Es ist traurig genug, daß der größte Theil des Menschengeschlechts durch Schwäche, Armuth, Gewalt und andre Umstände gezwungen ist, dem kleinern zu Gebothe zu stehn, und daß oft der Bessere den Winken des Schlechtern gehor¬ chen muß. Was ist daher billiger, als daß Die, denen das Schicksal die Gewalt in die Hände gegeben hat, ihren Nebenmenschen das Leben süß und das Joch erträglicher zu machen, diese glückliche Lage nicht ohngenützt lassen?
2.
Wahr ist es aber auch, daß die mehrsten Menschen zur Sclaverey gebohren, daß edle, wahrhaftig große Gesinnungen und Gefühle hingegen nur das Erbtheil einer unbeträchtli¬ chen Anzahl zu seyn scheinen. Lasset uns in¬
dessen
O
Achtes Capittel.
Ueber die Verhaͤltniſſe zwiſchen Herrn und Diener.
1.
Es iſt traurig genug, daß der groͤßte Theil des Menſchengeſchlechts durch Schwaͤche, Armuth, Gewalt und andre Umſtaͤnde gezwungen iſt, dem kleinern zu Gebothe zu ſtehn, und daß oft der Beſſere den Winken des Schlechtern gehor¬ chen muß. Was iſt daher billiger, als daß Die, denen das Schickſal die Gewalt in die Haͤnde gegeben hat, ihren Nebenmenſchen das Leben ſuͤß und das Joch ertraͤglicher zu machen, dieſe gluͤckliche Lage nicht ohngenuͤtzt laſſen?
2.
Wahr iſt es aber auch, daß die mehrſten Menſchen zur Sclaverey gebohren, daß edle, wahrhaftig große Geſinnungen und Gefuͤhle hingegen nur das Erbtheil einer unbetraͤchtli¬ chen Anzahl zu ſeyn ſcheinen. Laſſet uns in¬
deſſen
O
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Achtes Capittel.
Ueber die Verhaͤltniſſe zwiſchen Herrn
und Diener.
1.
Es iſt traurig genug, daß der groͤßte Theil des
Menſchengeſchlechts durch Schwaͤche, Armuth,
Gewalt und andre Umſtaͤnde gezwungen iſt,
dem kleinern zu Gebothe zu ſtehn, und daß oft
der Beſſere den Winken des Schlechtern gehor¬
chen muß. Was iſt daher billiger, als daß Die,
denen das Schickſal die Gewalt in die Haͤnde
gegeben hat, ihren Nebenmenſchen das Leben
ſuͤß und das Joch ertraͤglicher zu machen, dieſe
gluͤckliche Lage nicht ohngenuͤtzt laſſen?
2.
Wahr iſt es aber auch, daß die mehrſten
Menſchen zur Sclaverey gebohren, daß edle,
wahrhaftig große Geſinnungen und Gefuͤhle
hingegen nur das Erbtheil einer unbetraͤchtli¬
chen Anzahl zu ſeyn ſcheinen. Laſſet uns in¬
deſſen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/239>, abgerufen am 22.02.2025.
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