Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
Besondere Thierzuchtlehre.
I.
Die Rindviehzucht.

In dem Maße, als die Preise der Viehproducte gegenüber jenen der Bodenproducte
eine steigende Richtung einnehmen, gewinnt die Viehzucht, insbesondere die Rindvieh-
zucht 1), für die landwirthschaftliche Unternehmung eine immer größere Bedeutung. Bei
der Vielseitigkeit der Nutzung des Rindes, als Fleisch-, Milch- und Zugthier, eignet
sich die Züchtung desselben für die verschiedenartigsten Verhältnisse, insbesondere für
Gegenden mit geringerer Ausdehnung des Grundbesitzes, welche jedoch nicht bis zur
Zwergwirthschaft herabgehen darf, und für Gegenden mit dichter Bevölkerung, an welche
Fleisch, Milch und Milchproducte lohnenden und sicheren Absatz finden. Je intensiver
sich unter den vorliegenden Verhältnissen der Betrieb der Wirthschaft gestaltet, um so
mehr verdient die Rindviehzucht gegenüber anderen Thierzuchten den Vorrang. Bei
Stallhaltung liefert das Rind die reichlichsten Mengen eines vorzüglichen Düngers,
welcher für die Mehrzahl der Bodenarten und der Culturpflanzen gleich gut ver-
wendet werden kann. Durch die Rindviehzucht lassen sich die Abfälle technischer
Gewerbe, wie die Schlempe, Träbern, Rübenzucker-Fabrications-Rückstände etc. am
vortheilhaftesten verwerthen. Seiner Natur nach eignet sich das Rind sowohl für
mäßig feuchte Niederungen, als auch für grasreiche Gebirgslagen, bei mildem, ge-
mäßigtem Klima. Ungeeignet für die Rindviehzucht sind magere, trockene Höhenboden
mit spärlichem Graswuchse. Desgleichen steht sie gegen andere Thierzuchten in
Gegenden mit extensivem Wirthschaftsbetriebe und mit großer Ausdehnung des Grund-
besitzes zurück, während das Schaf und das Pferd in den Vordergrund treten.

1. Die Entwickelung des Rindes.

Je nach Alter, Geschlecht und Nutzung und je nach Landesgebrauch erhält das
Rind verschiedene Bezeichnungen. Nach der Geburt heißt das Rind Kalb und zwar,
je nach dem Geschlechte, Stier- oder Kuhkalb, während der Säugezeit Saug-
kalb
. Nach zurückgelegtem erstem Jahre wird das weibliche Jungvieh bis zur
Geburt des ersten Kalbes 1jährige, 2jährige Kalbin, in Norddeutschland Rind,
Ferse
, in Holstein Starke, in der Marsch Queen, das männliche Rind bis

1) Für eingehendere Studien über die Rindviehzucht eignen sich besonders: Dr. O. Rohde
und C. F. Müller. Die Rindviehzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkte. 2. Aufl.
Berlin 1875. Aus der älteren Literatur: H. W. v. Pabst, Anleitung zur Rindviehzucht. 3. Aufl.
Stuttgart 1859.
Beſondere Thierzuchtlehre.
I.
Die Rindviehzucht.

In dem Maße, als die Preiſe der Viehproducte gegenüber jenen der Bodenproducte
eine ſteigende Richtung einnehmen, gewinnt die Viehzucht, insbeſondere die Rindvieh-
zucht 1), für die landwirthſchaftliche Unternehmung eine immer größere Bedeutung. Bei
der Vielſeitigkeit der Nutzung des Rindes, als Fleiſch-, Milch- und Zugthier, eignet
ſich die Züchtung deſſelben für die verſchiedenartigſten Verhältniſſe, insbeſondere für
Gegenden mit geringerer Ausdehnung des Grundbeſitzes, welche jedoch nicht bis zur
Zwergwirthſchaft herabgehen darf, und für Gegenden mit dichter Bevölkerung, an welche
Fleiſch, Milch und Milchproducte lohnenden und ſicheren Abſatz finden. Je intenſiver
ſich unter den vorliegenden Verhältniſſen der Betrieb der Wirthſchaft geſtaltet, um ſo
mehr verdient die Rindviehzucht gegenüber anderen Thierzuchten den Vorrang. Bei
Stallhaltung liefert das Rind die reichlichſten Mengen eines vorzüglichen Düngers,
welcher für die Mehrzahl der Bodenarten und der Culturpflanzen gleich gut ver-
wendet werden kann. Durch die Rindviehzucht laſſen ſich die Abfälle techniſcher
Gewerbe, wie die Schlempe, Träbern, Rübenzucker-Fabrications-Rückſtände ꝛc. am
vortheilhafteſten verwerthen. Seiner Natur nach eignet ſich das Rind ſowohl für
mäßig feuchte Niederungen, als auch für grasreiche Gebirgslagen, bei mildem, ge-
mäßigtem Klima. Ungeeignet für die Rindviehzucht ſind magere, trockene Höhenboden
mit ſpärlichem Graswuchſe. Desgleichen ſteht ſie gegen andere Thierzuchten in
Gegenden mit extenſivem Wirthſchaftsbetriebe und mit großer Ausdehnung des Grund-
beſitzes zurück, während das Schaf und das Pferd in den Vordergrund treten.

