heit und Abneigung die Ehe verbittern, wenn nicht freye Wahl, sondern politische, ökonomi¬ sche Rücksichten, Zwang, Verzweiflung, Noth, Dankbarkeit, depit amoureux, ein Ohngefehr, eine Grille, oder nur cörperliches Bedürfniß, wobey das Herz nicht war, dieselbe geknüpft hat, wenn der eine Theil immer nur empfan¬ gen, nie geben will, unaufhörlich fordert, Be¬ friedigung aller Bedürfnisse, Hülfe, Rath, Aufmerksamkeit, Unterhaltung, Vergnügen, Trost im Leiden fordert -- und dagegen nichts leistet. Wähle also mit Vorsicht die Gefähr¬ thinn Deines Lebens, wenn Deine künftige häusliche Glückseligkeit nicht ein Spiel des Zu¬ falls seyn soll!
2.
Ueberlegt man aber, daß gewöhnlich auch diejenigen Ehen, welche auf eigene Wahl be¬ ruhen, in einem Alter und unter Umständen geschlossen werden, wo weniger reife Ueber¬ legung und Vernunft, als blinde Leidenschaft und Naturtrieb diese Wahl bestimmen, obgleich man in dieser Verblendung wohl sehr viel von Sympathie und Herzenshange träumt und
schwätzt;
H 2
heit und Abneigung die Ehe verbittern, wenn nicht freye Wahl, ſondern politiſche, oͤkonomi¬ ſche Ruͤckſichten, Zwang, Verzweiflung, Noth, Dankbarkeit, dépit amoureux, ein Ohngefehr, eine Grille, oder nur coͤrperliches Beduͤrfniß, wobey das Herz nicht war, dieſelbe geknuͤpft hat, wenn der eine Theil immer nur empfan¬ gen, nie geben will, unaufhoͤrlich fordert, Be¬ friedigung aller Beduͤrfniſſe, Huͤlfe, Rath, Aufmerkſamkeit, Unterhaltung, Vergnuͤgen, Troſt im Leiden fordert — und dagegen nichts leiſtet. Waͤhle alſo mit Vorſicht die Gefaͤhr¬ thinn Deines Lebens, wenn Deine kuͤnftige haͤusliche Gluͤckſeligkeit nicht ein Spiel des Zu¬ falls ſeyn ſoll!
2.
Ueberlegt man aber, daß gewoͤhnlich auch diejenigen Ehen, welche auf eigene Wahl be¬ ruhen, in einem Alter und unter Umſtaͤnden geſchloſſen werden, wo weniger reife Ueber¬ legung und Vernunft, als blinde Leidenſchaft und Naturtrieb dieſe Wahl beſtimmen, obgleich man in dieſer Verblendung wohl ſehr viel von Sympathie und Herzenshange traͤumt und
ſchwaͤtzt;
H 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0145"n="115"/>
heit und Abneigung die Ehe verbittern, wenn<lb/>
nicht freye Wahl, ſondern politiſche, oͤkonomi¬<lb/>ſche Ruͤckſichten, Zwang, Verzweiflung, Noth,<lb/>
Dankbarkeit, <hirendition="#aq">dépit amoureux</hi>, ein Ohngefehr,<lb/>
eine Grille, oder nur coͤrperliches Beduͤrfniß,<lb/>
wobey das Herz nicht war, dieſelbe geknuͤpft<lb/>
hat, wenn der eine Theil immer nur empfan¬<lb/>
gen, nie geben will, unaufhoͤrlich fordert, Be¬<lb/>
friedigung aller Beduͤrfniſſe, Huͤlfe, Rath,<lb/>
Aufmerkſamkeit, Unterhaltung, Vergnuͤgen,<lb/>
Troſt im Leiden fordert — und dagegen nichts<lb/>
leiſtet. Waͤhle alſo mit Vorſicht die Gefaͤhr¬<lb/>
thinn Deines Lebens, wenn Deine kuͤnftige<lb/>
haͤusliche Gluͤckſeligkeit nicht ein Spiel des Zu¬<lb/>
falls ſeyn ſoll!</p><lb/></div><divn="3"><head>2.<lb/></head><p>Ueberlegt man aber, daß gewoͤhnlich auch<lb/>
diejenigen Ehen, welche auf eigene Wahl be¬<lb/>
ruhen, in einem Alter und unter Umſtaͤnden<lb/>
geſchloſſen werden, wo weniger reife Ueber¬<lb/>
legung und Vernunft, als blinde Leidenſchaft<lb/>
und Naturtrieb dieſe Wahl beſtimmen, obgleich<lb/>
man in dieſer Verblendung wohl ſehr viel von<lb/>
Sympathie und Herzenshange traͤumt und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchwaͤtzt;<lb/></fw><fwplace="bottom"type="sig">H 2<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[115/0145]
heit und Abneigung die Ehe verbittern, wenn
nicht freye Wahl, ſondern politiſche, oͤkonomi¬
ſche Ruͤckſichten, Zwang, Verzweiflung, Noth,
Dankbarkeit, dépit amoureux, ein Ohngefehr,
eine Grille, oder nur coͤrperliches Beduͤrfniß,
wobey das Herz nicht war, dieſelbe geknuͤpft
hat, wenn der eine Theil immer nur empfan¬
gen, nie geben will, unaufhoͤrlich fordert, Be¬
friedigung aller Beduͤrfniſſe, Huͤlfe, Rath,
Aufmerkſamkeit, Unterhaltung, Vergnuͤgen,
Troſt im Leiden fordert — und dagegen nichts
leiſtet. Waͤhle alſo mit Vorſicht die Gefaͤhr¬
thinn Deines Lebens, wenn Deine kuͤnftige
haͤusliche Gluͤckſeligkeit nicht ein Spiel des Zu¬
falls ſeyn ſoll!
2.
Ueberlegt man aber, daß gewoͤhnlich auch
diejenigen Ehen, welche auf eigene Wahl be¬
ruhen, in einem Alter und unter Umſtaͤnden
geſchloſſen werden, wo weniger reife Ueber¬
legung und Vernunft, als blinde Leidenſchaft
und Naturtrieb dieſe Wahl beſtimmen, obgleich
man in dieſer Verblendung wohl ſehr viel von
Sympathie und Herzenshange traͤumt und
ſchwaͤtzt;
H 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/145>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.