wesentlichste Bestandtheil des gemessenen Vorganges, die Auffassung eines gesprochenen Wortes, schon durch 1 gr Chloralhydrat sehr er- heblich verlangsamt wird.
Ein ganz ähnliches Ergebniss bietet der Wahlversuch dar. Auch hier ist die Vergrösserung der Zahlen bedeutend, etwa 150 s, und dauert nach 66 Minuten noch fort, freilich in abnehmender Stärke. Schwankungen sind hier allerdings gar nicht vorhanden, sondern die Erschwerung der Reaction kommt und schwindet in ganz gleich- mässiger Weise. Jedenfalls sind demnach auch die Wahlreactionen schon durch 1 gr Chloralhydrat verlangsamt worden, ein Befund, der mit den Versuchen von Cervello und Coppola ebenso in Uebereinstimmung steht, wie die lange Dauer dieser Wirkung. Auffallend könnte nur die erste kurze Zahl nach der Einverleibung des Mittels erscheinen, namentlich wegen des unmittelbar voraufgehenden höheren Werthes. Zwar fällt dieselbe durchaus in die Breite der normalen Schwankungen, aber wir sehen bei den Wortreactionen, dass die verlangsamende Wir- kung sich bereits innerhalb der ersten 4--5 Minuten sehr deutlich geltend macht. Es wäre demnach denkbar, dass doch unter gewissen Bedingungen ganz vorübergehend eine geringe Erleichterung des Wahl- actes stattfinden könnte. Eine Vermehrung der Fehlreactionen, die im ganzen Versuche nur etwa 2 % betrugen, war während der frag- lichen Zeit nicht bemerkbar. Wir kommen somit zu dem Schlusse, dass auch bei kleiner Dosis eine beschleunigende Wirkung des Chloral- hydrates auf die Wahlreactionen sich nicht mit einiger Wahrschein- lichkeit nachweisen lässt, dass aber die Möglichkeit einer derartigen sehr flüchtigen Wirkung auch nicht mit voller Bestimmtheit in Ab- rede gestellt werden kann.
Die Grösse a lässt in den Normalversuchen der Chloralreihen bei den Wahlreactionen eine geringe Abnahme, bei den Wortreactionen eine gewisse Zunahme erkennen. Während der Medicamentwirkung tritt anfangs keine deutliche Veränderung, späterhin jedoch eine ent- schiedene Vergrösserung der Schwankungen hervor.
c. Morphium.
Ein viel höheres theoretisches, wie praktisches Interesse, als das Chloralhydrat, bietet ein weiteres Mittel dar, über welches ich leider ebenfalls nur wenig Versuche besitze, das Morphium. Ich selbst ver- trug dasselbe so schlecht, dass ein ausreichendes Experimentiren bei
wesentlichste Bestandtheil des gemessenen Vorganges, die Auffassung eines gesprochenen Wortes, schon durch 1 gr Chloralhydrat sehr er- heblich verlangsamt wird.
Ein ganz ähnliches Ergebniss bietet der Wahlversuch dar. Auch hier ist die Vergrösserung der Zahlen bedeutend, etwa 150 σ, und dauert nach 66 Minuten noch fort, freilich in abnehmender Stärke. Schwankungen sind hier allerdings gar nicht vorhanden, sondern die Erschwerung der Reaction kommt und schwindet in ganz gleich- mässiger Weise. Jedenfalls sind demnach auch die Wahlreactionen schon durch 1 gr Chloralhydrat verlangsamt worden, ein Befund, der mit den Versuchen von Cervello und Coppola ebenso in Uebereinstimmung steht, wie die lange Dauer dieser Wirkung. Auffallend könnte nur die erste kurze Zahl nach der Einverleibung des Mittels erscheinen, namentlich wegen des unmittelbar voraufgehenden höheren Werthes. Zwar fällt dieselbe durchaus in die Breite der normalen Schwankungen, aber wir sehen bei den Wortreactionen, dass die verlangsamende Wir- kung sich bereits innerhalb der ersten 4—5 Minuten sehr deutlich geltend macht. Es wäre demnach denkbar, dass doch unter gewissen Bedingungen ganz vorübergehend eine geringe Erleichterung des Wahl- actes stattfinden könnte. Eine Vermehrung der Fehlreactionen, die im ganzen Versuche nur etwa 2 % betrugen, war während der frag- lichen Zeit nicht bemerkbar. Wir kommen somit zu dem Schlusse, dass auch bei kleiner Dosis eine beschleunigende Wirkung des Chloral- hydrates auf die Wahlreactionen sich nicht mit einiger Wahrschein- lichkeit nachweisen lässt, dass aber die Möglichkeit einer derartigen sehr flüchtigen Wirkung auch nicht mit voller Bestimmtheit in Ab- rede gestellt werden kann.
