sellschaften, wo wir uns aufzuheitern dachten, so gern vergessen mögten, ohne Unterlaß vor Augen zu behalten. Man muß so viel Men, schenkenntniß sehen, zu unterscheiden, ob der Mann, den wir vor uns sehen, seinem Tem¬ peramente, seiner Lage und der Art seines Kum¬ mers nach, durch solche Gespräche erleichtert werden kann, oder ob nicht vielmehr sein Lei¬ den dadurch doppelt erschwert wird.
29.
Oefters sind wir in dem Falle, daß uns durch Gespräche Langeweile gemacht wird. Vernunft, Vorsichtigkeit und Menschenliebe gebiethen uns dann, wenn nun einmal nicht auszuweichen ist, Geduld zu fassen, und nicht durch beleidigendes Betragen unsern Ueberdruß zu erkennen zu geben. Man kann ja, je seelen¬ loser das Gespräch und je geschwätziger der Mann ist, um desto freyer nebenher an andre Dinge denken; Und wäre auch das nicht -- ey nun! es geht im menschlichen Leben so manche ver¬ träumte Stunde verlohren! Ist man denn nicht einige Aufopferung der Gesellschaft schuldig, mit welcher man umgeht? -- Und geschieht es
nicht
ſellſchaften, wo wir uns aufzuheitern dachten, ſo gern vergeſſen moͤgten, ohne Unterlaß vor Augen zu behalten. Man muß ſo viel Men, ſchenkenntniß ſehen, zu unterſcheiden, ob der Mann, den wir vor uns ſehen, ſeinem Tem¬ peramente, ſeiner Lage und der Art ſeines Kum¬ mers nach, durch ſolche Geſpraͤche erleichtert werden kann, oder ob nicht vielmehr ſein Lei¬ den dadurch doppelt erſchwert wird.
29.
Oefters ſind wir in dem Falle, daß uns durch Geſpraͤche Langeweile gemacht wird. Vernunft, Vorſichtigkeit und Menſchenliebe gebiethen uns dann, wenn nun einmal nicht auszuweichen iſt, Geduld zu faſſen, und nicht durch beleidigendes Betragen unſern Ueberdruß zu erkennen zu geben. Man kann ja, je ſeelen¬ loſer das Geſpraͤch und je geſchwaͤtziger der Mann iſt, um deſto freyer nebenher an andre Dinge denken; Und waͤre auch das nicht — ey nun! es geht im menſchlichen Leben ſo manche ver¬ traͤumte Stunde verlohren! Iſt man denn nicht einige Aufopferung der Geſellſchaft ſchuldig, mit welcher man umgeht? — Und geſchieht es
nicht
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ſellſchaften, wo wir uns aufzuheitern dachten,
ſo gern vergeſſen moͤgten, ohne Unterlaß vor
Augen zu behalten. Man muß ſo viel Men,
ſchenkenntniß ſehen, zu unterſcheiden, ob der
Mann, den wir vor uns ſehen, ſeinem Tem¬
peramente, ſeiner Lage und der Art ſeines Kum¬
mers nach, durch ſolche Geſpraͤche erleichtert
werden kann, oder ob nicht vielmehr ſein Lei¬
den dadurch doppelt erſchwert wird.
29.
Oefters ſind wir in dem Falle, daß uns
durch Geſpraͤche Langeweile gemacht wird.
Vernunft, Vorſichtigkeit und Menſchenliebe
gebiethen uns dann, wenn nun einmal nicht
auszuweichen iſt, Geduld zu faſſen, und nicht
durch beleidigendes Betragen unſern Ueberdruß
zu erkennen zu geben. Man kann ja, je ſeelen¬
loſer das Geſpraͤch und je geſchwaͤtziger der Mann
iſt, um deſto freyer nebenher an andre Dinge
denken; Und waͤre auch das nicht — ey nun!
es geht im menſchlichen Leben ſo manche ver¬
traͤumte Stunde verlohren! Iſt man denn nicht
einige Aufopferung der Geſellſchaft ſchuldig,
mit welcher man umgeht? — Und geſchieht es
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/107>, abgerufen am 22.02.2025.
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