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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Musikalische Bearbeitungen.
kann und als eine solche Reproduction die vermögensrechtliche
Nutzung des Originales beeinträchtigen kann. Bei der plasti-
schen Nachahmung von Werken der zeichnenden Kunst wird
beides nur selten der Fall sein; es müsste dann geradezu der
gezeichnete Entwurf eines Bildwerkes zur unbefugten plastischen
Ausführung benutzt werden. Bei den Zeichnungen und Photo-
graphien nach plastischen Kunstwerken wird dagegen beides
häufiger zutreffen, da die zeichnende Kunst und vor allem die
stereoskopische Photographie das Plastische des Originales in
gewissem Grade nachzuahmen versteht und da ein plastisches
Werk auch durch Vervielfältigung in einer dieser Formen nutz-
bar gemacht werden kann.

Auch bei den Musikalien ist allseitig anerkannt, dass
der Begriff des Nachdrucks nicht bloss die unveränderte Re-
production sondern auch die Bearbeitung umfasst, soweit die-
selbe als eine bloss abhängige Nachahmung, nicht als eine
eigenthümliche Composition über fremde Themata zu betrach-
ten ist 1).

Anders verhält es sich bei den Schriften. Die Wiedergabe
von Schriften in veränderter Gestalt findet im Wesentlichen
nur so statt, dass dieselben in eine andere Sprache übertragen
werden. Alle sonstigen Verarbeitungen von Schriftwerken fal-
len unter die Kategorie der partiellen Reproduction (oben S. 384),
wenn sie nicht etwa, wie die hergebrachten Umstellungen und
Stylveränderungen des Nachdruckers, nur dazu bestimmt sind,
den Thatbestand des Nachdrucks zu verhüllen.

In Bezug auf die Uebersetzungen besteht nun eine leb-
hafte Meinungsverschiedenheit darüber, ob dieselben unter den
Begriff des Nachdruckes zu subsumiren sind, oder nicht?

Diese Frage kann im Prinzipe nur bejaht werden. Die
Thätigkeit des Uebersetzers ist keine andere, als die jedes an-
dern Bearbeiters, z. B. des Kupferstechers oder des Musikers,
welcher den Klavierauszug einer Partitur fertigt. Der Ueber-
setzer gibt nur einer bereits gegebenen Gedankenfolge den pas-
senden Ausdruck in seiner Sprache und es ist gewiss nicht
zulässig, mit Bluntschli (deutsches Privatrecht 3. Aufl. S. 128)
die blosse Uebertragung der Gedanken des Originales in eine
fremde Sprache als eine selbstständige Geistesarbeit zu

1) Vergl. die oben S. 173 f. angeführten Gesetze und Schriftsteller.

Musikalische Bearbeitungen.
kann und als eine solche Reproduction die vermögensrechtliche
Nutzung des Originales beeinträchtigen kann. Bei der plasti-
schen Nachahmung von Werken der zeichnenden Kunst wird
beides nur selten der Fall sein; es müsste dann geradezu der
gezeichnete Entwurf eines Bildwerkes zur unbefugten plastischen
Ausführung benutzt werden. Bei den Zeichnungen und Photo-
graphien nach plastischen Kunstwerken wird dagegen beides
häufiger zutreffen, da die zeichnende Kunst und vor allem die
stereoskopische Photographie das Plastische des Originales in
gewissem Grade nachzuahmen versteht und da ein plastisches
Werk auch durch Vervielfältigung in einer dieser Formen nutz-
bar gemacht werden kann.

Auch bei den Musikalien ist allseitig anerkannt, dass
der Begriff des Nachdrucks nicht bloss die unveränderte Re-
production sondern auch die Bearbeitung umfasst, soweit die-
selbe als eine bloss abhängige Nachahmung, nicht als eine
eigenthümliche Composition über fremde Themata zu betrach-
ten ist 1).

