Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
Besondere Thierzuchtlehre.
B. Die Brachyceros-Racen.

Als Stammvater dieser Racengruppe ist ein Rind anzusehen, welches in allen
Theilen der schweizer Pfahlbauten aufgefunden wurde und von Rütimeyer als kurz-
horniges Rind (Bos taurus brachyceros) bezeichnet wurde. Die Knochenreste dieses

[Abbildung] Fig. 48.

Schädel der kurzhornigen Race nach Rüti-
meyer.

Rindes unterscheiden sich von jenen
des Bos primigenius durch ihre weit
geringere Größe. Der Schädel, Fig.
48, ist in einzelnen Fällen flach, in
anderen überragt ein in der Mitte
ausgebuchteter Stirnwulst die Hinter-
hauptsfläche. Das Gesicht ist kür-
zer (hirschköpfig), die Stirn länger
(50--52 % der Schädellänge), aber
quadratischer als bei den Niederungs-
racen. Die gewölbten Augenhöhlen
ragen merklich über den Schädel-
umriß vor. Die Hornzapfen sind
ungestielt, kurz und verhältnißmäßig
dick, kegelförmig. Die Hörner sind
anfänglich nach außen, dann nach
vorne und oben gerichtet und erheben
sich nur wenig über die Stirnbein-
kante. Das Backenzahngebiß ist aus-
gedehnt, das Schneidezahngebiß schmal.
Zu dieser Stammrace zählen die
einfarbigen Gebirgsracen.

1. Einfarbiges Gebirgsvieh.

Das Gebirgsvieh charakterisirt sich durch kurzen Kopf mit breitem Maule und
breiter Stirne. Die Hörner stehen mehr nach der Seite und sind meist kurz nach
aufwärts gebogen. Der Hals ist kürzer als bei dem Niederungsviehe und mit starker
Wamme versehen. Die Brust breit, der Leib tonnenförmig, gedrungen, abgerundet.
Der Schweif meist hochangesetzt, überbaut. Die stämmigen, kurzen, mitunter selbst
plumpen Füße sind mit breiten, starken Gelenken versehen. Die Hautfarbe roth, die
Haarfarbe eintönig dunkel. Die Haut dick und stark. Der Körper mittelgroß bis
sehr schwer. Als Milchthiere werden sie in der Quantität von den Niederungs-
racen übertroffen, die Qualität der Milch ist jedoch eine bedeutend bessere. Mast-
fähigkeit mittelmäßig bis gut, Fleisch meist grobfaserig. Zugtauglichkeit gut bis
mittelmäßig. Zu dem einfarbigen Gebirgsvieh sind zu rechnen: 1. Das Braunvieh
in der Schweiz, 2. die Racen des Montavoner Thales in Vorarlberg, 3. die Racen

Beſondere Thierzuchtlehre.
B. Die Brachyceros-Racen.

Als Stammvater dieſer Racengruppe iſt ein Rind anzuſehen, welches in allen
Theilen der ſchweizer Pfahlbauten aufgefunden wurde und von Rütimeyer als kurz-
horniges Rind (Bos taurus brachyceros) bezeichnet wurde. Die Knochenreſte dieſes

[Abbildung] Fig. 48.

Schädel der kurzhornigen Race nach Rüti-
meyer.

Rindes unterſcheiden ſich von jenen
des Bos primigenius durch ihre weit
geringere Größe. Der Schädel, Fig.
48, iſt in einzelnen Fällen flach, in
anderen überragt ein in der Mitte
ausgebuchteter Stirnwulſt die Hinter-
hauptsfläche. Das Geſicht iſt kür-
zer (hirſchköpfig), die Stirn länger
(50—52 % der Schädellänge), aber
quadratiſcher als bei den Niederungs-
racen. Die gewölbten Augenhöhlen
ragen merklich über den Schädel-
umriß vor. Die Hornzapfen ſind
ungeſtielt, kurz und verhältnißmäßig
dick, kegelförmig. Die Hörner ſind
anfänglich nach außen, dann nach
vorne und oben gerichtet und erheben
ſich nur wenig über die Stirnbein-
kante. Das Backenzahngebiß iſt aus-
gedehnt, das Schneidezahngebiß ſchmal.
Zu dieſer Stammrace zählen die
einfarbigen Gebirgsracen.

