ben Blumen, nach der Sonne dreht! Denke, daß solche Menschen oft in die Nothwendigkeit versetzt werden, wenn sie mit den Ihrigen leben und essen wollen, sich zu krümmen und zu schmie¬ gen, daß Wenige unter ihnen so erzogen sind, daß sie Sinn für gewisse feinere Gefühle und Aufopferungen haben, und daß alle Menschen mehr oder weniger nach Eigennutz handeln, den die Geschliffenern nur künstlicher verbergen.
6.
Täusche nicht den Niedern, der Dich um Schutz, Vorsprache, oder Hülfe bittet, mit fal¬ schen Hofnungen, leeren Versprechungen und nichtigen Vertröstungen, wie es die Weise der mehrsten Vornehmen ist, die, um die Clienten sich vom Halse zu schaffen, oder in den Ruf von Leutseligkeit zu kommen, oder aus Schwäche, aus Mangel an Festigkeit, jeden Bittenden mit süßen Worten und Verheissungen überschütten, sobald er aber den Rücken gewendet hat, nicht mehr an sein Anliegen denken. Der Arme geht indeß voll Hofnung nach Hause, glaubt seine Angelegenheit den besten Händen anvertrauet zu haben, versäumt alle andre Wege, die er zu
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ben Blumen, nach der Sonne dreht! Denke, daß ſolche Menſchen oft in die Nothwendigkeit verſetzt werden, wenn ſie mit den Ihrigen leben und eſſen wollen, ſich zu kruͤmmen und zu ſchmie¬ gen, daß Wenige unter ihnen ſo erzogen ſind, daß ſie Sinn fuͤr gewiſſe feinere Gefuͤhle und Aufopferungen haben, und daß alle Menſchen mehr oder weniger nach Eigennutz handeln, den die Geſchliffenern nur kuͤnſtlicher verbergen.
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Taͤuſche nicht den Niedern, der Dich um Schutz, Vorſprache, oder Huͤlfe bittet, mit fal¬ ſchen Hofnungen, leeren Verſprechungen und nichtigen Vertroͤſtungen, wie es die Weiſe der mehrſten Vornehmen iſt, die, um die Clienten ſich vom Halſe zu ſchaffen, oder in den Ruf von Leutſeligkeit zu kommen, oder aus Schwaͤche, aus Mangel an Feſtigkeit, jeden Bittenden mit ſuͤßen Worten und Verheiſſungen uͤberſchuͤtten, ſobald er aber den Ruͤcken gewendet hat, nicht mehr an ſein Anliegen denken. Der Arme geht indeß voll Hofnung nach Hauſe, glaubt ſeine Angelegenheit den beſten Haͤnden anvertrauet zu haben, verſaͤumt alle andre Wege, die er zu
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ben Blumen, nach der Sonne dreht! Denke,
daß ſolche Menſchen oft in die Nothwendigkeit
verſetzt werden, wenn ſie mit den Ihrigen leben
und eſſen wollen, ſich zu kruͤmmen und zu ſchmie¬
gen, daß Wenige unter ihnen ſo erzogen ſind,
daß ſie Sinn fuͤr gewiſſe feinere Gefuͤhle und
Aufopferungen haben, und daß alle Menſchen
mehr oder weniger nach Eigennutz handeln, den
die Geſchliffenern nur kuͤnſtlicher verbergen.
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Taͤuſche nicht den Niedern, der Dich um
Schutz, Vorſprache, oder Huͤlfe bittet, mit fal¬
ſchen Hofnungen, leeren Verſprechungen und
nichtigen Vertroͤſtungen, wie es die Weiſe der
mehrſten Vornehmen iſt, die, um die Clienten
ſich vom Halſe zu ſchaffen, oder in den Ruf von
Leutſeligkeit zu kommen, oder aus Schwaͤche,
aus Mangel an Feſtigkeit, jeden Bittenden mit
ſuͤßen Worten und Verheiſſungen uͤberſchuͤtten,
ſobald er aber den Ruͤcken gewendet hat, nicht
mehr an ſein Anliegen denken. Der Arme geht
indeß voll Hofnung nach Hauſe, glaubt ſeine
Angelegenheit den beſten Haͤnden anvertrauet
zu haben, verſaͤumt alle andre Wege, die er zu
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/60>, abgerufen am 21.11.2024.
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