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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Veräusserung des Manuscriptes.
Freunden, soweit sie die von Pope verfassten Briefe betraf,
untersagt 1).

In Bezug auf die übrigen Schriften gilt ebenfalls die im
Vorigen für die Briefe aufgestellte Regel, dass die blosse Ver-
äusserung des Manuscriptes nicht das geistige Eigenthum über-
trägt, falls nicht erhellt, dass die Absicht der Contrahenten auf
die Uebertragung des Rechtes der Vervielfältigung gerichtet war.
Daher enthält die blosse handschriftliche Mittheilung eines un-
gedruckten Gedichtes oder einer Composition an einen Freund
nicht die Veräusserung des geistigen Eigenthumes, da auch
hier im Zweifelsfalle zu vermuthen ist, dass die Mittheilung
nur zur Kenntniss des Inhaltes bestimmt war 2).

Auf der andern Seite begründet die blosse Veräusserung
des Manuscriptes in vielen Fällen eine starke Vermuthung für
die Uebertragung des geistigen Eigenthumes, wenn nämlich
ein anderer Zweck der Veräusserung nicht ersichtlich ist. Diese
Vermuthung ist von französischen Gerichten mehrfach als Be-
weismittel für die Erwerbung des geistigen Eigenthumes zuge-
lassen, jedoch mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass die
blosse Rechtsvermuthung für die Redlichkeit des Besitzes an
der Handschrift (en fait de meubles la possession vaut titre) nicht
ausreicht, um auch die Erwerbung des Vervielfältigungsrechtes
zu beweisen, sofern nicht aus den begleitenden Umständen auf
die gleichzeitige Uebertragung des geistigen Eigenthumes ge-
schlossen werden kann3).

1) Godson, A Treatise on the law of patents and of copyright
p. 329.
2) Haydn sandte der Marschallin Moreau eine ungedruckte Sonate
zu. Der Abdruck derselben durch die Musikalienhandlung von Lanner
wurde auf die Klage des Verlegers Gerdes, bei welchem dieselbe Sonate
später von Haydn herausgegeben war, durch das Urtheil des Pariser
Appelhofes vom 14. August 1841 für einen Nachdruck erachtet, weil
angenommen wurde, dass die Uebersendung des Manuscriptes nicht die
Uebertragung des geistigen Eigenthumes eingeschlossen habe. (Revue
critique de la jurisprudence, an 1851 p. 104).
3) Devilleneuve et Carette, Recueil general XLIII. 2. 479. XLIV.
2. 3. -- Die Gründe des an der letzteren Stelle mitgetheilten Urtheils
des Pariser Appellhofes vom 13. November 1841 lauten:
"Attendu que si, en matiere de manuscrit et de droit d'auteur, la
possession n'equivaut pas a un titre ou du moins n'a pas la meme
force que lorsqu'il s'agit de meubles ordinaires, il est constant qu'elle

Veräusserung des Manuscriptes.
Freunden, soweit sie die von Pope verfassten Briefe betraf,
untersagt 1).

In Bezug auf die übrigen Schriften gilt ebenfalls die im
Vorigen für die Briefe aufgestellte Regel, dass die blosse Ver-
äusserung des Manuscriptes nicht das geistige Eigenthum über-
trägt, falls nicht erhellt, dass die Absicht der Contrahenten auf
die Uebertragung des Rechtes der Vervielfältigung gerichtet war.
Daher enthält die blosse handschriftliche Mittheilung eines un-
gedruckten Gedichtes oder einer Composition an einen Freund
nicht die Veräusserung des geistigen Eigenthumes, da auch
hier im Zweifelsfalle zu vermuthen ist, dass die Mittheilung
nur zur Kenntniss des Inhaltes bestimmt war 2).

Auf der andern Seite begründet die blosse Veräusserung
des Manuscriptes in vielen Fällen eine starke Vermuthung für
die Uebertragung des geistigen Eigenthumes, wenn nämlich
ein anderer Zweck der Veräusserung nicht ersichtlich ist. Diese
Vermuthung ist von französischen Gerichten mehrfach als Be-
weismittel für die Erwerbung des geistigen Eigenthumes zuge-
lassen, jedoch mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass die
blosse Rechtsvermuthung für die Redlichkeit des Besitzes an
der Handschrift (en fait de meubles la possession vaut titre) nicht
ausreicht, um auch die Erwerbung des Vervielfältigungsrechtes
zu beweisen, sofern nicht aus den begleitenden Umständen auf
die gleichzeitige Uebertragung des geistigen Eigenthumes ge-
schlossen werden kann3).

