kurz! um alles, was Kopf und Herz beschäf¬ tigt, zu theilen, sich nach fremden Mitgenos¬ sen umsehn muß. Traurig ist es, wenn ein phlegmatisches Geschöpf zu jedem geistreichen Tropfen, den uns die süße Phantasie einschenkt, Wasser giesst, uns aus jeder seligen Täuschung unsanft aufweckt, unsre wärmsten Gespräche mit Plattitüden beantwortet, und auf unsre schönsten Pflanzungen mit schweren Tatzen her¬ untertrampelt -- Was ist aber in solchen La¬ gen zu thun? Vor allen Dingen Hiobs Spe¬ cificum gebraucht! Nicht lange moralisiert, wo keine Besserung zu hoffen ist; geschwiegen, wenn man doch nicht verstanden wird; und dann die Gelegenheit vermieden, Scenen zu veranlassen, wodurch wir zu arg entrüstet, oder gekränkt, oder durch die Dummheit des Wei¬ bes öffentlich beschimpft würden! -- so kann man denn doch wenigstens negativ so ziemlich glücklich seyn.
19.
Wie aber, wenn das Schicksal oder ei¬ gene Torheit uns auf ewig an ein Geschöpf gekettet hat, das, mit großen moralischen Ge¬
brechen,
kurz! um alles, was Kopf und Herz beſchaͤf¬ tigt, zu theilen, ſich nach fremden Mitgenoſ¬ ſen umſehn muß. Traurig iſt es, wenn ein phlegmatiſches Geſchoͤpf zu jedem geiſtreichen Tropfen, den uns die ſuͤße Phantaſie einſchenkt, Waſſer gieſſt, uns aus jeder ſeligen Taͤuſchung unſanft aufweckt, unſre waͤrmſten Geſpraͤche mit Plattituͤden beantwortet, und auf unſre ſchoͤnſten Pflanzungen mit ſchweren Tatzen her¬ untertrampelt — Was iſt aber in ſolchen La¬ gen zu thun? Vor allen Dingen Hiobs Spe¬ cificum gebraucht! Nicht lange moraliſiert, wo keine Beſſerung zu hoffen iſt; geſchwiegen, wenn man doch nicht verſtanden wird; und dann die Gelegenheit vermieden, Scenen zu veranlaſſen, wodurch wir zu arg entruͤſtet, oder gekraͤnkt, oder durch die Dummheit des Wei¬ bes oͤffentlich beſchimpft wuͤrden! — ſo kann man denn doch wenigſtens negativ ſo ziemlich gluͤcklich ſeyn.
19.
Wie aber, wenn das Schickſal oder ei¬ gene Torheit uns auf ewig an ein Geſchoͤpf gekettet hat, das, mit großen moraliſchen Ge¬
brechen,
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kurz! um alles, was Kopf und Herz beſchaͤf¬
tigt, zu theilen, ſich nach fremden Mitgenoſ¬
ſen umſehn muß. Traurig iſt es, wenn ein
phlegmatiſches Geſchoͤpf zu jedem geiſtreichen
Tropfen, den uns die ſuͤße Phantaſie einſchenkt,
Waſſer gieſſt, uns aus jeder ſeligen Taͤuſchung
unſanft aufweckt, unſre waͤrmſten Geſpraͤche
mit Plattituͤden beantwortet, und auf unſre
ſchoͤnſten Pflanzungen mit ſchweren Tatzen her¬
untertrampelt — Was iſt aber in ſolchen La¬
gen zu thun? Vor allen Dingen Hiobs Spe¬
cificum gebraucht! Nicht lange moraliſiert,
wo keine Beſſerung zu hoffen iſt; geſchwiegen,
wenn man doch nicht verſtanden wird; und
dann die Gelegenheit vermieden, Scenen zu
veranlaſſen, wodurch wir zu arg entruͤſtet, oder
gekraͤnkt, oder durch die Dummheit des Wei¬
bes oͤffentlich beſchimpft wuͤrden! — ſo kann
man denn doch wenigſtens negativ ſo ziemlich
gluͤcklich ſeyn.
19.
Wie aber, wenn das Schickſal oder ei¬
gene Torheit uns auf ewig an ein Geſchoͤpf
gekettet hat, das, mit großen moraliſchen Ge¬
brechen,
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/182>, abgerufen am 22.02.2025.
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