1. Die Entwickelung des Rindes.

Je nach Alter, Geſchlecht und Nutzung und je nach Landesgebrauch erhält das
Rind verſchiedene Bezeichnungen. Nach der Geburt heißt das Rind Kalb und zwar,
je nach dem Geſchlechte, Stier- oder Kuhkalb, während der Säugezeit Saug-
kalb
. Nach zurückgelegtem erſtem Jahre wird das weibliche Jungvieh bis zur
Geburt des erſten Kalbes 1jährige, 2jährige Kalbin, in Norddeutſchland Rind,
Ferſe
, in Holſtein Starke, in der Marſch Queen, das männliche Rind bis

1) Für eingehendere Studien über die Rindviehzucht eignen ſich beſonders: Dr. O. Rohde
und C. F. Müller. Die Rindviehzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkte. 2. Aufl.
Berlin 1875. Aus der älteren Literatur: H. W. v. Pabſt, Anleitung zur Rindviehzucht. 3. Aufl.
Stuttgart 1859.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0100" n="84"/>
          <fw place="top" type="header">Be&#x017F;ondere Thierzuchtlehre.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Die Rindviehzucht.</hi> </head><lb/>
            <p>In dem Maße, als die Prei&#x017F;e der Viehproducte gegenüber jenen der Bodenproducte<lb/>
eine &#x017F;teigende Richtung einnehmen, gewinnt die Viehzucht, insbe&#x017F;ondere die Rindvieh-<lb/>
zucht <note place="foot" n="1)">Für eingehendere Studien über die Rindviehzucht eignen &#x017F;ich be&#x017F;onders: <hi rendition="#aq">Dr.</hi> O. Rohde<lb/>
und C. F. Müller. Die Rindviehzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkte. 2. Aufl.<lb/>
Berlin 1875. Aus der älteren Literatur: H. W. v. Pab&#x017F;t, Anleitung zur Rindviehzucht. 3. Aufl.<lb/>
Stuttgart 1859.</note>, für die landwirth&#x017F;chaftliche Unternehmung eine immer größere Bedeutung. Bei<lb/>
der Viel&#x017F;eitigkeit der Nutzung des Rindes, als Flei&#x017F;ch-, Milch- und Zugthier, eignet<lb/>
&#x017F;ich die Züchtung de&#x017F;&#x017F;elben für die ver&#x017F;chiedenartig&#x017F;ten Verhältni&#x017F;&#x017F;e, insbe&#x017F;ondere für<lb/>
Gegenden mit geringerer Ausdehnung des Grundbe&#x017F;itzes, welche jedoch nicht bis zur<lb/>
Zwergwirth&#x017F;chaft herabgehen darf, und für Gegenden mit dichter Bevölkerung, an welche<lb/>
Flei&#x017F;ch, Milch und Milchproducte lohnenden und &#x017F;icheren Ab&#x017F;atz finden. Je inten&#x017F;iver<lb/>
&#x017F;ich unter den vorliegenden Verhältni&#x017F;&#x017F;en der Betrieb der Wirth&#x017F;chaft ge&#x017F;taltet, um &#x017F;o<lb/>
mehr verdient die Rindviehzucht gegenüber anderen Thierzuchten den Vorrang. Bei<lb/>
Stallhaltung liefert das Rind die reichlich&#x017F;ten Mengen eines vorzüglichen Düngers,<lb/>
welcher für die Mehrzahl der Bodenarten und der Culturpflanzen gleich gut ver-<lb/>
wendet werden kann. Durch die Rindviehzucht la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die Abfälle techni&#x017F;cher<lb/>
Gewerbe, wie die Schlempe, Träbern, Rübenzucker-Fabrications-Rück&#x017F;tände &#xA75B;c. am<lb/>
vortheilhafte&#x017F;ten verwerthen. Seiner Natur nach eignet &#x017F;ich das Rind &#x017F;owohl für<lb/>
mäßig feuchte Niederungen, als auch für grasreiche Gebirgslagen, bei mildem, ge-<lb/>
mäßigtem Klima. Ungeeignet für die Rindviehzucht &#x017F;ind magere, trockene Höhenboden<lb/>
mit &#x017F;pärlichem Graswuch&#x017F;e. Desgleichen &#x017F;teht &#x017F;ie gegen andere Thierzuchten in<lb/>
Gegenden mit exten&#x017F;ivem Wirth&#x017F;chaftsbetriebe und mit großer Ausdehnung des Grund-<lb/>
be&#x017F;itzes zurück, während das Schaf und das Pferd in den Vordergrund treten.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">1. Die Entwickelung des Rindes.</hi> </head><lb/>
