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Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.

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das Ideal, nach dem wir streben sollen. - Hier offenbart sich uns jene harmonische Entwickelung aller Seelenkräfte, die unserm Geschlechte oft in so hohem Grade fehlt. Es ist daher nothwendig, daß die geistige Bildung der Frauen erhöht, besonders aber geklärt werde. Das Gefühl vertieft und veredelt sich, wenn ein klares Urtheil sein Führer und Gefährte wird. Daher liegt eine Hauptaufgabe der nächsten Zukunft darin, die geistige Bildung unseres Geschlechtes zu heben, zu klären. Dadurch werden sowohl diejenigen Frauen, welche auf ihre eigne Kraft und Arbeit angewiesen sind, eine größere praktische und geistige Selbstständigkeit erlangen; dadurch werden jedoch auch Hausfrauen und Mütter in höherer Weise befähigt werden, ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie werden alsdann Theil nehmen an dem geistigen Interesse des Mannes, sie werden diesen an das Haus fesseln, indem sie ihm die Unterredung mit Freunden ersetzen. Weder in Frankreich, noch in England lebt der Mann so viel außerhalb des Hauses, wie bei uns; eine Frau, welche Urtheil und Lebhaftigkeit des Geistes hat, wird sich bemühen, die Freundin ihres Mannes zu werden, und wird ihm dadurch unentbehrlich sein. Aber auch die Mutter, die Erzieherin ihrer Kinder, der heranwachsenden Generation bedarf der geistigen Reife im hohen Grade, denn das instinktive Gefühl reicht nicht aus - es wird unklar und beginnt zu irren. Wie wir dem weiblichen Geschlecht materiell helfen wollen, indem wir ihm das freie Recht der Arbeit erringen, so liegt in einer tüchtigen, klaren Verstandsbildung desselben die nächste ideelle Aufgabe unserer Vereinigung. Diese Klärung soll durch alle Schichten gehen, deshalb wollen wir unsern, durch Bildung und Erziehung weniger bevorzugten Schwestern die Hand zum Bunde reichen. Wir wollen uns selbst bilden, indem wir den Frauen der untern Stände manchen geistigen Genuß bereiten, der sie zugleich belehrt und erhebt. Vorträge über populäre, ansprechende Stoffe sollen, mit Musik und Deklamation verbunden, Abendunterhaltungen bilden; wir haben dies hier in Leipzig versucht und die höchste Betheiligung, ja den lebhaftesten Dank gefunden. Auch sollen Sonntagsschulen die Lücken der Schulbildung ausfüllen und intensiver auf den einen oder andern Lebensberuf vorbereiten. Doch die Darlegung und Berathung dieser Ideen gehört in die Conferenz; mir liegt heute nur ob, Ihnen die Motive darzulegen, die uns dazu veranlassen, Sie zu uns zu rufen.

Möchte es mir gelungen sein, Ihnen zu beweisen, daß unser Werk gut und segensreich ist. Zwar dürfen wir uns nicht verschweigen, daß unser Weg reich an Hindernissen und Schmerzen sein wird! Wir stehen ohne Waffen dem Spotte, der Mißgunst gegenüber; es ist so leicht, über unsere Bestrebungen zu spotten, so leicht, uns hart zu tadeln - und Spott und Tadel werden uns

das Ideal, nach dem wir streben sollen. – Hier offenbart sich uns jene harmonische Entwickelung aller Seelenkräfte, die unserm Geschlechte oft in so hohem Grade fehlt. Es ist daher nothwendig, daß die geistige Bildung der Frauen erhöht, besonders aber geklärt werde. Das Gefühl vertieft und veredelt sich, wenn ein klares Urtheil sein Führer und Gefährte wird. Daher liegt eine Hauptaufgabe der nächsten Zukunft darin, die geistige Bildung unseres Geschlechtes zu heben, zu klären. Dadurch werden sowohl diejenigen Frauen, welche auf ihre eigne Kraft und Arbeit angewiesen sind, eine größere praktische und geistige Selbstständigkeit erlangen; dadurch werden jedoch auch Hausfrauen und Mütter in höherer Weise befähigt werden, ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie werden alsdann Theil nehmen an dem geistigen Interesse des Mannes, sie werden diesen an das Haus fesseln, indem sie ihm die Unterredung mit Freunden ersetzen. Weder in Frankreich, noch in England lebt der Mann so viel außerhalb des Hauses, wie bei uns; eine Frau, welche Urtheil und Lebhaftigkeit des Geistes hat, wird sich bemühen, die Freundin ihres Mannes zu werden, und wird ihm dadurch unentbehrlich sein. Aber auch die Mutter, die Erzieherin ihrer Kinder, der heranwachsenden Generation bedarf der geistigen Reife im hohen Grade, denn das instinktive Gefühl reicht nicht aus – es wird unklar und beginnt zu irren. Wie wir dem weiblichen Geschlecht materiell helfen wollen, indem wir ihm das freie Recht der Arbeit erringen, so liegt in einer tüchtigen, klaren Verstandsbildung desselben die nächste ideelle Aufgabe unserer Vereinigung. Diese Klärung soll durch alle Schichten gehen, deshalb wollen wir unsern, durch Bildung und Erziehung weniger bevorzugten Schwestern die Hand zum Bunde reichen. Wir wollen uns selbst bilden, indem wir den Frauen der untern Stände manchen geistigen Genuß bereiten, der sie zugleich belehrt und erhebt. Vorträge über populäre, ansprechende Stoffe sollen, mit Musik und Deklamation verbunden, Abendunterhaltungen bilden; wir haben dies hier in Leipzig versucht und die höchste Betheiligung, ja den lebhaftesten Dank gefunden. Auch sollen Sonntagsschulen die Lücken der Schulbildung ausfüllen und intensiver auf den einen oder andern Lebensberuf vorbereiten. Doch die Darlegung und Berathung dieser Ideen gehört in die Conferenz; mir liegt heute nur ob, Ihnen die Motive darzulegen, die uns dazu veranlassen, Sie zu uns zu rufen.