1. Einfarbiges Gebirgsvieh.

Das Gebirgsvieh charakteriſirt ſich durch kurzen Kopf mit breitem Maule und
breiter Stirne. Die Hörner ſtehen mehr nach der Seite und ſind meiſt kurz nach
aufwärts gebogen. Der Hals iſt kürzer als bei dem Niederungsviehe und mit ſtarker
Wamme verſehen. Die Bruſt breit, der Leib tonnenförmig, gedrungen, abgerundet.
Der Schweif meiſt hochangeſetzt, überbaut. Die ſtämmigen, kurzen, mitunter ſelbſt
plumpen Füße ſind mit breiten, ſtarken Gelenken verſehen. Die Hautfarbe roth, die
Haarfarbe eintönig dunkel. Die Haut dick und ſtark. Der Körper mittelgroß bis
ſehr ſchwer. Als Milchthiere werden ſie in der Quantität von den Niederungs-
racen übertroffen, die Qualität der Milch iſt jedoch eine bedeutend beſſere. Maſt-
fähigkeit mittelmäßig bis gut, Fleiſch meiſt grobfaſerig. Zugtauglichkeit gut bis
mittelmäßig. Zu dem einfarbigen Gebirgsvieh ſind zu rechnen: 1. Das Braunvieh
in der Schweiz, 2. die Racen des Montavoner Thales in Vorarlberg, 3. die Racen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0110" n="94"/>
              <fw place="top" type="header">Be&#x017F;ondere Thierzuchtlehre.</fw><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">B.</hi><hi rendition="#g">Die Brachyceros-Racen</hi>.</hi> </head><lb/>
                <p>Als Stammvater die&#x017F;er Racengruppe i&#x017F;t ein Rind anzu&#x017F;ehen, welches in allen<lb/>
Theilen der &#x017F;chweizer Pfahlbauten aufgefunden wurde und von Rütimeyer als kurz-<lb/>
horniges Rind <hi rendition="#aq">(Bos taurus brachyceros)</hi> bezeichnet wurde. Die Knochenre&#x017F;te die&#x017F;es<lb/><figure><head>Fig. 48. </head><p>Schädel der kurzhornigen Race nach Rüti-<lb/>
meyer.</p></figure><lb/>
Rindes unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich von jenen<lb/>
des <hi rendition="#aq">Bos primigenius</hi> durch ihre weit<lb/>
geringere Größe. Der Schädel, Fig.<lb/>
48, i&#x017F;t in einzelnen Fällen flach, in<lb/>
anderen überragt ein in der Mitte<lb/>
ausgebuchteter Stirnwul&#x017F;t die Hinter-<lb/>
hauptsfläche. Das Ge&#x017F;icht i&#x017F;t kür-<lb/>
zer (hir&#x017F;chköpfig), die Stirn länger<lb/>
(50&#x2014;52 % der Schädellänge), aber<lb/>
quadrati&#x017F;cher als bei den Niederungs-<lb/>
racen. Die gewölbten Augenhöhlen<lb/>
ragen merklich über den Schädel-<lb/>
umriß vor. Die Hornzapfen &#x017F;ind<lb/>
unge&#x017F;tielt, kurz und verhältnißmäßig<lb/>
dick, kegelförmig. Die Hörner &#x017F;ind<lb/>
anfänglich nach außen, dann nach<lb/>
vorne und oben gerichtet und erheben<lb/>
&#x017F;ich nur wenig über die Stirnbein-<lb/>
kante. Das Backenzahngebiß i&#x017F;t aus-<lb/>
gedehnt, das Schneidezahngebiß &#x017F;chmal.<lb/>
Zu die&#x017F;er Stammrace zählen die<lb/>
einfarbigen Gebirgsracen.</p><lb/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#b">1. Einfarbiges Gebirgsvieh.</hi> </head><lb/>
                  <p>Das Gebirgsvieh charakteri&#x017F;irt &#x017F;ich durch kurzen Kopf mit breitem Maule und<lb/>
breiter Stirne. Die Hörner &#x017F;tehen mehr nach der Seite und &#x017F;ind mei&#x017F;t kurz nach<lb/>
aufwärts gebogen. Der Hals i&#x017F;t kürzer als bei dem Niederungsviehe und mit &#x017F;tarker<lb/>
Wamme ver&#x017F;ehen. Die Bru&#x017F;t breit, der Leib tonnenförmig, gedrungen, abgerundet.<lb/>
