Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

in den allerältesten Zeiten.
sonst auf der Erde befindliche Thiere geworden. Nach
Verlauf geraumer Zeit aber sey die Erde theils durch Son-
nenhitze, theils durch Winde immer mehr und mehr aus-
getrocknet worden, folglich nicht mehr im Stande gewe-
sen, einige grosse Thiere hervor zu bringen, die ihre ver-
schiedene Arten durch Zeugung fortzupflanzen angefangen.
Um aber dem Einwurf zu begegnen, der gegen die Mög-
lichkeit der Hervorbringung lebendiger Geschöpfe von der
Erde gemacht werden könte, beruft sich unser Schriftstel-
ler auf die erstaunliche Menge der Mäuse, welche in dem
obern Egypten aus dem verfaulten Schlamm entstehen
sollen, den der ausgetretene Nilstrom zurück läßt. So
ungereimt dieses ist, so hat doch Simplicius kein Be-
denken getragen zu behaupten, es sey die mosaische Er-
zehlung von der Schöpfung der Welt nichts anders als
eine fabelhafte Ueberlieferung, die aus den Gedichten der
Egyptier genommen worden.

§. 6.

Berosius giebt folgenden Bericht von der Cosmo-
genie
der Chaldäer: Es ist, schreibt er, eine Zeit ge-
wesen, in welcher alles aus Finsterniß und Wasser be-
standen, worinnen erschreckliche Thiere von höchst ver-
schiedenen Gestalten erzeuget worden. Daß es damals
Menschen mit zwey Flügeln; andere mit vier oder zwey
Gesichtern; andere mit einem Leibe und zwey Köpfen, ei-
nem Mannskopfe und einem Weibeskopfe, auch beyder-
ley Geburtsgliedern gegeben habe; andere Menschen aber
Bocksfüsse und Hörner, noch andere Pferdefüsse gehabt,
oder aus dem untern Theilen der Pferde, und dem obern
der Menschen, in der Gestalt der Hippocentauren be-
standen. Die Ochsen seyn mit Menschenköpfen versehen
gewesen, Hunde aber mit vier Leibern, deren Hinterthei-
le aus Fuchsschwänzen bestanden. Es habe Pferde ge-

geben,

in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſonſt auf der Erde befindliche Thiere geworden. Nach
Verlauf geraumer Zeit aber ſey die Erde theils durch Son-
nenhitze, theils durch Winde immer mehr und mehr aus-
getrocknet worden, folglich nicht mehr im Stande gewe-
ſen, einige groſſe Thiere hervor zu bringen, die ihre ver-
ſchiedene Arten durch Zeugung fortzupflanzen angefangen.
Um aber dem Einwurf zu begegnen, der gegen die Moͤg-
lichkeit der Hervorbringung lebendiger Geſchoͤpfe von der
Erde gemacht werden koͤnte, beruft ſich unſer Schriftſtel-
ler auf die erſtaunliche Menge der Maͤuſe, welche in dem
obern Egypten aus dem verfaulten Schlamm entſtehen
ſollen, den der ausgetretene Nilſtrom zuruͤck laͤßt. So
ungereimt dieſes iſt, ſo hat doch Simplicius kein Be-
denken getragen zu behaupten, es ſey die moſaiſche Er-
zehlung von der Schoͤpfung der Welt nichts anders als
eine fabelhafte Ueberlieferung, die aus den Gedichten der
Egyptier genommen worden.

§. 6.

Beroſius giebt folgenden Bericht von der Cosmo-
genie
der Chaldaͤer: Es iſt, ſchreibt er, eine Zeit ge-
weſen, in welcher alles aus Finſterniß und Waſſer be-
ſtanden, worinnen erſchreckliche Thiere von hoͤchſt ver-
ſchiedenen Geſtalten erzeuget worden. Daß es damals
Menſchen mit zwey Fluͤgeln; andere mit vier oder zwey
Geſichtern; andere mit einem Leibe und zwey Koͤpfen, ei-
nem Mannskopfe und einem Weibeskopfe, auch beyder-
ley Geburtsgliedern gegeben habe; andere Menſchen aber
Bocksfuͤſſe und Hoͤrner, noch andere Pferdefuͤſſe gehabt,
oder aus dem untern Theilen der Pferde, und dem obern
der Menſchen, in der Geſtalt der Hippocentauren be-
ſtanden. Die Ochſen ſeyn mit Menſchenkoͤpfen verſehen
geweſen, Hunde aber mit vier Leibern, deren Hinterthei-
le aus Fuchsſchwaͤnzen beſtanden. Es habe Pferde ge-

