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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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XIX.
Der Meister predigt Aufruhr.

In Scheller's Salon war die Versammlung noch nicht
eröffnet. Der Saal war völlig besetzt, denn zu der Zahl
der Strikenden hatten sich Hunderte von Berufsgenossen
gesellt. Obendrein war heute Wahltag. Man hatte früher
Feierabend gemacht und befand sich bereits seit Stunden in auf¬
geregter Stimmung. Auf der kleinen Bühne im Hintergrund
hatte der Vorstand sich niedergelassen. Rechts, abgesondert
von ihm, saß der überwachende Polizeilieutenant und hinter
diesem Alexander Liebegott. Er hatte die Hände über den
dicken Bauch gefaltet, drehte aus langer Weile die Daumen
und trug eine höchst würdevolle Miene zur Schau, über die
Krusemeyer sich sehr gewundert haben würde. Nur die Enden
des gewaltigen Schnurrbartes hingen gleich durchnäßten Trauer¬
floren hernieder.

Die Gläser klapperten, dichter Cigarrendampf stieg zur
Decke empor und hundertfältiges Stimmengewirr durchschwirrte
den Saal. Die Thür öffnete sich von Minute zu
Minute. Die neu Ankommenden drängten sich durch


XIX.
Der Meiſter predigt Aufruhr.

In Scheller's Salon war die Verſammlung noch nicht
eröffnet. Der Saal war völlig beſetzt, denn zu der Zahl
der Strikenden hatten ſich Hunderte von Berufsgenoſſen
geſellt. Obendrein war heute Wahltag. Man hatte früher
Feierabend gemacht und befand ſich bereits ſeit Stunden in auf¬
geregter Stimmung. Auf der kleinen Bühne im Hintergrund
hatte der Vorſtand ſich niedergelaſſen. Rechts, abgeſondert
von ihm, ſaß der überwachende Polizeilieutenant und hinter
dieſem Alexander Liebegott. Er hatte die Hände über den
dicken Bauch gefaltet, drehte aus langer Weile die Daumen
und trug eine höchſt würdevolle Miene zur Schau, über die
Kruſemeyer ſich ſehr gewundert haben würde. Nur die Enden
des gewaltigen Schnurrbartes hingen gleich durchnäßten Trauer¬
floren hernieder.

Die Gläſer klapperten, dichter Cigarrendampf ſtieg zur
Decke empor und hundertfältiges Stimmengewirr durchſchwirrte
den Saal. Die Thür öffnete ſich von Minute zu
Minute. Die neu Ankommenden drängten ſich durch

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[[285]/0297] XIX. Der Meiſter predigt Aufruhr. In Scheller's Salon war die Verſammlung noch nicht eröffnet. Der Saal war völlig beſetzt, denn zu der Zahl der Strikenden hatten ſich Hunderte von Berufsgenoſſen geſellt. Obendrein war heute Wahltag. Man hatte früher Feierabend gemacht und befand ſich bereits ſeit Stunden in auf¬ geregter Stimmung. Auf der kleinen Bühne im Hintergrund hatte der Vorſtand ſich niedergelaſſen. Rechts, abgeſondert von ihm, ſaß der überwachende Polizeilieutenant und hinter dieſem Alexander Liebegott. Er hatte die Hände über den dicken Bauch gefaltet, drehte aus langer Weile die Daumen und trug eine höchſt würdevolle Miene zur Schau, über die Kruſemeyer ſich ſehr gewundert haben würde. Nur die Enden des gewaltigen Schnurrbartes hingen gleich durchnäßten Trauer¬ floren hernieder. Die Gläſer klapperten, dichter Cigarrendampf ſtieg zur Decke empor und hundertfältiges Stimmengewirr durchſchwirrte den Saal. Die Thür öffnete ſich von Minute zu Minute. Die neu Ankommenden drängten ſich durch

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. [285]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/297>, abgerufen am 21.11.2024.