Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

C'est juste! Das war sein Name. Mon Dieu, un nome tres
difficile
; die Yankees verhunzten ihn, Gott verdamme sie; und ich
prononcirte Anorest -- Orest und zuletzt Au Reste, denn wahrlich er
war arrive au reste, als er zu den Trappers kam. Aber kannten
Sie ihn, Monsieur?


Achtes Kapitel.

Eine finstere Herbstnacht bedeckt Himmel und Erde. Der Wind
braust kalt und schneidend über Wald und Prairie. Nasse Wolken
sprengen stoßweise Regenschauer nieder, -- harte körnige Tropfen, die
schon den Eisgedanken denken. Rasselnd fahren sie durch das Gelaub
der Bäume und streifen Strich um Strich Hekatomben von Blättern ab.
Die Erde schauert in's innerste Mark hinein. Es dröhnt ihr wie
Trommelwirbel im Ohr, -- das Martialgesetz des Winters hört sie
verkünden. Horch, wie entsetzte Thierlaute durch die hohle Finsterniß
dringen! Das Volk der Wildhöhlen kreischt angstzerrissen den Gott des
irre gewordenen Lebens an. Eine Eule raschelt mit schwerem Flügel
durch's Dickicht -- ein scharfer Schrei -- da sank noch ein Opfer der
Local-Tyrannei, eh' der Winter sie Alle, Alle gebieterisch anherrscht:
Schlafet und sterbet!

Hufetrab schallt durch die Nacht, erhitztes, abgehetztes Schnauben
und Schnaufen, -- es ist ein Pferd mit seinem Reiter. Sie haben
einen langen Gang gethan. Das Pferd ist wund geritten, mit Schweiß
und Schaum bedeckt, die Beine hoch hinauf von Sand starrend, Schweif
und Mähne von tausend Dornen zerrauft. Der städtisch-elegante
Reiter theilt das verwüstete Aussehen seines Thieres. Ein Wild achtet
seines Felles mehr, als hier ein Mensch einer menschlichen Bedeckung
geachtet. Der feine Anzug ist zerzaust, zerrissen, beschmutzt, jedes
Stück in Unordnung, von Wind und Regennässe, Waldesgedorn und
nacktem Erdlager gestaltlos, formlos. Das Antlitz des Reiters ist

C'est juste! Das war ſein Name. Mon Dieu, un nome très
difficile
; die Yankees verhunzten ihn, Gott verdamme ſie; und ich
prononcirte Anoreſt — Oreſt und zuletzt Au Reſte, denn wahrlich er
war arrivé au reste, als er zu den Trappers kam. Aber kannten
Sie ihn, Monſieur?


Achtes Kapitel.

Eine finſtere Herbſtnacht bedeckt Himmel und Erde. Der Wind
braust kalt und ſchneidend über Wald und Prairie. Naſſe Wolken
ſprengen ſtoßweiſe Regenſchauer nieder, — harte körnige Tropfen, die
ſchon den Eisgedanken denken. Raſſelnd fahren ſie durch das Gelaub
der Bäume und ſtreifen Strich um Strich Hekatomben von Blättern ab.
Die Erde ſchauert in's innerſte Mark hinein. Es dröhnt ihr wie
Trommelwirbel im Ohr, — das Martialgeſetz des Winters hört ſie
verkünden. Horch, wie entſetzte Thierlaute durch die hohle Finſterniß
dringen! Das Volk der Wildhöhlen kreiſcht angſtzerriſſen den Gott des
irre gewordenen Lebens an. Eine Eule raſchelt mit ſchwerem Flügel
durch's Dickicht — ein ſcharfer Schrei — da ſank noch ein Opfer der
Local-Tyrannei, eh' der Winter ſie Alle, Alle gebieteriſch anherrſcht:
Schlafet und ſterbet!

