nicht vielleicht zuweilen, daß auch wir dagegen, so groß auch die Meynung seyn mag, die wir von der Wichtigkeit unsrer Gespräche haben, den¬ noch durch unsre Redseligkeit Andern Langeweile machen?
30.
Gewissen Leuten ist eine Leichtigkeit im Umgange und die Gabe geschwind Bekanntschaf¬ ten zu machen und Zuneigung zu gewinnen, wie angebohren; Andern hingegen hängt von Jugend auf eine gewisse Blödigkeit und Schüch¬ ternheit an, die sie nicht abzulegen vermögen, wenn gleich sie täglich fremde Leute aller Orten um sich sehen. Diese Blödigkeit nun ist frey¬ lich sehr oft die Folge einer fehlerhaften Erzie¬ hung, so wie auch zuweilen die Würkung einer heimlichen Eitelkeit, die in Verlegenheit ge¬ räth, aus Furcht, nicht genug zu glänzen. Man¬ chen Menschen aber scheint diese Schüchternheit gegen ganz fremde Leute würklich von Natur ei¬ gen zu seyn, und alle Mühe, welche sie sich da¬ gegen geben, ist verlohren. Ein regierender Fürst, einer der edelsten und verständigsten Män¬ ner, die ich kenne, und der auch wahrlich seines
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nicht vielleicht zuweilen, daß auch wir dagegen, ſo groß auch die Meynung ſeyn mag, die wir von der Wichtigkeit unſrer Geſpraͤche haben, den¬ noch durch unſre Redſeligkeit Andern Langeweile machen?
30.
Gewiſſen Leuten iſt eine Leichtigkeit im Umgange und die Gabe geſchwind Bekanntſchaf¬ ten zu machen und Zuneigung zu gewinnen, wie angebohren; Andern hingegen haͤngt von Jugend auf eine gewiſſe Bloͤdigkeit und Schuͤch¬ ternheit an, die ſie nicht abzulegen vermoͤgen, wenn gleich ſie taͤglich fremde Leute aller Orten um ſich ſehen. Dieſe Bloͤdigkeit nun iſt frey¬ lich ſehr oft die Folge einer fehlerhaften Erzie¬ hung, ſo wie auch zuweilen die Wuͤrkung einer heimlichen Eitelkeit, die in Verlegenheit ge¬ raͤth, aus Furcht, nicht genug zu glaͤnzen. Man¬ chen Menſchen aber ſcheint dieſe Schuͤchternheit gegen ganz fremde Leute wuͤrklich von Natur ei¬ gen zu ſeyn, und alle Muͤhe, welche ſie ſich da¬ gegen geben, iſt verlohren. Ein regierender Fuͤrſt, einer der edelſten und verſtaͤndigſten Maͤn¬ ner, die ich kenne, und der auch wahrlich ſeines
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nicht vielleicht zuweilen, daß auch wir dagegen,
ſo groß auch die Meynung ſeyn mag, die wir
von der Wichtigkeit unſrer Geſpraͤche haben, den¬
noch durch unſre Redſeligkeit Andern Langeweile
machen?
30.
Gewiſſen Leuten iſt eine Leichtigkeit im
Umgange und die Gabe geſchwind Bekanntſchaf¬
ten zu machen und Zuneigung zu gewinnen,
wie angebohren; Andern hingegen haͤngt von
Jugend auf eine gewiſſe Bloͤdigkeit und Schuͤch¬
ternheit an, die ſie nicht abzulegen vermoͤgen,
wenn gleich ſie taͤglich fremde Leute aller Orten
um ſich ſehen. Dieſe Bloͤdigkeit nun iſt frey¬
lich ſehr oft die Folge einer fehlerhaften Erzie¬
hung, ſo wie auch zuweilen die Wuͤrkung einer
heimlichen Eitelkeit, die in Verlegenheit ge¬
raͤth, aus Furcht, nicht genug zu glaͤnzen. Man¬
chen Menſchen aber ſcheint dieſe Schuͤchternheit
gegen ganz fremde Leute wuͤrklich von Natur ei¬
gen zu ſeyn, und alle Muͤhe, welche ſie ſich da¬
gegen geben, iſt verlohren. Ein regierender
Fuͤrſt, einer der edelſten und verſtaͤndigſten Maͤn¬
ner, die ich kenne, und der auch wahrlich ſeines
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/108>, abgerufen am 22.02.2025.
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