Ich schweige von der Vorsichtigkeit im Um¬ gange mit alten Coketten; mit Solchen, die sich einbilden, die Ansprüche auf Bewunde¬ rung, auf Huldigung und die Gewalt ihrer Schönheit würden, wie die gesetzmäßigen Rechte der Juristen, durch dreißigjährigen Besitz um desto sichrer; die in fünf Jahren nur einmal ihren Geburtstag feyern, und die, wenn sie an der Spitze einer Bücher-Censur stünden, am ersten den Calender confiscieren würden. Ich schweige von den Prüden, Strengen, Sprö¬ den und Bethschwestern, mit welchen man zu¬ weilen, wie ich höre, unter vier Augen ganz anders als in Gesellschaft umgehn darf, und von denen leichtfertige Leute behaupten, ver¬ schwiegene und kühne Männer machten bey dieser Classe grade am leichtesten ihr Glück. Ich schweige von den sogenannten alten Ge¬ vatterinnen und Frauen Baasen, die sich's zur christlichen Pflicht machen, den Ruf ihrer Nach¬ barn und Bekannten von Zeit zu Zeit an die Sonne zu ziehn, und mit denen man es da¬ her nicht verderben darf -- Ich schweige von diesen Allen, um die guten Damen nicht gegen
mich
19.
Ich ſchweige von der Vorſichtigkeit im Um¬ gange mit alten Coketten; mit Solchen, die ſich einbilden, die Anſpruͤche auf Bewunde¬ rung, auf Huldigung und die Gewalt ihrer Schoͤnheit wuͤrden, wie die geſetzmaͤßigen Rechte der Juriſten, durch dreißigjaͤhrigen Beſitz um deſto ſichrer; die in fuͤnf Jahren nur einmal ihren Geburtstag feyern, und die, wenn ſie an der Spitze einer Buͤcher-Cenſur ſtuͤnden, am erſten den Calender confiſcieren wuͤrden. Ich ſchweige von den Pruͤden, Strengen, Sproͤ¬ den und Bethſchweſtern, mit welchen man zu¬ weilen, wie ich hoͤre, unter vier Augen ganz anders als in Geſellſchaft umgehn darf, und von denen leichtfertige Leute behaupten, ver¬ ſchwiegene und kuͤhne Maͤnner machten bey dieſer Claſſe grade am leichteſten ihr Gluͤck. Ich ſchweige von den ſogenannten alten Ge¬ vatterinnen und Frauen Baaſen, die ſich's zur chriſtlichen Pflicht machen, den Ruf ihrer Nach¬ barn und Bekannten von Zeit zu Zeit an die Sonne zu ziehn, und mit denen man es da¬ her nicht verderben darf — Ich ſchweige von dieſen Allen, um die guten Damen nicht gegen
mich
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19.
Ich ſchweige von der Vorſichtigkeit im Um¬
gange mit alten Coketten; mit Solchen, die
ſich einbilden, die Anſpruͤche auf Bewunde¬
rung, auf Huldigung und die Gewalt ihrer
Schoͤnheit wuͤrden, wie die geſetzmaͤßigen Rechte
der Juriſten, durch dreißigjaͤhrigen Beſitz um
deſto ſichrer; die in fuͤnf Jahren nur einmal
ihren Geburtstag feyern, und die, wenn ſie
an der Spitze einer Buͤcher-Cenſur ſtuͤnden,
am erſten den Calender confiſcieren wuͤrden.
Ich ſchweige von den Pruͤden, Strengen, Sproͤ¬
den und Bethſchweſtern, mit welchen man zu¬
weilen, wie ich hoͤre, unter vier Augen ganz
anders als in Geſellſchaft umgehn darf, und
von denen leichtfertige Leute behaupten, ver¬
ſchwiegene und kuͤhne Maͤnner machten bey
dieſer Claſſe grade am leichteſten ihr Gluͤck.
Ich ſchweige von den ſogenannten alten Ge¬
vatterinnen und Frauen Baaſen, die ſich's zur
chriſtlichen Pflicht machen, den Ruf ihrer Nach¬
barn und Bekannten von Zeit zu Zeit an die
Sonne zu ziehn, und mit denen man es da¬
her nicht verderben darf — Ich ſchweige von
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/230>, abgerufen am 20.12.2024.
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