Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743. Fr. v. B. Behüte Gott! sie reden ganz athei- stisch, Herr Bruder, sie glauben gar nichts mehr. Herr v. R. So wenig das Gelübde der Keusch- heit einigen Geistlichen die Menschheit aus- zieht, eben so wenig verkehret die Frömmig- keit die Natur eines Mannes in die Natur eines Castraten. Fr. v. B. Ach! was sind das für Reden? ach weh! ach! das Herze fängt mir gewaltig an zu klopfen, ach! ein Herzensstich! ach! das Gewissen beißt mich! ach! der Sa- tan ist da, und hält mir das schwarze Re- gister vor. Ach! Herr Muffel helfen sie mir, helfen sie Herr Tempelstolz! ach! Ehrwürdige liebe Herren, ich bekenne - - - (läuft eilend ab.) Dritter Auftritt. Herr von Roseneck, Herr Wahrmund, Fräulein Wilhelmine. Herr v. R. Jch muß sie nur allein weggehen lassen, damit ich nicht bey der Seelencur der Herren Geistlichen so viel Thorheiten mit anhören darf. Warum aber so trau- rig, Fräulein Wilhelmine? warum er- muntern sie nicht ihre Schülerin, Herr Wahrmund? Fr. Wilhelm. Ach! eine unglückliche Mutter macht ihr Kind zugleich unglücklich. Wo- zu hilft mir meine wenige Einsicht? zu nichts anders, als daß ich die Schwach- heiten
Fr. v. B. Behuͤte Gott! ſie reden ganz athei- ſtiſch, Herr Bruder, ſie glauben gar nichts mehr. Herr v. R. So wenig das Geluͤbde der Keuſch- heit einigen Geiſtlichen die Menſchheit aus- zieht, eben ſo wenig verkehret die Froͤmmig- keit die Natur eines Mannes in die Natur eines Caſtraten. Fr. v. B. Ach! was ſind das fuͤr Reden? ach weh! ach! das Herze faͤngt mir gewaltig an zu klopfen, ach! ein Herzensſtich! ach! das Gewiſſen beißt mich! ach! der Sa- tan iſt da, und haͤlt mir das ſchwarze Re- giſter vor. Ach! Herr Muffel helfen ſie mir, helfen ſie Herr Tempelſtolz! ach! Ehrwuͤrdige liebe Herren, ich bekenne ‒ ‒ ‒ (laͤuft eilend ab.) Dritter Auftritt. Herr von Roſeneck, Herr Wahrmund, Fraͤulein Wilhelmine. Herr v. R. Jch muß ſie nur allein weggehen laſſen, damit ich nicht bey der Seelencur der Herren Geiſtlichen ſo viel Thorheiten mit anhoͤren darf. Warum aber ſo trau- rig, Fraͤulein Wilhelmine? warum er- muntern ſie nicht ihre Schuͤlerin, Herr Wahrmund? Fr. Wilhelm. Ach! eine ungluͤckliche Mutter macht ihr Kind zugleich ungluͤcklich. Wo- zu hilft mir meine wenige Einſicht? zu nichts anders, als daß ich die Schwach- heiten
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Fr. v. B. Behuͤte Gott! ſie reden ganz athei-
ſtiſch, Herr Bruder, ſie glauben gar nichts
mehr.
Herr v. R. So wenig das Geluͤbde der Keuſch-
heit einigen Geiſtlichen die Menſchheit aus-
zieht, eben ſo wenig verkehret die Froͤmmig-
keit die Natur eines Mannes in die Natur
eines Caſtraten.
Fr. v. B. Ach! was ſind das fuͤr Reden? ach
weh! ach! das Herze faͤngt mir gewaltig an
zu klopfen, ach! ein Herzensſtich! ach!
das Gewiſſen beißt mich! ach! der Sa-
tan iſt da, und haͤlt mir das ſchwarze Re-
giſter vor. Ach! Herr Muffel helfen ſie
mir, helfen ſie Herr Tempelſtolz! ach!
Ehrwuͤrdige liebe Herren, ich bekenne ‒ ‒ ‒
(laͤuft eilend ab.)
Dritter Auftritt.
Herr von Roſeneck, Herr Wahrmund,
Fraͤulein Wilhelmine.
Herr v. R. Jch muß ſie nur allein weggehen
laſſen, damit ich nicht bey der Seelencur
der Herren Geiſtlichen ſo viel Thorheiten
mit anhoͤren darf. Warum aber ſo trau-
rig, Fraͤulein Wilhelmine? warum er-
muntern ſie nicht ihre Schuͤlerin, Herr
Wahrmund?
Fr. Wilhelm. Ach! eine ungluͤckliche Mutter
macht ihr Kind zugleich ungluͤcklich. Wo-
zu hilft mir meine wenige Einſicht? zu
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heiten
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