Hufetrab ſchallt durch die Nacht, erhitztes, abgehetztes Schnauben
und Schnaufen, — es iſt ein Pferd mit ſeinem Reiter. Sie haben
einen langen Gang gethan. Das Pferd iſt wund geritten, mit Schweiß
und Schaum bedeckt, die Beine hoch hinauf von Sand ſtarrend, Schweif
und Mähne von tauſend Dornen zerrauft. Der ſtädtiſch-elegante
Reiter theilt das verwüſtete Ausſehen ſeines Thieres. Ein Wild achtet
ſeines Felles mehr, als hier ein Menſch einer menſchlichen Bedeckung
geachtet. Der feine Anzug iſt zerzaust, zerriſſen, beſchmutzt, jedes
Stück in Unordnung, von Wind und Regennäſſe, Waldesgedorn und
nacktem Erdlager geſtaltlos, formlos. Das Antlitz des Reiters iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0444" n="426"/>
          <p><hi rendition="#aq">C</hi>'<hi rendition="#aq">est juste</hi>! Das war &#x017F;ein Name. <hi rendition="#aq">Mon Dieu</hi>, <hi rendition="#aq">un nome très<lb/>
difficile</hi>; die Yankees verhunzten ihn, Gott verdamme &#x017F;ie; und ich<lb/>
prononcirte Anore&#x017F;t &#x2014; Ore&#x017F;t und zuletzt Au Re&#x017F;te, denn wahrlich er<lb/>
war <hi rendition="#aq">arrivé au reste</hi>, als er zu den Trappers kam. Aber kannten<lb/>
Sie ihn, Mon&#x017F;ieur?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Achtes Kapitel.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Eine fin&#x017F;tere Herb&#x017F;tnacht bedeckt Himmel und Erde. Der Wind<lb/>
braust kalt und &#x017F;chneidend über Wald und Prairie. Na&#x017F;&#x017F;e Wolken<lb/>
&#x017F;prengen &#x017F;toßwei&#x017F;e Regen&#x017F;chauer nieder, &#x2014; harte körnige Tropfen, die<lb/>
&#x017F;chon den Eisgedanken denken. Ra&#x017F;&#x017F;elnd fahren &#x017F;ie durch das Gelaub<lb/>
der Bäume und &#x017F;treifen Strich um Strich Hekatomben von Blättern ab.<lb/>
Die Erde &#x017F;chauert in's inner&#x017F;te Mark hinein. Es dröhnt ihr wie<lb/>
Trommelwirbel im Ohr, &#x2014; das Martialge&#x017F;etz des Winters hört &#x017F;ie<lb/>
verkünden. Horch, wie ent&#x017F;etzte Thierlaute durch die hohle Fin&#x017F;terniß<lb/>
dringen! Das Volk der Wildhöhlen krei&#x017F;cht ang&#x017F;tzerri&#x017F;&#x017F;en den Gott des<lb/>
irre gewordenen Lebens an. Eine Eule ra&#x017F;chelt mit &#x017F;chwerem Flügel<lb/>
durch's Dickicht &#x2014; ein &#x017F;charfer Schrei &#x2014; da &#x017F;ank noch ein Opfer der<lb/>
Local-Tyrannei, eh' der Winter &#x017F;ie Alle, Alle gebieteri&#x017F;ch anherr&#x017F;cht:<lb/>
Schlafet und &#x017F;terbet!</p><lb/>
          <p>Hufetrab &#x017F;challt durch die Nacht, erhitztes, abgehetztes Schnauben<lb/>
und Schnaufen, &#x2014; es i&#x017F;t ein Pferd mit &#x017F;einem Reiter. Sie haben<lb/>
einen langen Gang gethan. Das Pferd i&#x017F;t wund geritten, mit Schweiß<lb/>
und Schaum bedeckt, die Beine hoch hinauf von Sand &#x017F;tarrend, Schweif<lb/>
und Mähne von tau&#x017F;end Dornen zerrauft. Der &#x017F;tädti&#x017F;ch-elegante<lb/>
Reiter theilt das verwü&#x017F;tete Aus&#x017F;ehen &#x017F;eines Thieres. Ein Wild achtet<lb/>
&#x017F;eines Felles mehr, als hier ein Men&#x017F;ch einer men&#x017F;chlichen Bedeckung<lb/>
geachtet. Der feine Anzug i&#x017F;t zerzaust, zerri&#x017F;&#x017F;en, be&#x017F;chmutzt, jedes<lb/>
Stück in Unordnung, von Wind und Regennä&#x017F;&#x017F;e, Waldesgedorn und<lb/>
nacktem Erdlager ge&#x017F;taltlos, formlos. Das Antlitz des Reiters i&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0444] C'est juste! Das war ſein Name. Mon Dieu, un nome très difficile; die Yankees verhunzten ihn, Gott verdamme ſie; und ich prononcirte Anoreſt — Oreſt und zuletzt Au Reſte, denn wahrlich er war arrivé au reste, als er zu den Trappers kam. Aber kannten Sie ihn, Monſieur? Achtes Kapitel. Eine finſtere Herbſtnacht bedeckt Himmel und Erde. Der Wind braust kalt und ſchneidend über Wald und Prairie. Naſſe Wolken ſprengen ſtoßweiſe Regenſchauer nieder, — harte körnige Tropfen, die ſchon den Eisgedanken denken. Raſſelnd fahren ſie durch das Gelaub der Bäume und ſtreifen Strich um Strich Hekatomben von Blättern ab. Die Erde ſchauert in's innerſte Mark hinein. Es dröhnt ihr wie Trommelwirbel im Ohr, — das Martialgeſetz des Winters hört ſie verkünden. Horch, wie entſetzte Thierlaute durch die hohle Finſterniß dringen! Das Volk der Wildhöhlen kreiſcht angſtzerriſſen den Gott des irre gewordenen Lebens an. Eine Eule raſchelt mit ſchwerem Flügel durch's Dickicht — ein ſcharfer Schrei — da ſank noch ein Opfer der Local-Tyrannei, eh' der Winter ſie Alle, Alle gebieteriſch anherrſcht: Schlafet und ſterbet! Hufetrab ſchallt durch die Nacht, erhitztes, abgehetztes Schnauben und Schnaufen, — es iſt ein Pferd mit ſeinem Reiter. Sie haben einen langen Gang gethan. Das Pferd iſt wund geritten, mit Schweiß und Schaum bedeckt, die Beine hoch hinauf von Sand ſtarrend, Schweif und Mähne von tauſend Dornen zerrauft. Der ſtädtiſch-elegante Reiter theilt das verwüſtete Ausſehen ſeines Thieres. Ein Wild achtet ſeines Felles mehr, als hier ein Menſch einer menſchlichen Bedeckung geachtet. Der feine Anzug iſt zerzaust, zerriſſen, beſchmutzt, jedes Stück in Unordnung, von Wind und Regennäſſe, Waldesgedorn und nacktem Erdlager geſtaltlos, formlos. Das Antlitz des Reiters iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/444
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/444>, abgerufen am 21.12.2024.