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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VII. Der Verlagsvertrag. §. 29. Begriff und Form.
Bedürfnissen des Verkehrs dadurch Rechnung, dass die mo-
dernen Gesetzgebungen in weitem Umfange die schriftliche Form
der Vertragschliessung als Bedingung der Klagbarkeit auf-
stellen, und dass das Recht des Rücktrittes von dem Vertrage,
welches nach Römischem Rechte bei allen unbenannten Ver-
trägen stattfand, wenigstens für eine grosse Zahl von Fällen
durch besondere Vorschriften zugelassen ist. (Vergl. §. 35.)

Man kann in Frage stellen, ob nicht gegenüber diesen ca-
suistischen Bestimmungen der modernen Gesetzgebungen die
Grundsätze des Römischen Rechtes über die bedingte Klagbar-
keit der unbenannten Verträge den Vorzug verdienen. Un-
zweifelhaft ist aber, dass diese Grundsätze in dem heutigen
Gemeinen Rechte keine Geltung mehr haben und dass es auch
ein verfehltes Beginnen wäre, denselben im Wege der Ge-
setzgebung wieder Geltung zu verschaffen 1).

Der Verlagsvertrag ist daher kein unbenannter Realvertrag,

1) Um diese Aufgabe zu lösen, müsste erst eine Jurisprudenz ge-
schaffen werden, welche die gegen die römische Zeit unendlich erwei-
terte Menge der Rechtsgeschäfte auf eben solche bestimmte und scharf
ausgeprägte Typen zurückführte, als solche durch die römischen Juri-
sten für die Geschäfte des damaligen Verkehrs geschaffen sind. Die
Thätigkeit der modernen Jurisprudenz beschränkt sich indess zur Zeit
noch wesentlich auf die Aneignung des von den Römern überlieferten
Rechtsstoffes und auf die Anwendung desselben auf die heutigen so
sehr verschiedenen und so wesentlich erweiterten Verkehrsverhältnisse.
Da die römischen Vertragskategorien auf den soviel weiter ausgedehn-
ten Kreis der Verkehrsbeziehungen nicht mehr passen, da ferner die
Jurisprudenz es nicht verstanden hat, mit diesen Fortschritten des
Verkehres durch die weitere Ausbildung ihrer typischen Kategorien
Schritt zu halten, wie dies in der römischen Zeit durch das prätorische
Recht und durch die wissenschaftliche Rechtsbildung geschah, so ist
es als ein Gewinn zu bezeichnen, dass das heutige Recht die beschränkte
Klagbarkeit der Verträge abgeworfen, obgleich dasselbe an Be-
stimmtheit eingebüsst hat, was es an unmittelbarer Beherrschung der
wechselnden und wachsenden Verkehrsbeziehungen gewonnen hat.
Soll der Standpunct des Römischen Rechtes wieder gewonnen
werden, so bedürfen wir einer Jurisprudenz, die weniger ausschliessend
auf rechtshistorische und antiquarische Forschung gerichtet ist, die den
gegebenen Stoff des heutigen Rechtsverkehrs mit derselben freien und
selbstthätigen Erkenntniss durchdringt, nur freilich auch mit derselben
Schärfe und Geschlossenheit, als dies von den römischen Juristen für
ihren Verkehrskreis in bisher unerreichter Weise geschehen ist.

VII. Der Verlagsvertrag. §. 29. Begriff und Form.
Bedürfnissen des Verkehrs dadurch Rechnung, dass die mo-
dernen Gesetzgebungen in weitem Umfange die schriftliche Form
der Vertragschliessung als Bedingung der Klagbarkeit auf-
stellen, und dass das Recht des Rücktrittes von dem Vertrage,
welches nach Römischem Rechte bei allen unbenannten Ver-
trägen stattfand, wenigstens für eine grosse Zahl von Fällen
durch besondere Vorschriften zugelassen ist. (Vergl. §. 35.)

Man kann in Frage stellen, ob nicht gegenüber diesen ca-
suistischen Bestimmungen der modernen Gesetzgebungen die
Grundsätze des Römischen Rechtes über die bedingte Klagbar-
keit der unbenannten Verträge den Vorzug verdienen. Un-
zweifelhaft ist aber, dass diese Grundsätze in dem heutigen
Gemeinen Rechte keine Geltung mehr haben und dass es auch
ein verfehltes Beginnen wäre, denselben im Wege der Ge-
setzgebung wieder Geltung zu verschaffen 1).