Möchte es mir gelungen sein, Ihnen zu beweisen, daß unser Werk gut und segensreich ist. Zwar dürfen wir uns nicht verschweigen, daß unser Weg reich an Hindernissen und Schmerzen sein wird! Wir stehen ohne Waffen dem Spotte, der Mißgunst gegenüber; es ist so leicht, über unsere Bestrebungen zu spotten, so leicht, uns hart zu tadeln – und Spott und Tadel werden uns

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[12/0012] das Ideal, nach dem wir streben sollen. – Hier offenbart sich uns jene harmonische Entwickelung aller Seelenkräfte, die unserm Geschlechte oft in so hohem Grade fehlt. Es ist daher nothwendig, daß die geistige Bildung der Frauen erhöht, besonders aber geklärt werde. Das Gefühl vertieft und veredelt sich, wenn ein klares Urtheil sein Führer und Gefährte wird. Daher liegt eine Hauptaufgabe der nächsten Zukunft darin, die geistige Bildung unseres Geschlechtes zu heben, zu klären. Dadurch werden sowohl diejenigen Frauen, welche auf ihre eigne Kraft und Arbeit angewiesen sind, eine größere praktische und geistige Selbstständigkeit erlangen; dadurch werden jedoch auch Hausfrauen und Mütter in höherer Weise befähigt werden, ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie werden alsdann Theil nehmen an dem geistigen Interesse des Mannes, sie werden diesen an das Haus fesseln, indem sie ihm die Unterredung mit Freunden ersetzen. Weder in Frankreich, noch in England lebt der Mann so viel außerhalb des Hauses, wie bei uns; eine Frau, welche Urtheil und Lebhaftigkeit des Geistes hat, wird sich bemühen, die Freundin ihres Mannes zu werden, und wird ihm dadurch unentbehrlich sein. Aber auch die Mutter, die Erzieherin ihrer Kinder, der heranwachsenden Generation bedarf der geistigen Reife im hohen Grade, denn das instinktive Gefühl reicht nicht aus – es wird unklar und beginnt zu irren. Wie wir dem weiblichen Geschlecht materiell helfen wollen, indem wir ihm das freie Recht der Arbeit erringen, so liegt in einer tüchtigen, klaren Verstandsbildung desselben die nächste ideelle Aufgabe unserer Vereinigung. Diese Klärung soll durch alle Schichten gehen, deshalb wollen wir unsern, durch Bildung und Erziehung weniger bevorzugten Schwestern die Hand zum Bunde reichen. Wir wollen uns selbst bilden, indem wir den Frauen der untern Stände manchen geistigen Genuß bereiten, der sie zugleich belehrt und erhebt. Vorträge über populäre, ansprechende Stoffe sollen, mit Musik und Deklamation verbunden, Abendunterhaltungen bilden; wir haben dies hier in Leipzig versucht und die höchste Betheiligung, ja den lebhaftesten Dank gefunden. Auch sollen Sonntagsschulen die Lücken der Schulbildung ausfüllen und intensiver auf den einen oder andern Lebensberuf vorbereiten. Doch die Darlegung und Berathung dieser Ideen gehört in die Conferenz; mir liegt heute nur ob, Ihnen die Motive darzulegen, die uns dazu veranlassen, Sie zu uns zu rufen. Möchte es mir gelungen sein, Ihnen zu beweisen, daß unser Werk gut und segensreich ist. Zwar dürfen wir uns nicht verschweigen, daß unser Weg reich an Hindernissen und Schmerzen sein wird! Wir stehen ohne Waffen dem Spotte, der Mißgunst gegenüber; es ist so leicht, über unsere Bestrebungen zu spotten, so leicht, uns hart zu tadeln – und Spott und Tadel werden uns

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Zitationshilfe: Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/korn_frauenconferenz_1865/12>, abgerufen am 26.04.2024.