Vertraulichkeit diesen Reiz der Neuheit zu geben, zuweilen kleine Hindernisse in den Weg zu legen, oder durch Enthaltsamkeit, Entfernung u. d. gl. das Verlangen darnach zu vermehren. In weiter fortrückenden Jahren fällt denn auch dieser Vorwitz so ziemlich weg, denn da werden ja die Triebe bescheidener und leichter von der Vernunft zu regieren, man müsste denn sie muthwilliger Weise reizen.
11.
In der Ehe soll gegenseitiges uneinge¬ schränktes Zutrauen, soll Offenherzigkeit Statt finden. Kann denn aber gar kein Fall eintre¬ ten, wo Einer vor dem Andern Geheimnisse bewahren dürfte? O ja! gewiß! Freylich, da der Mann von der Natur bestimmt ist, der Rathgeber seines Weibes, das Haupt der Fa¬ milie zu seyn; da die Folgen jedes übereilten Schrittes der Gattinn auf ihn fallen; da der Staat sich nur an ihn hält; da die Frau eigent¬ lich gar keine Person in der bürgerlichen Ge¬ sellschaft ausmacht; da die Verletzung der Pflichten von ihrer Seite schwer auf ihm liegt, und die Familie weit unmittelbarer beschimpft
und
Vertraulichkeit dieſen Reiz der Neuheit zu geben, zuweilen kleine Hinderniſſe in den Weg zu legen, oder durch Enthaltſamkeit, Entfernung u. d. gl. das Verlangen darnach zu vermehren. In weiter fortruͤckenden Jahren faͤllt denn auch dieſer Vorwitz ſo ziemlich weg, denn da werden ja die Triebe beſcheidener und leichter von der Vernunft zu regieren, man muͤſſte denn ſie muthwilliger Weiſe reizen.
11.
In der Ehe ſoll gegenſeitiges uneinge¬ ſchraͤnktes Zutrauen, ſoll Offenherzigkeit Statt finden. Kann denn aber gar kein Fall eintre¬ ten, wo Einer vor dem Andern Geheimniſſe bewahren duͤrfte? O ja! gewiß! Freylich, da der Mann von der Natur beſtimmt iſt, der Rathgeber ſeines Weibes, das Haupt der Fa¬ milie zu ſeyn; da die Folgen jedes uͤbereilten Schrittes der Gattinn auf ihn fallen; da der Staat ſich nur an ihn haͤlt; da die Frau eigent¬ lich gar keine Perſon in der buͤrgerlichen Ge¬ ſellſchaft ausmacht; da die Verletzung der Pflichten von ihrer Seite ſchwer auf ihm liegt, und die Familie weit unmittelbarer beſchimpft
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Vertraulichkeit dieſen Reiz der Neuheit zu geben,
zuweilen kleine Hinderniſſe in den Weg zu legen,
oder durch Enthaltſamkeit, Entfernung u. d. gl.
das Verlangen darnach zu vermehren. In
weiter fortruͤckenden Jahren faͤllt denn auch
dieſer Vorwitz ſo ziemlich weg, denn da werden
ja die Triebe beſcheidener und leichter von der
Vernunft zu regieren, man muͤſſte denn ſie
muthwilliger Weiſe reizen.
11.
In der Ehe ſoll gegenſeitiges uneinge¬
ſchraͤnktes Zutrauen, ſoll Offenherzigkeit Statt
finden. Kann denn aber gar kein Fall eintre¬
ten, wo Einer vor dem Andern Geheimniſſe
bewahren duͤrfte? O ja! gewiß! Freylich, da
der Mann von der Natur beſtimmt iſt, der
Rathgeber ſeines Weibes, das Haupt der Fa¬
milie zu ſeyn; da die Folgen jedes uͤbereilten
Schrittes der Gattinn auf ihn fallen; da der
Staat ſich nur an ihn haͤlt; da die Frau eigent¬
lich gar keine Perſon in der buͤrgerlichen Ge¬
ſellſchaft ausmacht; da die Verletzung der
Pflichten von ihrer Seite ſchwer auf ihm liegt,
und die Familie weit unmittelbarer beſchimpft
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/166>, abgerufen am 20.12.2024.
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