1) Godson, A Treatise on the law of patents and of copyright
p. 329.
2) Haydn sandte der Marschallin Moreau eine ungedruckte Sonate
zu. Der Abdruck derselben durch die Musikalienhandlung von Lanner
wurde auf die Klage des Verlegers Gerdés, bei welchem dieselbe Sonate
später von Haydn herausgegeben war, durch das Urtheil des Pariser
Appelhofes vom 14. August 1841 für einen Nachdruck erachtet, weil
angenommen wurde, dass die Uebersendung des Manuscriptes nicht die
Uebertragung des geistigen Eigenthumes eingeschlossen habe. (Revue
critique de la jurisprudence, an 1851 p. 104).
3) Devilleneuve et Carette, Recueil général XLIII. 2. 479. XLIV.
2. 3. — Die Gründe des an der letzteren Stelle mitgetheilten Urtheils
des Pariser Appellhofes vom 13. November 1841 lauten:
»Attendu que si, en matière de manuscrit et de droit d’auteur, la
possession n’équivaut pas à un titre ou du moins n’a pas la même
force que lorsqu’il s’agit de meubles ordinaires, il est constant qu’elle
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[325/0341] Veräusserung des Manuscriptes. Freunden, soweit sie die von Pope verfassten Briefe betraf, untersagt 1). In Bezug auf die übrigen Schriften gilt ebenfalls die im Vorigen für die Briefe aufgestellte Regel, dass die blosse Ver- äusserung des Manuscriptes nicht das geistige Eigenthum über- trägt, falls nicht erhellt, dass die Absicht der Contrahenten auf die Uebertragung des Rechtes der Vervielfältigung gerichtet war. Daher enthält die blosse handschriftliche Mittheilung eines un- gedruckten Gedichtes oder einer Composition an einen Freund nicht die Veräusserung des geistigen Eigenthumes, da auch hier im Zweifelsfalle zu vermuthen ist, dass die Mittheilung nur zur Kenntniss des Inhaltes bestimmt war 2). Auf der andern Seite begründet die blosse Veräusserung des Manuscriptes in vielen Fällen eine starke Vermuthung für die Uebertragung des geistigen Eigenthumes, wenn nämlich ein anderer Zweck der Veräusserung nicht ersichtlich ist. Diese Vermuthung ist von französischen Gerichten mehrfach als Be- weismittel für die Erwerbung des geistigen Eigenthumes zuge- lassen, jedoch mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass die blosse Rechtsvermuthung für die Redlichkeit des Besitzes an der Handschrift (en fait de meubles la possession vaut titre) nicht ausreicht, um auch die Erwerbung des Vervielfältigungsrechtes zu beweisen, sofern nicht aus den begleitenden Umständen auf die gleichzeitige Uebertragung des geistigen Eigenthumes ge- schlossen werden kann 3). 1) Godson, A Treatise on the law of patents and of copyright p. 329. 2) Haydn sandte der Marschallin Moreau eine ungedruckte Sonate zu. Der Abdruck derselben durch die Musikalienhandlung von Lanner wurde auf die Klage des Verlegers Gerdés, bei welchem dieselbe Sonate später von Haydn herausgegeben war, durch das Urtheil des Pariser Appelhofes vom 14. August 1841 für einen Nachdruck erachtet, weil angenommen wurde, dass die Uebersendung des Manuscriptes nicht die Uebertragung des geistigen Eigenthumes eingeschlossen habe. (Revue critique de la jurisprudence, an 1851 p. 104). 3) Devilleneuve et Carette, Recueil général XLIII. 2. 479. XLIV. 2. 3. — Die Gründe des an der letzteren Stelle mitgetheilten Urtheils des Pariser Appellhofes vom 13. November 1841 lauten: »Attendu que si, en matière de manuscrit et de droit d’auteur, la possession n’équivaut pas à un titre ou du moins n’a pas la même force que lorsqu’il s’agit de meubles ordinaires, il est constant qu’elle

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/341>, abgerufen am 27.04.2024.