könnte ich allen solchen Argumenten nichts
als die nackten Thatsachen entgegenstellen: In der Schweiz,
in England, in Norwegen, in Amerika, Russland etc. sind
diese Vorschläge längst Wirklichkeit geworden, und mit
Stolz können diese Völker auf ihre Erfolge blicken, allen
bösen Prophezeiungen zum Trotz. Aber schauen wir doch
einmal den einzelnen Argumenten in's Auge:
1. Die sittlichen Bedenken:
Wo Mann und Frau sich als geistig Strebende und
Arbeitende gegenüberstehen, da ist der Sinnlichkeit wenig
Spielraum gelassen. Sehen wir doch so häufig bei geschlechts-
reifen Individuen, wie die sinnlichen Bedürfnisse bei geistiger
Arbeit ganz schwinden. Thatsache ist, dass in den gemein-
samen Schulen und Collegs viel weniger Liebeleien vor-
kommen als in gemeinsamen Tanzstunden und Kinderbällen.
Man hat z. B. in Zürich die Beobachtung gemacht, dass
seit Einführung des Frauenstudiums die männlichen Studenten
bedeutend fleissiger arbeiten, als in der Zeit, wo sie noch
ohne den Sporn der Frauenconcurrenz waren. Ein gleiches
Resultat ergaben auch die Gymnasien in der Schweiz, wo
die Mädchen mit den Knaben zusammen lernen. Mensch
ist Mensch, und ich stelle mir vor, dass da die deutschen
Kinder mit ihrer verhältnissmässig ruhigen Veranlagung
jedenfalls keinen grösseren Gefahren entgegengehen als
etwa die nervös leidenschaftlichen Amerikaner.
Ich denke an dieser Stelle einiger Episoden aus meinem
Studienleben, von denen eine hier Platz finden möge: Ich
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(2024-05-30T15:49:03Z)
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