Der Schweif mei&#x017F;t hochange&#x017F;etzt, überbaut. Die &#x017F;tämmigen, kurzen, mitunter &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
plumpen Füße &#x017F;ind mit breiten, &#x017F;tarken Gelenken ver&#x017F;ehen. Die Hautfarbe roth, die<lb/>
Haarfarbe eintönig dunkel. Die Haut dick und &#x017F;tark. Der Körper mittelgroß bis<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chwer. Als Milchthiere werden &#x017F;ie in der Quantität von den Niederungs-<lb/>
racen übertroffen, die Qualität der Milch i&#x017F;t jedoch eine bedeutend be&#x017F;&#x017F;ere. Ma&#x017F;t-<lb/>
fähigkeit mittelmäßig bis gut, Flei&#x017F;ch mei&#x017F;t grobfa&#x017F;erig. Zugtauglichkeit gut bis<lb/>
mittelmäßig. Zu dem einfarbigen Gebirgsvieh &#x017F;ind zu rechnen: 1. Das Braunvieh<lb/>
in der Schweiz, 2. die Racen des Montavoner Thales in Vorarlberg, 3. die Racen<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0110] Beſondere Thierzuchtlehre. B. Die Brachyceros-Racen. Als Stammvater dieſer Racengruppe iſt ein Rind anzuſehen, welches in allen Theilen der ſchweizer Pfahlbauten aufgefunden wurde und von Rütimeyer als kurz- horniges Rind (Bos taurus brachyceros) bezeichnet wurde. Die Knochenreſte dieſes [Abbildung Fig. 48. Schädel der kurzhornigen Race nach Rüti- meyer.] Rindes unterſcheiden ſich von jenen des Bos primigenius durch ihre weit geringere Größe. Der Schädel, Fig. 48, iſt in einzelnen Fällen flach, in anderen überragt ein in der Mitte ausgebuchteter Stirnwulſt die Hinter- hauptsfläche. Das Geſicht iſt kür- zer (hirſchköpfig), die Stirn länger (50—52 % der Schädellänge), aber quadratiſcher als bei den Niederungs- racen. Die gewölbten Augenhöhlen ragen merklich über den Schädel- umriß vor. Die Hornzapfen ſind ungeſtielt, kurz und verhältnißmäßig dick, kegelförmig. Die Hörner ſind anfänglich nach außen, dann nach vorne und oben gerichtet und erheben ſich nur wenig über die Stirnbein- kante. Das Backenzahngebiß iſt aus- gedehnt, das Schneidezahngebiß ſchmal. Zu dieſer Stammrace zählen die einfarbigen Gebirgsracen. 1. Einfarbiges Gebirgsvieh. Das Gebirgsvieh charakteriſirt ſich durch kurzen Kopf mit breitem Maule und breiter Stirne. Die Hörner ſtehen mehr nach der Seite und ſind meiſt kurz nach aufwärts gebogen. Der Hals iſt kürzer als bei dem Niederungsviehe und mit ſtarker Wamme verſehen. Die Bruſt breit, der Leib tonnenförmig, gedrungen, abgerundet. Der Schweif meiſt hochangeſetzt, überbaut. Die ſtämmigen, kurzen, mitunter ſelbſt plumpen Füße ſind mit breiten, ſtarken Gelenken verſehen. Die Hautfarbe roth, die Haarfarbe eintönig dunkel. Die Haut dick und ſtark. Der Körper mittelgroß bis ſehr ſchwer. Als Milchthiere werden ſie in der Quantität von den Niederungs- racen übertroffen, die Qualität der Milch iſt jedoch eine bedeutend beſſere. Maſt- fähigkeit mittelmäßig bis gut, Fleiſch meiſt grobfaſerig. Zugtauglichkeit gut bis mittelmäßig. Zu dem einfarbigen Gebirgsvieh ſind zu rechnen: 1. Das Braunvieh in der Schweiz, 2. die Racen des Montavoner Thales in Vorarlberg, 3. die Racen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/110
Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/110>, abgerufen am 16.07.2024.