              <p>Je nach Alter, Ge&#x017F;chlecht und Nutzung und je nach Landesgebrauch erhält das<lb/>
Rind ver&#x017F;chiedene Bezeichnungen. Nach der Geburt heißt das Rind <hi rendition="#g">Kalb</hi> und zwar,<lb/>
je nach dem Ge&#x017F;chlechte, <hi rendition="#g">Stier-</hi> oder <hi rendition="#g">Kuhkalb</hi>, während der Säugezeit <hi rendition="#g">Saug-<lb/>
kalb</hi>. Nach zurückgelegtem er&#x017F;tem Jahre wird das weibliche Jungvieh bis zur<lb/>
Geburt des er&#x017F;ten Kalbes 1jährige, 2jährige <hi rendition="#g">Kalbin</hi>, in Norddeut&#x017F;chland <hi rendition="#g">Rind,<lb/>
Fer&#x017F;e</hi>, in Hol&#x017F;tein <hi rendition="#g">Starke</hi>, in der Mar&#x017F;ch <hi rendition="#g">Queen</hi>, das männliche Rind bis<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0100] Beſondere Thierzuchtlehre. I. Die Rindviehzucht. In dem Maße, als die Preiſe der Viehproducte gegenüber jenen der Bodenproducte eine ſteigende Richtung einnehmen, gewinnt die Viehzucht, insbeſondere die Rindvieh- zucht 1), für die landwirthſchaftliche Unternehmung eine immer größere Bedeutung. Bei der Vielſeitigkeit der Nutzung des Rindes, als Fleiſch-, Milch- und Zugthier, eignet ſich die Züchtung deſſelben für die verſchiedenartigſten Verhältniſſe, insbeſondere für Gegenden mit geringerer Ausdehnung des Grundbeſitzes, welche jedoch nicht bis zur Zwergwirthſchaft herabgehen darf, und für Gegenden mit dichter Bevölkerung, an welche Fleiſch, Milch und Milchproducte lohnenden und ſicheren Abſatz finden. Je intenſiver ſich unter den vorliegenden Verhältniſſen der Betrieb der Wirthſchaft geſtaltet, um ſo mehr verdient die Rindviehzucht gegenüber anderen Thierzuchten den Vorrang. Bei Stallhaltung liefert das Rind die reichlichſten Mengen eines vorzüglichen Düngers, welcher für die Mehrzahl der Bodenarten und der Culturpflanzen gleich gut ver- wendet werden kann. Durch die Rindviehzucht laſſen ſich die Abfälle techniſcher Gewerbe, wie die Schlempe, Träbern, Rübenzucker-Fabrications-Rückſtände ꝛc. am vortheilhafteſten verwerthen. Seiner Natur nach eignet ſich das Rind ſowohl für mäßig feuchte Niederungen, als auch für grasreiche Gebirgslagen, bei mildem, ge- mäßigtem Klima. Ungeeignet für die Rindviehzucht ſind magere, trockene Höhenboden mit ſpärlichem Graswuchſe. Desgleichen ſteht ſie gegen andere Thierzuchten in Gegenden mit extenſivem Wirthſchaftsbetriebe und mit großer Ausdehnung des Grund- beſitzes zurück, während das Schaf und das Pferd in den Vordergrund treten. 1. Die Entwickelung des Rindes. Je nach Alter, Geſchlecht und Nutzung und je nach Landesgebrauch erhält das Rind verſchiedene Bezeichnungen. Nach der Geburt heißt das Rind Kalb und zwar, je nach dem Geſchlechte, Stier- oder Kuhkalb, während der Säugezeit Saug- kalb. Nach zurückgelegtem erſtem Jahre wird das weibliche Jungvieh bis zur Geburt des erſten Kalbes 1jährige, 2jährige Kalbin, in Norddeutſchland Rind, Ferſe, in Holſtein Starke, in der Marſch Queen, das männliche Rind bis 1) Für eingehendere Studien über die Rindviehzucht eignen ſich beſonders: Dr. O. Rohde und C. F. Müller. Die Rindviehzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkte. 2. Aufl. Berlin 1875. Aus der älteren Literatur: H. W. v. Pabſt, Anleitung zur Rindviehzucht. 3. Aufl. Stuttgart 1859.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/100
Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/100>, abgerufen am 20.11.2024.