druck dessen ist, was in unsrer Seele vorgeht, und auf diese Weise wird uns ja die Trennung von geliebten Personen erträglich.
15.
Man sieht zuweilen Menschen eben so eifersüchtig in der Freundschaft, wie in der Liebe seyn. Das zeugt mehr von einer neidischen als von einer zärtlichen Gemüthsart. Freuen soll es uns, wenn auch andre Leute den Werth Dessen zu schätzen wissen, der uns theuer ist; Freuen soll es uns, wenn unser Liebling noch ausser uns gute Seelen findet, denen er sich mittheilen, in deren Gemeinschaft er reine Wonne schmecken kann. Er wird darum nicht blind gegen unsre Vorzüge, nicht undankbar gegen uns werden -- und würden wir denn dadurch mehr innern Werth bekommen, wenn wir ihm die Augen über die Vortrefflichkeiten Andrer zuhielten?
16.
Alles, was Deinem Freunde angehört, sein Vermögen, sein bürgerliches Glück, seine Gesundheit, sein Ruf, die Ehre seines Wei¬ bes, die Unschuld und Bildung seiner Kinder
-- das
druck deſſen iſt, was in unſrer Seele vorgeht, und auf dieſe Weiſe wird uns ja die Trennung von geliebten Perſonen ertraͤglich.
15.
Man ſieht zuweilen Menſchen eben ſo eiferſuͤchtig in der Freundſchaft, wie in der Liebe ſeyn. Das zeugt mehr von einer neidiſchen als von einer zaͤrtlichen Gemuͤthsart. Freuen ſoll es uns, wenn auch andre Leute den Werth Deſſen zu ſchaͤtzen wiſſen, der uns theuer iſt; Freuen ſoll es uns, wenn unſer Liebling noch auſſer uns gute Seelen findet, denen er ſich mittheilen, in deren Gemeinſchaft er reine Wonne ſchmecken kann. Er wird darum nicht blind gegen unſre Vorzuͤge, nicht undankbar gegen uns werden — und wuͤrden wir denn dadurch mehr innern Werth bekommen, wenn wir ihm die Augen uͤber die Vortrefflichkeiten Andrer zuhielten?
16.
Alles, was Deinem Freunde angehoͤrt, ſein Vermoͤgen, ſein buͤrgerliches Gluͤck, ſeine Geſundheit, ſein Ruf, die Ehre ſeines Wei¬ bes, die Unſchuld und Bildung ſeiner Kinder
— das
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druck deſſen iſt, was in unſrer Seele vorgeht,
und auf dieſe Weiſe wird uns ja die Trennung
von geliebten Perſonen ertraͤglich.
15.
Man ſieht zuweilen Menſchen eben ſo
eiferſuͤchtig in der Freundſchaft, wie in der Liebe
ſeyn. Das zeugt mehr von einer neidiſchen
als von einer zaͤrtlichen Gemuͤthsart. Freuen
ſoll es uns, wenn auch andre Leute den Werth
Deſſen zu ſchaͤtzen wiſſen, der uns theuer iſt;
Freuen ſoll es uns, wenn unſer Liebling noch
auſſer uns gute Seelen findet, denen er ſich
mittheilen, in deren Gemeinſchaft er reine
Wonne ſchmecken kann. Er wird darum nicht
blind gegen unſre Vorzuͤge, nicht undankbar
gegen uns werden — und wuͤrden wir denn
dadurch mehr innern Werth bekommen, wenn
wir ihm die Augen uͤber die Vortrefflichkeiten
Andrer zuhielten?
16.
Alles, was Deinem Freunde angehoͤrt,
ſein Vermoͤgen, ſein buͤrgerliches Gluͤck, ſeine
Geſundheit, ſein Ruf, die Ehre ſeines Wei¬
bes, die Unſchuld und Bildung ſeiner Kinder
— das
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/284>, abgerufen am 22.02.2025.
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