erinnere ich, daß diese kleinen Dinge in man¬ cher Leute Augen keine kleine Dinge sind, und daß oft unsre zeitliche Wohlfart in solcher Leute Händen ist.
24.
Daß ein redlicher und verständiger Mann über wesentliche Religions-Lehren, auch dann, wenn er das Unglück haben sollte, an der Wahr¬ heit derselben zu zweifeln, sich dennoch keinen Spott erlauben wird; ich meine, das versteht sich von selbst; aber auch über kirchliche Ver¬ fassung, über die Menschensatzungen, welche in einigen Secten für Glaubenslehren gehalten werden, über Ceremonien, die Manche für wesentiich halten, und dergleichen, soll man sich nie in Gesellschaften aufhalten. Man re¬ spectire das, was Andern ehrwürdig ist! Man lasse Jedem die Freyheit in Meinungen, die wir selbst verlangen! Man vergesse nicht, daß was wir Aufklärung nennen, Andern vielleicht Verfinsterung scheint! Man schone die Vor¬ urtheile, die Andern Ruhe gewähren! Man beraube niemand, ohne ihm etwas Besseres an die Stelle dessen zu geben, was man ihm
nimt!
E 4
erinnere ich, daß dieſe kleinen Dinge in man¬ cher Leute Augen keine kleine Dinge ſind, und daß oft unſre zeitliche Wohlfart in ſolcher Leute Haͤnden iſt.
24.
Daß ein redlicher und verſtaͤndiger Mann uͤber weſentliche Religions-Lehren, auch dann, wenn er das Ungluͤck haben ſollte, an der Wahr¬ heit derſelben zu zweifeln, ſich dennoch keinen Spott erlauben wird; ich meine, das verſteht ſich von ſelbſt; aber auch uͤber kirchliche Ver¬ faſſung, uͤber die Menſchenſatzungen, welche in einigen Secten fuͤr Glaubenslehren gehalten werden, uͤber Ceremonien, die Manche fuͤr weſentiich halten, und dergleichen, ſoll man ſich nie in Geſellſchaften aufhalten. Man re¬ ſpectire das, was Andern ehrwuͤrdig iſt! Man laſſe Jedem die Freyheit in Meinungen, die wir ſelbſt verlangen! Man vergeſſe nicht, daß was wir Aufklaͤrung nennen, Andern vielleicht Verfinſterung ſcheint! Man ſchone die Vor¬ urtheile, die Andern Ruhe gewaͤhren! Man beraube niemand, ohne ihm etwas Beſſeres an die Stelle deſſen zu geben, was man ihm
nimt!
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erinnere ich, daß dieſe kleinen Dinge in man¬
cher Leute Augen keine kleine Dinge ſind, und
daß oft unſre zeitliche Wohlfart in ſolcher Leute
Haͤnden iſt.
24.
Daß ein redlicher und verſtaͤndiger Mann
uͤber weſentliche Religions-Lehren, auch dann,
wenn er das Ungluͤck haben ſollte, an der Wahr¬
heit derſelben zu zweifeln, ſich dennoch keinen
Spott erlauben wird; ich meine, das verſteht
ſich von ſelbſt; aber auch uͤber kirchliche Ver¬
faſſung, uͤber die Menſchenſatzungen, welche
in einigen Secten fuͤr Glaubenslehren gehalten
werden, uͤber Ceremonien, die Manche fuͤr
weſentiich halten, und dergleichen, ſoll man
ſich nie in Geſellſchaften aufhalten. Man re¬
ſpectire das, was Andern ehrwuͤrdig iſt! Man
laſſe Jedem die Freyheit in Meinungen, die
wir ſelbſt verlangen! Man vergeſſe nicht, daß
was wir Aufklaͤrung nennen, Andern vielleicht
Verfinſterung ſcheint! Man ſchone die Vor¬
urtheile, die Andern Ruhe gewaͤhren! Man
beraube niemand, ohne ihm etwas Beſſeres
an die Stelle deſſen zu geben, was man ihm
nimt!
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/101>, abgerufen am 22.02.2025.
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