Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

merliche Mordgeschichten zu hören -- Gegen¬
stände, denen sich der weniger weichliche Mann
nicht ohne Widerwillen gegenüber sieht. Des¬
wegen sind ihnen auch diejenigen Romanen
und Schauspiele größtentheils die angenehm¬
sten, in welchen Abentheuer ohne Ende, uner¬
wartete Begebenheiten in Menge und Gräuel
auf Gräuel gehäuft sind. Deswegen forschen
die Schlimmern unter ihnen so gern nach frem¬
den Geheimnissen, und spähen die Handlungen
ihrer Nachbarn aus, wenn auch nicht immer
Bosheit, Neid und Schadenfreude zum Grunde
liegen.

10.

Auch die edelsten Weiber haben mehr ab¬
wechselnde Launen, sind weniger gleichgestimmt
zu allen Zeiten, als wir Männer. Reizbarere
Nerven, die leichter zu allerley Gemüthsbe¬
wegungen in Schwingung zu bringen sind, und
ein schwächerer Cörperbau, der manchen unbe¬
haglichen Gefühlen ausgesetzt ist, die wir gar
nicht kennen, sind Schuld daran. Wundert
Euch daher nicht, meine Freunde! wenn Ihr
nicht jeden Tag den nemlichen Grad von Theil¬

neh¬
M 4

merliche Mordgeſchichten zu hoͤren — Gegen¬
ſtaͤnde, denen ſich der weniger weichliche Mann
nicht ohne Widerwillen gegenuͤber ſieht. Des¬
wegen ſind ihnen auch diejenigen Romanen
und Schauſpiele groͤßtentheils die angenehm¬
ſten, in welchen Abentheuer ohne Ende, uner¬
wartete Begebenheiten in Menge und Graͤuel
auf Graͤuel gehaͤuft ſind. Deswegen forſchen
die Schlimmern unter ihnen ſo gern nach frem¬
den Geheimniſſen, und ſpaͤhen die Handlungen
ihrer Nachbarn aus, wenn auch nicht immer
Bosheit, Neid und Schadenfreude zum Grunde
liegen.

10.

Auch die edelſten Weiber haben mehr ab¬
wechſelnde Launen, ſind weniger gleichgeſtimmt
zu allen Zeiten, als wir Maͤnner. Reizbarere
Nerven, die leichter zu allerley Gemuͤthsbe¬
wegungen in Schwingung zu bringen ſind, und
ein ſchwaͤcherer Coͤrperbau, der manchen unbe¬
haglichen Gefuͤhlen ausgeſetzt iſt, die wir gar
nicht kennen, ſind Schuld daran. Wundert
Euch daher nicht, meine Freunde! wenn Ihr
nicht jeden Tag den nemlichen Grad von Theil¬

neh¬
M 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0213" n="183"/>
merliche Mordge&#x017F;chichten zu ho&#x0364;ren &#x2014; Gegen¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde, denen &#x017F;ich der weniger weichliche Mann<lb/>
nicht ohne Widerwillen gegenu&#x0364;ber &#x017F;ieht. Des¬<lb/>
wegen &#x017F;ind ihnen auch diejenigen Romanen<lb/>
und Schau&#x017F;piele gro&#x0364;ßtentheils die angenehm¬<lb/>
&#x017F;ten, in welchen Abentheuer ohne Ende, uner¬<lb/>
wartete Begebenheiten in Menge und Gra&#x0364;uel<lb/>
auf Gra&#x0364;uel geha&#x0364;uft &#x017F;ind. Deswegen for&#x017F;chen<lb/>
die Schlimmern unter ihnen &#x017F;o gern nach frem¬<lb/>
den Geheimni&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;pa&#x0364;hen die Handlungen<lb/>
ihrer Nachbarn aus, wenn auch nicht immer<lb/>
Bosheit, Neid und Schadenfreude zum Grunde<lb/>
liegen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>10.<lb/></head>
            <p>Auch die edel&#x017F;ten Weiber haben mehr ab¬<lb/>
wech&#x017F;elnde Launen, &#x017F;ind weniger gleichge&#x017F;timmt<lb/>
zu allen Zeiten, als wir Ma&#x0364;nner. Reizbarere<lb/>
Nerven, die leichter zu allerley Gemu&#x0364;thsbe¬<lb/>
wegungen in Schwingung zu bringen &#x017F;ind, und<lb/>
ein &#x017F;chwa&#x0364;cherer Co&#x0364;rperbau, der manchen unbe¬<lb/>
haglichen Gefu&#x0364;hlen ausge&#x017F;etzt i&#x017F;t, die wir gar<lb/>
nicht kennen, &#x017F;ind Schuld daran. Wundert<lb/>
Euch daher nicht, meine Freunde! wenn Ihr<lb/>
nicht jeden Tag den nemlichen Grad von Theil¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">neh¬<lb/></fw> <fw place="bottom" type="sig">M 4<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0213] merliche Mordgeſchichten zu hoͤren — Gegen¬ ſtaͤnde, denen ſich der weniger weichliche Mann nicht ohne Widerwillen gegenuͤber ſieht. Des¬ wegen ſind ihnen auch diejenigen Romanen und Schauſpiele groͤßtentheils die angenehm¬ ſten, in welchen Abentheuer ohne Ende, uner¬ wartete Begebenheiten in Menge und Graͤuel auf Graͤuel gehaͤuft ſind. Deswegen forſchen die Schlimmern unter ihnen ſo gern nach frem¬ den Geheimniſſen, und ſpaͤhen die Handlungen ihrer Nachbarn aus, wenn auch nicht immer Bosheit, Neid und Schadenfreude zum Grunde liegen. 10. Auch die edelſten Weiber haben mehr ab¬ wechſelnde Launen, ſind weniger gleichgeſtimmt zu allen Zeiten, als wir Maͤnner. Reizbarere Nerven, die leichter zu allerley Gemuͤthsbe¬ wegungen in Schwingung zu bringen ſind, und ein ſchwaͤcherer Coͤrperbau, der manchen unbe¬ haglichen Gefuͤhlen ausgeſetzt iſt, die wir gar nicht kennen, ſind Schuld daran. Wundert Euch daher nicht, meine Freunde! wenn Ihr nicht jeden Tag den nemlichen Grad von Theil¬ neh¬ M 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/213
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/213>, abgerufen am 20.12.2024.