lichkeit aufmuntert. Ich bin als Jüngling mit so liebenswürdigen alten Damen umgegangen, daß ich wahrlich, wenn ich die Wahl gehabt hätte, an ihrer Seite lieber mein Leben hingebracht ha¬ ben würde, als bey manchen hübschen, jungen Mädgen; und wenn bey großen Tafeln mich als einen jungen Menschen die Reyhe traf, neben ei¬ ner dummen Schönheit Platz zu nehmen; so habe ich oft den Mann beneidet, dem sein Rang ein Recht gab, der Nachbar einer verständigen, mun¬ tern alten Frau zu seyn.
3.
So schön aber diese gutmüthige Herablas¬ sung zu der Stimmung der Jugend ist; so lächer¬ lich muß es uns vorkommen, wenn ein Greis so sehr Würde und Anstand verleugnet, daß er in Gesellschaft den Stutzer oder den lustigen Stu¬ denten spielt, wenn die Dame ihre vier Lustra vergisst, sich wie ein junges Mädchen kleidet, herausputzt, cockettirt, die alten Gliedmaßen beym englischen Tanze durch einander wirft, oder gar andern Generationen Eroberungen streitig machen will. Solche Scenen würken Verach¬ tung; Nie müssen Personen von gewissen Jah¬
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lichkeit aufmuntert. Ich bin als Juͤngling mit ſo liebenswuͤrdigen alten Damen umgegangen, daß ich wahrlich, wenn ich die Wahl gehabt haͤtte, an ihrer Seite lieber mein Leben hingebracht ha¬ ben wuͤrde, als bey manchen huͤbſchen, jungen Maͤdgen; und wenn bey großen Tafeln mich als einen jungen Menſchen die Reyhe traf, neben ei¬ ner dummen Schoͤnheit Platz zu nehmen; ſo habe ich oft den Mann beneidet, dem ſein Rang ein Recht gab, der Nachbar einer verſtaͤndigen, mun¬ tern alten Frau zu ſeyn.
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So ſchoͤn aber dieſe gutmuͤthige Herablaſ¬ ſung zu der Stimmung der Jugend iſt; ſo laͤcher¬ lich muß es uns vorkommen, wenn ein Greis ſo ſehr Wuͤrde und Anſtand verleugnet, daß er in Geſellſchaft den Stutzer oder den luſtigen Stu¬ denten ſpielt, wenn die Dame ihre vier Luſtra vergiſſt, ſich wie ein junges Maͤdchen kleidet, herausputzt, cockettirt, die alten Gliedmaßen beym engliſchen Tanze durch einander wirft, oder gar andern Generationen Eroberungen ſtreitig machen will. Solche Scenen wuͤrken Verach¬ tung; Nie muͤſſen Perſonen von gewiſſen Jah¬
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lichkeit aufmuntert. Ich bin als Juͤngling mit
ſo liebenswuͤrdigen alten Damen umgegangen,
daß ich wahrlich, wenn ich die Wahl gehabt haͤtte,
an ihrer Seite lieber mein Leben hingebracht ha¬
ben wuͤrde, als bey manchen huͤbſchen, jungen
Maͤdgen; und wenn bey großen Tafeln mich als
einen jungen Menſchen die Reyhe traf, neben ei¬
ner dummen Schoͤnheit Platz zu nehmen; ſo habe
ich oft den Mann beneidet, dem ſein Rang ein
Recht gab, der Nachbar einer verſtaͤndigen, mun¬
tern alten Frau zu ſeyn.
3.
So ſchoͤn aber dieſe gutmuͤthige Herablaſ¬
ſung zu der Stimmung der Jugend iſt; ſo laͤcher¬
lich muß es uns vorkommen, wenn ein Greis ſo
ſehr Wuͤrde und Anſtand verleugnet, daß er in
Geſellſchaft den Stutzer oder den luſtigen Stu¬
denten ſpielt, wenn die Dame ihre vier Luſtra
vergiſſt, ſich wie ein junges Maͤdchen kleidet,
herausputzt, cockettirt, die alten Gliedmaßen
beym engliſchen Tanze durch einander wirft, oder
gar andern Generationen Eroberungen ſtreitig
machen will. Solche Scenen wuͤrken Verach¬
tung; Nie muͤſſen Perſonen von gewiſſen Jah¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/122>, abgerufen am 22.02.2025.
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