Die Grösse a lässt in den Normalversuchen der Chloralreihen bei den Wahlreactionen eine geringe Abnahme, bei den Wortreactionen eine gewisse Zunahme erkennen. Während der Medicamentwirkung tritt anfangs keine deutliche Veränderung, späterhin jedoch eine ent- schiedene Vergrösserung der Schwankungen hervor.
c. Morphium.
Ein viel höheres theoretisches, wie praktisches Interesse, als das Chloralhydrat, bietet ein weiteres Mittel dar, über welches ich leider ebenfalls nur wenig Versuche besitze, das Morphium. Ich selbst ver- trug dasselbe so schlecht, dass ein ausreichendes Experimentiren bei
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wesentlichste Bestandtheil des gemessenen Vorganges, die Auffassung
eines gesprochenen Wortes, schon durch 1 gr Chloralhydrat sehr er-
heblich verlangsamt wird.
Ein ganz ähnliches Ergebniss bietet der Wahlversuch dar. Auch
hier ist die Vergrösserung der Zahlen bedeutend, etwa 150 σ, und
dauert nach 66 Minuten noch fort, freilich in abnehmender Stärke.
Schwankungen sind hier allerdings gar nicht vorhanden, sondern die
Erschwerung der Reaction kommt und schwindet in ganz gleich-
mässiger Weise. Jedenfalls sind demnach auch die Wahlreactionen schon
durch 1 gr Chloralhydrat verlangsamt worden, ein Befund, der mit den
Versuchen von Cervello und Coppola ebenso in Uebereinstimmung
steht, wie die lange Dauer dieser Wirkung. Auffallend könnte nur
die erste kurze Zahl nach der Einverleibung des Mittels erscheinen,
namentlich wegen des unmittelbar voraufgehenden höheren Werthes.
Zwar fällt dieselbe durchaus in die Breite der normalen Schwankungen,
aber wir sehen bei den Wortreactionen, dass die verlangsamende Wir-
kung sich bereits innerhalb der ersten 4—5 Minuten sehr deutlich
geltend macht. Es wäre demnach denkbar, dass doch unter gewissen
Bedingungen ganz vorübergehend eine geringe Erleichterung des Wahl-
actes stattfinden könnte. Eine Vermehrung der Fehlreactionen, die
im ganzen Versuche nur etwa 2 % betrugen, war während der frag-
lichen Zeit nicht bemerkbar. Wir kommen somit zu dem Schlusse,
dass auch bei kleiner Dosis eine beschleunigende Wirkung des Chloral-
hydrates auf die Wahlreactionen sich nicht mit einiger Wahrschein-
lichkeit nachweisen lässt, dass aber die Möglichkeit einer derartigen
sehr flüchtigen Wirkung auch nicht mit voller Bestimmtheit in Ab-
rede gestellt werden kann.
Die Grösse a lässt in den Normalversuchen der Chloralreihen
bei den Wahlreactionen eine geringe Abnahme, bei den Wortreactionen
eine gewisse Zunahme erkennen. Während der Medicamentwirkung
tritt anfangs keine deutliche Veränderung, späterhin jedoch eine ent-
schiedene Vergrösserung der Schwankungen hervor.
c. Morphium.
Ein viel höheres theoretisches, wie praktisches Interesse, als das
Chloralhydrat, bietet ein weiteres Mittel dar, über welches ich leider
ebenfalls nur wenig Versuche besitze, das Morphium. Ich selbst ver-
trug dasselbe so schlecht, dass ein ausreichendes Experimentiren bei
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/182>, abgerufen am 22.02.2025.
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