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Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821.

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II. Cap. Recht der Unabhängigkeit.
das Heimfallsrecht (Fremdlingsrecht, jus albina-
gii, droit d'aubaine) aus, das Recht, nach wel-
chem der ganze inländische Nachlass der im
Lande verstorbenen Fremden, dem Fiscus heim-
fällt, mit Ausschluss aller Testament- und Ver-
tragerben und der auswärtigen Intestaterben b).
In der neuern Zeit ward es fast überall aufge-
hoben, durch Gesetze oder Herkommen, häufig
auch durch Staatsverträge, besonders mit Frank-
reich c). Die französische NationalVersammlung
erklärte dasselbe für eine Schande der Mensch-
heit, und schaffte es allgemein ab d). Seitdem
gilt, so viel man weiss, in allen europäischen
Staaten der Grundsatz, dass das Heimfallsrecht
nur retorsionsweise von dem StaatsFiscus gegen
diejenigen Staaten auszuüben sey, welche sich
desselben gegen den eigenen Staat bedienen
würden e). Bei dem Nachlass solcher Frem-
den, welchen der Staat Naturalisation bewilligt
hat, sollte es da, wo es etwa noch besteht, nicht
ausgeübt werden f); ausgenommen als Retorsion
gegen solche Staaten, die sich desselben auch
in diesem Fall bedienen.

a) Robertson's history of the Emperour Charles V., T. I. in
den beigefügten Beweisen und Erläuterungen, Num. XXIX.
Pufendorf observationes juris univ., T. III. obs. 14.
b) Bacquet du droit d'aubaine. a Paris 1603. und in dessen
Oeuvres, T. I. D'Espeisses oeuvres, T. II. P. II. p. 243.
Guyot repertoire de jurisprudence, art. aubaine. Les loisirs
du chevalier d'Eon de Beaumont, Tome IX (a Amsterdam
1774. 8.), p. 177--191. Viele andere Schriften, in Pütter's

II. Cap. Recht der Unabhängigkeit.
das Heimfallsrecht (Fremdlingsrecht, jus albina-
gii, droit d’aubaine) aus, das Recht, nach wel-
chem der ganze inländische Nachlaſs der im
Lande verstorbenen Fremden, dem Fiscus heim-
fällt, mit Ausschluſs aller Testament- und Ver-
tragerben und der auswärtigen Intestaterben b).
In der neuern Zeit ward es fast überall aufge-
hoben, durch Gesetze oder Herkommen, häufig
auch durch Staatsverträge, besonders mit Frank-
reich c). Die französische NationalVersammlung
erklärte dasselbe für eine Schande der Mensch-
heit, und schaffte es allgemein ab d). Seitdem
gilt, so viel man weiſs, in allen europäischen
Staaten der Grundsatz, daſs das Heimfallsrecht
nur retorsionsweise von dem StaatsFiscus gegen
diejenigen Staaten auszuüben sey, welche sich
desselben gegen den eigenen Staat bedienen
würden e). Bei dem Nachlaſs solcher Frem-
den, welchen der Staat Naturalisation bewilligt
hat, sollte es da, wo es etwa noch besteht, nicht
ausgeübt werden f); ausgenommen als Retorsion
gegen solche Staaten, die sich desselben auch
in diesem Fall bedienen.

a) Robertson’s history of the Emperour Charles V., T. I. in
den beigefügten Beweisen und Erläuterungen, Num. XXIX.
Pufendorf observationes juris univ., T. III. obs. 14.
b) Bacquet du droit d’aubaine. à Paris 1603. und in dessen
Oeuvres, T. I. D’Espeisses oeuvres, T. II. P. II. p. 243.
Guyot répertoire de jurisprudence, art. aubaine. Les loisirs
du chevalier d’Éon de Beaumont, Tome IX (à Amsterdam
1774. 8.), p. 177—191. Viele andere Schriften, in Pütter’s
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[137/0143] II. Cap. Recht der Unabhängigkeit. das Heimfallsrecht (Fremdlingsrecht, jus albina- gii, droit d’aubaine) aus, das Recht, nach wel- chem der ganze inländische Nachlaſs der im Lande verstorbenen Fremden, dem Fiscus heim- fällt, mit Ausschluſs aller Testament- und Ver- tragerben und der auswärtigen Intestaterben b). In der neuern Zeit ward es fast überall aufge- hoben, durch Gesetze oder Herkommen, häufig auch durch Staatsverträge, besonders mit Frank- reich c). Die französische NationalVersammlung erklärte dasselbe für eine Schande der Mensch- heit, und schaffte es allgemein ab d). Seitdem gilt, so viel man weiſs, in allen europäischen Staaten der Grundsatz, daſs das Heimfallsrecht nur retorsionsweise von dem StaatsFiscus gegen diejenigen Staaten auszuüben sey, welche sich desselben gegen den eigenen Staat bedienen würden e). Bei dem Nachlaſs solcher Frem- den, welchen der Staat Naturalisation bewilligt hat, sollte es da, wo es etwa noch besteht, nicht ausgeübt werden f); ausgenommen als Retorsion gegen solche Staaten, die sich desselben auch in diesem Fall bedienen. a⁾ Robertson’s history of the Emperour Charles V., T. I. in den beigefügten Beweisen und Erläuterungen, Num. XXIX. Pufendorf observationes juris univ., T. III. obs. 14. b⁾ Bacquet du droit d’aubaine. à Paris 1603. und in dessen Oeuvres, T. I. D’Espeisses oeuvres, T. II. P. II. p. 243. Guyot répertoire de jurisprudence, art. aubaine. Les loisirs du chevalier d’Éon de Beaumont, Tome IX (à Amsterdam 1774. 8.), p. 177—191. Viele andere Schriften, in Pütter’s

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Zitationshilfe: Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/143>, abgerufen am 26.04.2024.