geben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="51[15]"/><fw place="top" type="header">in den allera&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten.</fw><lb/>
&#x017F;on&#x017F;t auf der Erde befindliche Thiere geworden. Nach<lb/>
Verlauf geraumer Zeit aber &#x017F;ey die Erde theils durch Son-<lb/>
nenhitze, theils durch Winde immer mehr und mehr aus-<lb/>
getrocknet worden, folglich nicht mehr im Stande gewe-<lb/>
&#x017F;en, einige gro&#x017F;&#x017F;e Thiere hervor zu bringen, die ihre ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Arten durch Zeugung fortzupflanzen angefangen.<lb/>
Um aber dem Einwurf zu begegnen, der gegen die Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit der Hervorbringung lebendiger Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe von der<lb/>
Erde gemacht werden ko&#x0364;nte, beruft &#x017F;ich un&#x017F;er Schrift&#x017F;tel-<lb/>
ler auf die er&#x017F;taunliche Menge der Ma&#x0364;u&#x017F;e, welche in dem<lb/>
obern Egypten aus dem verfaulten Schlamm ent&#x017F;tehen<lb/>
&#x017F;ollen, den der ausgetretene Nil&#x017F;trom zuru&#x0364;ck la&#x0364;ßt. So<lb/>
ungereimt die&#x017F;es i&#x017F;t, &#x017F;o hat doch <hi rendition="#fr">Simplicius</hi> kein Be-<lb/>
denken getragen zu behaupten, es &#x017F;ey die <hi rendition="#fr">mo&#x017F;ai&#x017F;che</hi> Er-<lb/>
zehlung von der Scho&#x0364;pfung der Welt nichts anders als<lb/>
eine fabelhafte Ueberlieferung, die aus den Gedichten der<lb/><hi rendition="#fr">Egyptier</hi> genommen worden.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 6.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Bero&#x017F;ius</hi> giebt folgenden Bericht von der <hi rendition="#fr">Cosmo-<lb/>
genie</hi> der <hi rendition="#fr">Chalda&#x0364;er:</hi> Es i&#x017F;t, &#x017F;chreibt er, eine Zeit ge-<lb/>
we&#x017F;en, in welcher alles aus Fin&#x017F;terniß und Wa&#x017F;&#x017F;er be-<lb/>
&#x017F;tanden, worinnen er&#x017F;chreckliche Thiere von ho&#x0364;ch&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;talten erzeuget worden. Daß es damals<lb/>
Men&#x017F;chen mit zwey Flu&#x0364;geln; andere mit vier oder zwey<lb/>
Ge&#x017F;ichtern; andere mit einem Leibe und zwey Ko&#x0364;pfen, ei-<lb/>
nem Mannskopfe und einem Weibeskopfe, auch beyder-<lb/>
ley Geburtsgliedern gegeben habe; andere Men&#x017F;chen aber<lb/>
Bocksfu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Ho&#x0364;rner, noch andere Pferdefu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gehabt,<lb/>
oder aus dem untern Theilen der Pferde, und dem obern<lb/>
der Men&#x017F;chen, in der Ge&#x017F;talt der <hi rendition="#fr">Hippocentauren</hi> be-<lb/>
&#x017F;tanden. Die Och&#x017F;en &#x017F;eyn mit Men&#x017F;chenko&#x0364;pfen ver&#x017F;ehen<lb/>
gewe&#x017F;en, Hunde aber mit vier Leibern, deren Hinterthei-<lb/>
le aus Fuchs&#x017F;chwa&#x0364;nzen be&#x017F;tanden. Es habe Pferde ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geben,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51[15]/0023] in den alleraͤlteſten Zeiten. ſonſt auf der Erde befindliche Thiere geworden. Nach Verlauf geraumer Zeit aber ſey die Erde theils durch Son- nenhitze, theils durch Winde immer mehr und mehr aus- getrocknet worden, folglich nicht mehr im Stande gewe- ſen, einige groſſe Thiere hervor zu bringen, die ihre ver- ſchiedene Arten durch Zeugung fortzupflanzen angefangen. Um aber dem Einwurf zu begegnen, der gegen die Moͤg- lichkeit der Hervorbringung lebendiger Geſchoͤpfe von der Erde gemacht werden koͤnte, beruft ſich unſer Schriftſtel- ler auf die erſtaunliche Menge der Maͤuſe, welche in dem obern Egypten aus dem verfaulten Schlamm entſtehen ſollen, den der ausgetretene Nilſtrom zuruͤck laͤßt. So ungereimt dieſes iſt, ſo hat doch Simplicius kein Be- denken getragen zu behaupten, es ſey die moſaiſche Er- zehlung von der Schoͤpfung der Welt nichts anders als eine fabelhafte Ueberlieferung, die aus den Gedichten der Egyptier genommen worden. §. 6. Beroſius giebt folgenden Bericht von der Cosmo- genie der Chaldaͤer: Es iſt, ſchreibt er, eine Zeit ge- weſen, in welcher alles aus Finſterniß und Waſſer be- ſtanden, worinnen erſchreckliche Thiere von hoͤchſt ver- ſchiedenen Geſtalten erzeuget worden. Daß es damals Menſchen mit zwey Fluͤgeln; andere mit vier oder zwey Geſichtern; andere mit einem Leibe und zwey Koͤpfen, ei- nem Mannskopfe und einem Weibeskopfe, auch beyder- ley Geburtsgliedern gegeben habe; andere Menſchen aber Bocksfuͤſſe und Hoͤrner, noch andere Pferdefuͤſſe gehabt, oder aus dem untern Theilen der Pferde, und dem obern der Menſchen, in der Geſtalt der Hippocentauren be- ſtanden. Die Ochſen ſeyn mit Menſchenkoͤpfen verſehen geweſen, Hunde aber mit vier Leibern, deren Hinterthei- le aus Fuchsſchwaͤnzen beſtanden. Es habe Pferde ge- geben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/23
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 51[15]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/23>, abgerufen am 21.12.2024.