darf nie so weit gehn, daß die Rechenschaft, so wir einstens von unsrer goldenen Zeit und von der Obliegenheit uns zu vervollkommnen geben sollen, dabey Gefahr laufe.
14.
In volkreichen, großen Städten kann man am aller unbemerktesten und ganz nach seiner Neigung leben; da fallen eine Menge kleiner Rücksichten weg; Man wird nicht so ausgespä¬ het, controllirt, beobachtet; Es laufen nicht so aus Mund in Mund die intressanten Nachrich¬ ten: wie vielmal in der Woche ich Braten esse, ob ich oft oder selten ausgehe, und wohin; wer zu mir kömmt, wie stark der Lohn ist, den ich meiner Köchinn gebe, und ob ich kürzlich mit ihr geschmählt habe? Meine Kleidung wird nicht gemustert; Man frägt nicht in jedem Kra¬ mer-Hause meine Magd, wenn sie vor vier Pfennige Pfeffer holt, für wen der Pfeffer ist, und wozu der Pfeffer gebraucht werden soll; Eine unbedeutende Annecdote beschäftigt da nicht sechs Wochen lang alle Zungen; Man wandelt ohnbemerkt, friedenvoll und ungeneckt durch den großen Haufen hin, besorgt seine Ge¬
schäfte
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darf nie ſo weit gehn, daß die Rechenſchaft, ſo wir einſtens von unſrer goldenen Zeit und von der Obliegenheit uns zu vervollkommnen geben ſollen, dabey Gefahr laufe.
14.
In volkreichen, großen Staͤdten kann man am aller unbemerkteſten und ganz nach ſeiner Neigung leben; da fallen eine Menge kleiner Ruͤckſichten weg; Man wird nicht ſo ausgeſpaͤ¬ het, controllirt, beobachtet; Es laufen nicht ſo aus Mund in Mund die intreſſanten Nachrich¬ ten: wie vielmal in der Woche ich Braten eſſe, ob ich oft oder ſelten ausgehe, und wohin; wer zu mir koͤmmt, wie ſtark der Lohn iſt, den ich meiner Koͤchinn gebe, und ob ich kuͤrzlich mit ihr geſchmaͤhlt habe? Meine Kleidung wird nicht gemuſtert; Man fraͤgt nicht in jedem Kra¬ mer-Hauſe meine Magd, wenn ſie vor vier Pfennige Pfeffer holt, fuͤr wen der Pfeffer iſt, und wozu der Pfeffer gebraucht werden ſoll; Eine unbedeutende Annecdote beſchaͤftigt da nicht ſechs Wochen lang alle Zungen; Man wandelt ohnbemerkt, friedenvoll und ungeneckt durch den großen Haufen hin, beſorgt ſeine Ge¬
ſchaͤfte
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darf nie ſo weit gehn, daß die Rechenſchaft, ſo
wir einſtens von unſrer goldenen Zeit und von
der Obliegenheit uns zu vervollkommnen geben
ſollen, dabey Gefahr laufe.
14.
In volkreichen, großen Staͤdten kann man
am aller unbemerkteſten und ganz nach ſeiner
Neigung leben; da fallen eine Menge kleiner
Ruͤckſichten weg; Man wird nicht ſo ausgeſpaͤ¬
het, controllirt, beobachtet; Es laufen nicht ſo
aus Mund in Mund die intreſſanten Nachrich¬
ten: wie vielmal in der Woche ich Braten eſſe,
ob ich oft oder ſelten ausgehe, und wohin; wer
zu mir koͤmmt, wie ſtark der Lohn iſt, den ich
meiner Koͤchinn gebe, und ob ich kuͤrzlich mit
ihr geſchmaͤhlt habe? Meine Kleidung wird
nicht gemuſtert; Man fraͤgt nicht in jedem Kra¬
mer-Hauſe meine Magd, wenn ſie vor vier
Pfennige Pfeffer holt, fuͤr wen der Pfeffer iſt,
und wozu der Pfeffer gebraucht werden ſoll;
Eine unbedeutende Annecdote beſchaͤftigt da
nicht ſechs Wochen lang alle Zungen; Man
wandelt ohnbemerkt, friedenvoll und ungeneckt
durch den großen Haufen hin, beſorgt ſeine Ge¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/81>, abgerufen am 22.02.2025.
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