Der Verlagsvertrag ist daher kein unbenannter Realvertrag,

1) Um diese Aufgabe zu lösen, müsste erst eine Jurisprudenz ge-
schaffen werden, welche die gegen die römische Zeit unendlich erwei-
terte Menge der Rechtsgeschäfte auf eben solche bestimmte und scharf
ausgeprägte Typen zurückführte, als solche durch die römischen Juri-
sten für die Geschäfte des damaligen Verkehrs geschaffen sind. Die
Thätigkeit der modernen Jurisprudenz beschränkt sich indess zur Zeit
noch wesentlich auf die Aneignung des von den Römern überlieferten
Rechtsstoffes und auf die Anwendung desselben auf die heutigen so
sehr verschiedenen und so wesentlich erweiterten Verkehrsverhältnisse.
Da die römischen Vertragskategorien auf den soviel weiter ausgedehn-
ten Kreis der Verkehrsbeziehungen nicht mehr passen, da ferner die
Jurisprudenz es nicht verstanden hat, mit diesen Fortschritten des
Verkehres durch die weitere Ausbildung ihrer typischen Kategorien
Schritt zu halten, wie dies in der römischen Zeit durch das prätorische
Recht und durch die wissenschaftliche Rechtsbildung geschah, so ist
es als ein Gewinn zu bezeichnen, dass das heutige Recht die beschränkte
Klagbarkeit der Verträge abgeworfen, obgleich dasselbe an Be-
stimmtheit eingebüsst hat, was es an unmittelbarer Beherrschung der
wechselnden und wachsenden Verkehrsbeziehungen gewonnen hat.
Soll der Standpunct des Römischen Rechtes wieder gewonnen
werden, so bedürfen wir einer Jurisprudenz, die weniger ausschliessend
auf rechtshistorische und antiquarische Forschung gerichtet ist, die den
gegebenen Stoff des heutigen Rechtsverkehrs mit derselben freien und
selbstthätigen Erkenntniss durchdringt, nur freilich auch mit derselben
Schärfe und Geschlossenheit, als dies von den römischen Juristen für
ihren Verkehrskreis in bisher unerreichter Weise geschehen ist.
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[312/0328] VII. Der Verlagsvertrag. §. 29. Begriff und Form. Bedürfnissen des Verkehrs dadurch Rechnung, dass die mo- dernen Gesetzgebungen in weitem Umfange die schriftliche Form der Vertragschliessung als Bedingung der Klagbarkeit auf- stellen, und dass das Recht des Rücktrittes von dem Vertrage, welches nach Römischem Rechte bei allen unbenannten Ver- trägen stattfand, wenigstens für eine grosse Zahl von Fällen durch besondere Vorschriften zugelassen ist. (Vergl. §. 35.) Man kann in Frage stellen, ob nicht gegenüber diesen ca- suistischen Bestimmungen der modernen Gesetzgebungen die Grundsätze des Römischen Rechtes über die bedingte Klagbar- keit der unbenannten Verträge den Vorzug verdienen. Un- zweifelhaft ist aber, dass diese Grundsätze in dem heutigen Gemeinen Rechte keine Geltung mehr haben und dass es auch ein verfehltes Beginnen wäre, denselben im Wege der Ge- setzgebung wieder Geltung zu verschaffen 1). Der Verlagsvertrag ist daher kein unbenannter Realvertrag, 1) Um diese Aufgabe zu lösen, müsste erst eine Jurisprudenz ge- schaffen werden, welche die gegen die römische Zeit unendlich erwei- terte Menge der Rechtsgeschäfte auf eben solche bestimmte und scharf ausgeprägte Typen zurückführte, als solche durch die römischen Juri- sten für die Geschäfte des damaligen Verkehrs geschaffen sind. Die Thätigkeit der modernen Jurisprudenz beschränkt sich indess zur Zeit noch wesentlich auf die Aneignung des von den Römern überlieferten Rechtsstoffes und auf die Anwendung desselben auf die heutigen so sehr verschiedenen und so wesentlich erweiterten Verkehrsverhältnisse. Da die römischen Vertragskategorien auf den soviel weiter ausgedehn- ten Kreis der Verkehrsbeziehungen nicht mehr passen, da ferner die Jurisprudenz es nicht verstanden hat, mit diesen Fortschritten des Verkehres durch die weitere Ausbildung ihrer typischen Kategorien Schritt zu halten, wie dies in der römischen Zeit durch das prätorische Recht und durch die wissenschaftliche Rechtsbildung geschah, so ist es als ein Gewinn zu bezeichnen, dass das heutige Recht die beschränkte Klagbarkeit der Verträge abgeworfen, obgleich dasselbe an Be- stimmtheit eingebüsst hat, was es an unmittelbarer Beherrschung der wechselnden und wachsenden Verkehrsbeziehungen gewonnen hat. Soll der Standpunct des Römischen Rechtes wieder gewonnen werden, so bedürfen wir einer Jurisprudenz, die weniger ausschliessend auf rechtshistorische und antiquarische Forschung gerichtet ist, die den gegebenen Stoff des heutigen Rechtsverkehrs mit derselben freien und selbstthätigen Erkenntniss durchdringt, nur freilich auch mit derselben Schärfe und Geschlossenheit, als dies von den römischen Juristen für ihren Verkehrskreis in bisher unerreichter Weise geschehen ist.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/328>, abgerufen am 26.04.2024.