Anders verhält es sich bei den Schriften. Die Wiedergabe
von Schriften in veränderter Gestalt findet im Wesentlichen
nur so statt, dass dieselben in eine andere Sprache übertragen
werden. Alle sonstigen Verarbeitungen von Schriftwerken fal-
len unter die Kategorie der partiellen Reproduction (oben S. 384),
wenn sie nicht etwa, wie die hergebrachten Umstellungen und
Stylveränderungen des Nachdruckers, nur dazu bestimmt sind,
den Thatbestand des Nachdrucks zu verhüllen.

In Bezug auf die Uebersetzungen besteht nun eine leb-
hafte Meinungsverschiedenheit darüber, ob dieselben unter den
Begriff des Nachdruckes zu subsumiren sind, oder nicht?

Diese Frage kann im Prinzipe nur bejaht werden. Die
Thätigkeit des Uebersetzers ist keine andere, als die jedes an-
dern Bearbeiters, z. B. des Kupferstechers oder des Musikers,
welcher den Klavierauszug einer Partitur fertigt. Der Ueber-
setzer gibt nur einer bereits gegebenen Gedankenfolge den pas-
senden Ausdruck in seiner Sprache und es ist gewiss nicht
zulässig, mit Bluntschli (deutsches Privatrecht 3. Aufl. S. 128)
die blosse Uebertragung der Gedanken des Originales in eine
fremde Sprache als eine selbstständige Geistesarbeit zu

1) Vergl. die oben S. 173 f. angeführten Gesetze und Schriftsteller.
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[389/0405] Musikalische Bearbeitungen. kann und als eine solche Reproduction die vermögensrechtliche Nutzung des Originales beeinträchtigen kann. Bei der plasti- schen Nachahmung von Werken der zeichnenden Kunst wird beides nur selten der Fall sein; es müsste dann geradezu der gezeichnete Entwurf eines Bildwerkes zur unbefugten plastischen Ausführung benutzt werden. Bei den Zeichnungen und Photo- graphien nach plastischen Kunstwerken wird dagegen beides häufiger zutreffen, da die zeichnende Kunst und vor allem die stereoskopische Photographie das Plastische des Originales in gewissem Grade nachzuahmen versteht und da ein plastisches Werk auch durch Vervielfältigung in einer dieser Formen nutz- bar gemacht werden kann. Auch bei den Musikalien ist allseitig anerkannt, dass der Begriff des Nachdrucks nicht bloss die unveränderte Re- production sondern auch die Bearbeitung umfasst, soweit die- selbe als eine bloss abhängige Nachahmung, nicht als eine eigenthümliche Composition über fremde Themata zu betrach- ten ist 1). Anders verhält es sich bei den Schriften. Die Wiedergabe von Schriften in veränderter Gestalt findet im Wesentlichen nur so statt, dass dieselben in eine andere Sprache übertragen werden. Alle sonstigen Verarbeitungen von Schriftwerken fal- len unter die Kategorie der partiellen Reproduction (oben S. 384), wenn sie nicht etwa, wie die hergebrachten Umstellungen und Stylveränderungen des Nachdruckers, nur dazu bestimmt sind, den Thatbestand des Nachdrucks zu verhüllen. In Bezug auf die Uebersetzungen besteht nun eine leb- hafte Meinungsverschiedenheit darüber, ob dieselben unter den Begriff des Nachdruckes zu subsumiren sind, oder nicht? Diese Frage kann im Prinzipe nur bejaht werden. Die Thätigkeit des Uebersetzers ist keine andere, als die jedes an- dern Bearbeiters, z. B. des Kupferstechers oder des Musikers, welcher den Klavierauszug einer Partitur fertigt. Der Ueber- setzer gibt nur einer bereits gegebenen Gedankenfolge den pas- senden Ausdruck in seiner Sprache und es ist gewiss nicht zulässig, mit Bluntschli (deutsches Privatrecht 3. Aufl. S. 128) die blosse Uebertragung der Gedanken des Originales in eine fremde Sprache als eine selbstständige Geistesarbeit zu 1) Vergl. die oben S. 173 f. angeführten Gesetze und Schriftsteller.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/405>, abgerufen am 26.04.2024.