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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876.

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Anhang.
X.
Die Wieſen.

Ein Grundſtück, ſich ſelbſt überlaſſen, bedeckt ſich unter gewiſſen Verhältniſſen,
die durch das Wort „Graswüchſigkeit“ zum Ausdrucke gelangen, mit einer Vegetation
von Gras und Kleepflanzen. Dieſes natürliche Grasland, welches zum Unterſchiede
vom Ackerlande nicht unter dem Pfluge gehalten wird und dauernd mit Gräſern
und Kräutern bewachſen iſt, wird je nach ſeiner Benutzung zur Heu- und Gras-
gewinnung oder zur unmittelbaren Ernährung für das Vieh als Wieſe und Weide
unterſchieden. Dieſer Unterſchied kann jedoch nicht ſtrenge aufrecht erhalten werden,
indem ſowohl Wieſen zeitweilig beweidet und Weiden unter Umſtänden gemäht
werden. Zutreffender iſt der Umſtand, daß die Weide eine mehr geſchloſſene Grasnarbe
beſitzt, da unter dem Einfluſſe des Abweidens meiſt nur die Bodengräſer, welche wegen
ihrer Beſtockungsfähigkeit ein wiederholtes Abbeißen vertragen, übrig bleiben, während
die Wieſe nicht nur eine, wenn auch etwas lockere Grasnarbe, ſondern auch noch über
dieſelbe ſich erhebende Obergräſer (Halme und Blüthen) aufzuweiſen hat.

Mit den Wieſen und Weiden ſind weiterhin nicht zu verwechſeln die Wechſel-
wieſen, die Egarten, die Drieſchländereien, welche abwechſelnd als Wieſe oder Weide
und als Ackerland benutzt werden, und die Futterfelder, auf welchen durch künſt-
lichen Anbau von Gräſern und Kleearten ein ein- bis mehrjähriges Futterland
geſchaffen wird.

Das natürliche Grasland hat unter günſtigen Verhältniſſen bedeutende Vorzüge
vor dem Ackerlande voraus. Der Pflanzenbeſtand der Wieſe kann faſt nie zu
Grunde gehen, nachdem derſelbe von den mannigfaltigſten Pflanzenarten gebildet wird,
die in ihrer Entwickelung durch die wechſelnde Witterung in ſehr verſchiedener Weiſe
beeinflußt werden, während die Saaten auf dem Ackerlande durch die Ungunſt der
Witterung, des Bodens, durch die Angriffe der Feinde aus der Pflanzen- und Thier-
welt gänzlich vernichtet werden können. In dürren Zeiten dorren zwar die Gräſer
auf der Wieſe aus, dafür erhalten ſich die tiefwurzelnden Kleearten. Der Ertrag
iſt daher unter zuſagenden Verhältniſſen viel ſicherer, als der oft gefährdete Ertrag
des Ackerlandes. Die Wieſen liefern nicht nur ein in ſeiner Menge von den
Witterungsverhältniſſen unabhängiges, ſondern auch für die Ernährung der Thiere

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876, S. [219]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876/233>, abgerufen am 06.01.2025.