Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Du Dich weder durch Mishandlung erbitterst
und niederdrückest, noch durch Vernachlässigung
zurücksetzest, noch durch Schmeicheley verderbest.

4.

Sorge für die Gesundheit Deines Leibes
und Deiner Seele; aber verzärtele beyde nicht!
Wer auf seinen Cörper losstürmt; der verschwen¬
det ein Gut, welches oft allein hinreicht, ihn
über Menschen und Schicksal zu erheben, und
ohne welches alle Schätze der Erde eitle Bettel-
Waare sind. Wer aber jedes Lüftchen fürchtet,
und jede Anstrengung und Uebung seiner Glie¬
der scheuet; der lebt ein ängstliches, nervenloses
Auster-Leben, und versucht es vergeblich, die
verrosteten Federn in den Gang zu bringen,
wenn er in den Fall kömmt, seiner natürlichen
Kräfte zu bedürfen. Wer sein Gemüth ohne
Unterlaß dem Sturme der Leidenschaften preis¬
giebt, oder die Seegel seines Geistes unaufhör¬
lich spannt; der rennt auf den Strand, oder
muß mit abgenutztem Feuerzeuge nach Hause
lavieren, wenn grade die beste Jahrszeit zu neuen
Entdeckungen eintritt. Wer aber die Facultä¬
ten seines Verstandes und Gedächtnisses immer

schlum¬

Du Dich weder durch Mishandlung erbitterſt
und niederdruͤckeſt, noch durch Vernachlaͤſſigung
zuruͤckſetzeſt, noch durch Schmeicheley verderbeſt.

4.

Sorge fuͤr die Geſundheit Deines Leibes
und Deiner Seele; aber verzaͤrtele beyde nicht!
Wer auf ſeinen Coͤrper losſtuͤrmt; der verſchwen¬
det ein Gut, welches oft allein hinreicht, ihn
uͤber Menſchen und Schickſal zu erheben, und
ohne welches alle Schaͤtze der Erde eitle Bettel-
Waare ſind. Wer aber jedes Luͤftchen fuͤrchtet,
und jede Anſtrengung und Uebung ſeiner Glie¬
der ſcheuet; der lebt ein aͤngſtliches, nervenloſes
Auſter-Leben, und verſucht es vergeblich, die
verroſteten Federn in den Gang zu bringen,
wenn er in den Fall koͤmmt, ſeiner natuͤrlichen
Kraͤfte zu beduͤrfen. Wer ſein Gemuͤth ohne
Unterlaß dem Sturme der Leidenſchaften preis¬
giebt, oder die Seegel ſeines Geiſtes unaufhoͤr¬
lich ſpannt; der rennt auf den Strand, oder
muß mit abgenutztem Feuerzeuge nach Hauſe
lavieren, wenn grade die beſte Jahrszeit zu neuen
Entdeckungen eintritt. Wer aber die Facultaͤ¬
ten ſeines Verſtandes und Gedaͤchtniſſes immer

ſchlum¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0324" n="302"/>
Du Dich weder durch Mishandlung erbitter&#x017F;t<lb/>
und niederdru&#x0364;cke&#x017F;t, noch durch Vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igung<lb/>
zuru&#x0364;ck&#x017F;etze&#x017F;t, noch durch Schmeicheley verderbe&#x017F;t.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>4.<lb/></head>
            <p>Sorge fu&#x0364;r die Ge&#x017F;undheit Deines Leibes<lb/>
und Deiner Seele; aber verza&#x0364;rtele beyde nicht!<lb/>
Wer auf &#x017F;einen Co&#x0364;rper los&#x017F;tu&#x0364;rmt; der ver&#x017F;chwen¬<lb/>
det ein Gut, welches oft allein hinreicht, ihn<lb/>
u&#x0364;ber Men&#x017F;chen und Schick&#x017F;al zu erheben, und<lb/>
ohne welches alle Scha&#x0364;tze der Erde eitle Bettel-<lb/>
Waare &#x017F;ind. Wer aber jedes Lu&#x0364;ftchen fu&#x0364;rchtet,<lb/>
und jede An&#x017F;trengung und Uebung &#x017F;einer Glie¬<lb/>
der &#x017F;cheuet; der lebt ein a&#x0364;ng&#x017F;tliches, nervenlo&#x017F;es<lb/>
Au&#x017F;ter-Leben, und ver&#x017F;ucht es vergeblich, die<lb/>
verro&#x017F;teten Federn in den Gang zu bringen,<lb/>
wenn er in den Fall ko&#x0364;mmt, &#x017F;einer natu&#x0364;rlichen<lb/>
Kra&#x0364;fte zu bedu&#x0364;rfen. Wer &#x017F;ein Gemu&#x0364;th ohne<lb/>
Unterlaß dem Sturme der Leiden&#x017F;chaften preis¬<lb/>
giebt, oder die Seegel &#x017F;eines Gei&#x017F;tes unaufho&#x0364;<lb/>
lich &#x017F;pannt; der rennt auf den Strand, oder<lb/>
muß mit abgenutztem Feuerzeuge nach Hau&#x017F;e<lb/>
lavieren, wenn grade die be&#x017F;te Jahrszeit zu neuen<lb/>
Entdeckungen eintritt. Wer aber die Faculta&#x0364;¬<lb/>
ten &#x017F;eines Ver&#x017F;tandes und Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;es immer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chlum¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0324] Du Dich weder durch Mishandlung erbitterſt und niederdruͤckeſt, noch durch Vernachlaͤſſigung zuruͤckſetzeſt, noch durch Schmeicheley verderbeſt. 4. Sorge fuͤr die Geſundheit Deines Leibes und Deiner Seele; aber verzaͤrtele beyde nicht! Wer auf ſeinen Coͤrper losſtuͤrmt; der verſchwen¬ det ein Gut, welches oft allein hinreicht, ihn uͤber Menſchen und Schickſal zu erheben, und ohne welches alle Schaͤtze der Erde eitle Bettel- Waare ſind. Wer aber jedes Luͤftchen fuͤrchtet, und jede Anſtrengung und Uebung ſeiner Glie¬ der ſcheuet; der lebt ein aͤngſtliches, nervenloſes Auſter-Leben, und verſucht es vergeblich, die verroſteten Federn in den Gang zu bringen, wenn er in den Fall koͤmmt, ſeiner natuͤrlichen Kraͤfte zu beduͤrfen. Wer ſein Gemuͤth ohne Unterlaß dem Sturme der Leidenſchaften preis¬ giebt, oder die Seegel ſeines Geiſtes unaufhoͤr¬ lich ſpannt; der rennt auf den Strand, oder muß mit abgenutztem Feuerzeuge nach Hauſe lavieren, wenn grade die beſte Jahrszeit zu neuen Entdeckungen eintritt. Wer aber die Facultaͤ¬ ten ſeines Verſtandes und Gedaͤchtniſſes immer ſchlum¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/324
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/324>, abgerufen am 21.11.2024.