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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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Besprechung der in der Tabelle wiedergegebenen Werthe verzichten.
Nur auf das Verhalten der Wahlzeiten möchte ich noch kurz hin-
weisen. Die Grösse der individuellen Unterschiede ist bei ihnen ent-
schieden geringer, als bei den einfachen Reactionen. Die Unter-
scheidung zwischen zwei einfachen Eindrücken verknüpft sich mit der
Wahl zwischen zwei Bewegungen in einem Zeitraum, der für ver-
schiedene Personen annähernd gleich ist, wie schon Tischer nach-
gewiesen hat. Auch die Zahlen der beiden italienischen Forscher
schliessen sich in diesem Punkte den übrigen an, obgleich sie sonst
wegen der andersartigen Versuchsbedingungen nicht ohne Weiteres
vergleichbar sind. Nur De. fällt aus dem Rahmen heraus, insofern
die Differenz zwischen einfacher und Wahlreaction nicht, wie bei den
Uebrigen, annähernd 100, sondern 150 s beträgt. Auch S. würde
jedenfalls ein etwas anderes, nach der entgegengesetzten Seite ab-
weichendes Resultat geliefert haben. Leider stehen mir seine Original-
zahlen nicht mehr zur Verfügung, aber Dehio's Tabelle, VI p. 33
zeigt, dass seine Wahlreactionen zumeist nur 150--200 s betrugen.
Der Schnelligkeit seiner einfachen Reactionen entspricht demnach die
ganz ungewöhnliche Kürze der Wahlreactionen. Dabei ist jedoch zu
bemerken, dass der Vergleich dieser absoluten Zahlen untereinander
starken Bedenken unterliegt, da der Reiz überall nach Trautscholdt's
Methode gegeben wurde. Unter diesen Umständen wird das Zeitver-
hältniss zwischen Entstehung des Reizes und Beginn der Messung
wesentlich durch die Person des Registrirenden mitbestimmt. Immer-
hin konnte ich feststellen, dass bei weitausgedehnten Versuchsreihen
über verschiedene Associationsformen, die ich mit S. und De. unter
ganz gleichen Verhältnissen durchführte, mit vollkommenster Regel-
mässigkeit überall der Erstere rascher arbeitete, als der Letztere. An
einer constanten Verschiedenheit beider Personen in der bezeichneten
Richtung kann demnach kein Zweifel sein. Ganz ähnlich liess sich
in der langen Zeit unseres Zusammenarbeitens feststellen, dass L. stets
langsamer zu reagiren pflegte, als ich.

Weit besser vergleichbar sind die Ergebnisse der Versuche nach
fortlaufender Methode, da sie in systematischer Weise gerade zum
Studium der individuellen Verschiedenheiten angestellt worden sind.
Die wesentlichsten Schlussfolgerungen indessen, welche sich nach dieser
Richtung aus den Normalreihen ableiten lassen, sind bereits von
Oehrn ausführlich besprochen worden. Wir können uns somit hier
auf die Frage beschränken, wieweit sich die früher beobachteten
Unterschiede zwischen den einzelnen Personen bei den Versuchen mit

Besprechung der in der Tabelle wiedergegebenen Werthe verzichten.
Nur auf das Verhalten der Wahlzeiten möchte ich noch kurz hin-
weisen. Die Grösse der individuellen Unterschiede ist bei ihnen ent-
schieden geringer, als bei den einfachen Reactionen. Die Unter-
scheidung zwischen zwei einfachen Eindrücken verknüpft sich mit der
Wahl zwischen zwei Bewegungen in einem Zeitraum, der für ver-
schiedene Personen annähernd gleich ist, wie schon Tischer nach-
gewiesen hat. Auch die Zahlen der beiden italienischen Forscher
schliessen sich in diesem Punkte den übrigen an, obgleich sie sonst
wegen der andersartigen Versuchsbedingungen nicht ohne Weiteres
vergleichbar sind. Nur De. fällt aus dem Rahmen heraus, insofern
die Differenz zwischen einfacher und Wahlreaction nicht, wie bei den
Uebrigen, annähernd 100, sondern 150 σ beträgt. Auch S. würde
jedenfalls ein etwas anderes, nach der entgegengesetzten Seite ab-
weichendes Resultat geliefert haben. Leider stehen mir seine Original-
zahlen nicht mehr zur Verfügung, aber Dehio’s Tabelle, VI p. 33
zeigt, dass seine Wahlreactionen zumeist nur 150—200 σ betrugen.
Der Schnelligkeit seiner einfachen Reactionen entspricht demnach die
ganz ungewöhnliche Kürze der Wahlreactionen. Dabei ist jedoch zu
bemerken, dass der Vergleich dieser absoluten Zahlen untereinander
starken Bedenken unterliegt, da der Reiz überall nach Trautscholdt’s
Methode gegeben wurde. Unter diesen Umständen wird das Zeitver-
hältniss zwischen Entstehung des Reizes und Beginn der Messung
wesentlich durch die Person des Registrirenden mitbestimmt. Immer-
hin konnte ich feststellen, dass bei weitausgedehnten Versuchsreihen
über verschiedene Associationsformen, die ich mit S. und De. unter
ganz gleichen Verhältnissen durchführte, mit vollkommenster Regel-
mässigkeit überall der Erstere rascher arbeitete, als der Letztere. An
einer constanten Verschiedenheit beider Personen in der bezeichneten
Richtung kann demnach kein Zweifel sein. Ganz ähnlich liess sich
in der langen Zeit unseres Zusammenarbeitens feststellen, dass L. stets
langsamer zu reagiren pflegte, als ich.

Weit besser vergleichbar sind die Ergebnisse der Versuche nach
fortlaufender Methode, da sie in systematischer Weise gerade zum
Studium der individuellen Verschiedenheiten angestellt worden sind.
Die wesentlichsten Schlussfolgerungen indessen, welche sich nach dieser
Richtung aus den Normalreihen ableiten lassen, sind bereits von
Oehrn ausführlich besprochen worden. Wir können uns somit hier
auf die Frage beschränken, wieweit sich die früher beobachteten
Unterschiede zwischen den einzelnen Personen bei den Versuchen mit

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[235/0251] Besprechung der in der Tabelle wiedergegebenen Werthe verzichten. Nur auf das Verhalten der Wahlzeiten möchte ich noch kurz hin- weisen. Die Grösse der individuellen Unterschiede ist bei ihnen ent- schieden geringer, als bei den einfachen Reactionen. Die Unter- scheidung zwischen zwei einfachen Eindrücken verknüpft sich mit der Wahl zwischen zwei Bewegungen in einem Zeitraum, der für ver- schiedene Personen annähernd gleich ist, wie schon Tischer nach- gewiesen hat. Auch die Zahlen der beiden italienischen Forscher schliessen sich in diesem Punkte den übrigen an, obgleich sie sonst wegen der andersartigen Versuchsbedingungen nicht ohne Weiteres vergleichbar sind. Nur De. fällt aus dem Rahmen heraus, insofern die Differenz zwischen einfacher und Wahlreaction nicht, wie bei den Uebrigen, annähernd 100, sondern 150 σ beträgt. Auch S. würde jedenfalls ein etwas anderes, nach der entgegengesetzten Seite ab- weichendes Resultat geliefert haben. Leider stehen mir seine Original- zahlen nicht mehr zur Verfügung, aber Dehio’s Tabelle, VI p. 33 zeigt, dass seine Wahlreactionen zumeist nur 150—200 σ betrugen. Der Schnelligkeit seiner einfachen Reactionen entspricht demnach die ganz ungewöhnliche Kürze der Wahlreactionen. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass der Vergleich dieser absoluten Zahlen untereinander starken Bedenken unterliegt, da der Reiz überall nach Trautscholdt’s Methode gegeben wurde. Unter diesen Umständen wird das Zeitver- hältniss zwischen Entstehung des Reizes und Beginn der Messung wesentlich durch die Person des Registrirenden mitbestimmt. Immer- hin konnte ich feststellen, dass bei weitausgedehnten Versuchsreihen über verschiedene Associationsformen, die ich mit S. und De. unter ganz gleichen Verhältnissen durchführte, mit vollkommenster Regel- mässigkeit überall der Erstere rascher arbeitete, als der Letztere. An einer constanten Verschiedenheit beider Personen in der bezeichneten Richtung kann demnach kein Zweifel sein. Ganz ähnlich liess sich in der langen Zeit unseres Zusammenarbeitens feststellen, dass L. stets langsamer zu reagiren pflegte, als ich. Weit besser vergleichbar sind die Ergebnisse der Versuche nach fortlaufender Methode, da sie in systematischer Weise gerade zum Studium der individuellen Verschiedenheiten angestellt worden sind. Die wesentlichsten Schlussfolgerungen indessen, welche sich nach dieser Richtung aus den Normalreihen ableiten lassen, sind bereits von Oehrn ausführlich besprochen worden. Wir können uns somit hier auf die Frage beschränken, wieweit sich die früher beobachteten Unterschiede zwischen den einzelnen Personen bei den Versuchen mit

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/251>, abgerufen am 26.04.2024.