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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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V. Gegenstände. §. 17. Schriften (Fortsetzung).
Oesterreichische, Bayerische und Sächsische Gesetzgebung 1)
folgt, bezeichnen als Gegenstände des Schrifteigenthumes: "li-
terarische Erzeugnisse
aller Art, sie mögen bereits ver-
öffentlicht sein oder nicht." Diese Terminologie zeichnet sich,
wie bereits die vorige Untersuchung (oben S. 151) ergeben hat,
nicht gerade durch grosse Bestimmtheit aus. Wenn nämlich
unter den literarischen Erzeugnissen nur solche Werke ver-
standen werden, welche für den literarischen Verkehr produ-
zirt werden, so werden dadurch ausser den Werken der freien
Rede, auch Privatbriefe und andere nicht ursprünglich für den
Druck bestimmte Schriften ausgeschlossen. Ist diese Interpre-
tation nach dem Obigen nicht zulässig und darf ebensowenig
das rein subjective Ermessen, ob das Product nach seinem gei-
stigen Gehalte für den literarischen Verkehr geeignet sei, über
den Rechtsschutz des geistigen Eigenthumes entscheiden, so
schliesst die Bezeichnung: literarische Erzeugnisse alle Gei-
stesproducte ein, welche thatsächlich Gegenstand eines buch-
händlerischen Verkehres werden und es lässt sich daraus nicht
mit Bestimmtheit das Requisit ableiten, dass das Werk ur-
sprünglich in schriftlicher Form produzirt sein müsse. Wenn
also der Wortlaut der Bundesbeschlüsse allein maassgebend
wäre, so würde man der von verschiedenen Schriftstellern 2)
aufgestellten Ansicht, dass auch die Producte der freien Rede
als solche gegen den unbefugten Abdruck geschützt seien, nicht
unbedingt entgegen treten können.

Allein die Bundesbeschlüsse als solche sind nicht Quellen
eines gemeinsamen formellen Rechtes für das Deutsche Bundes-
gebiet (oben S. 80 f.), sondern nur gemeinsame Normen für die
Gesetzgebung der zum früheren Deutschen Bunde gehörigen
Staaten und eine nähere Prüfung derjenigen Landesgesetze,
welche die hier in Rede stehende Terminologie der Bundesbe-
schlüsse adoptirt haben, ergibt, dass dieselben, mit Ausnahme
der Bayerischen und der Sächsischen Gesetzgebung, das Erfor-
derniss der schriftlichen Abfassung zur Bedingung des literari-
schen Eigenthumes gemacht haben.

1) Oesterreich. Gesetz v. 19. October 1846 §. 1.
Bayer. Gesetz v. 28. Juni 1865 Art. 1.
Sächs. Gesetz v. 22. Februar 1844 Art. 1.
2) Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 158 ff.
Friedländer, Der Rechtsschutz gegen Nachdruck S. 32 f.

V. Gegenstände. §. 17. Schriften (Fortsetzung).
Oesterreichische, Bayerische und Sächsische Gesetzgebung 1)
folgt, bezeichnen als Gegenstände des Schrifteigenthumes: »li-
terarische Erzeugnisse
aller Art, sie mögen bereits ver-
öffentlicht sein oder nicht.« Diese Terminologie zeichnet sich,
wie bereits die vorige Untersuchung (oben S. 151) ergeben hat,
nicht gerade durch grosse Bestimmtheit aus. Wenn nämlich
unter den literarischen Erzeugnissen nur solche Werke ver-
standen werden, welche für den literarischen Verkehr produ-
zirt werden, so werden dadurch ausser den Werken der freien
Rede, auch Privatbriefe und andere nicht ursprünglich für den
Druck bestimmte Schriften ausgeschlossen. Ist diese Interpre-
tation nach dem Obigen nicht zulässig und darf ebensowenig
das rein subjective Ermessen, ob das Product nach seinem gei-
stigen Gehalte für den literarischen Verkehr geeignet sei, über
den Rechtsschutz des geistigen Eigenthumes entscheiden, so
schliesst die Bezeichnung: literarische Erzeugnisse alle Gei-
stesproducte ein, welche thatsächlich Gegenstand eines buch-
händlerischen Verkehres werden und es lässt sich daraus nicht
mit Bestimmtheit das Requisit ableiten, dass das Werk ur-
sprünglich in schriftlicher Form produzirt sein müsse. Wenn
also der Wortlaut der Bundesbeschlüsse allein maassgebend
wäre, so würde man der von verschiedenen Schriftstellern 2)
aufgestellten Ansicht, dass auch die Producte der freien Rede
als solche gegen den unbefugten Abdruck geschützt seien, nicht
unbedingt entgegen treten können.

Allein die Bundesbeschlüsse als solche sind nicht Quellen
eines gemeinsamen formellen Rechtes für das Deutsche Bundes-
gebiet (oben S. 80 f.), sondern nur gemeinsame Normen für die
Gesetzgebung der zum früheren Deutschen Bunde gehörigen
Staaten und eine nähere Prüfung derjenigen Landesgesetze,
welche die hier in Rede stehende Terminologie der Bundesbe-
schlüsse adoptirt haben, ergibt, dass dieselben, mit Ausnahme
der Bayerischen und der Sächsischen Gesetzgebung, das Erfor-
derniss der schriftlichen Abfassung zur Bedingung des literari-
schen Eigenthumes gemacht haben.

1) Oesterreich. Gesetz v. 19. October 1846 §. 1.
Bayer. Gesetz v. 28. Juni 1865 Art. 1.
Sächs. Gesetz v. 22. Februar 1844 Art. 1.
2) Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 158 ff.
Friedländer, Der Rechtsschutz gegen Nachdruck S. 32 f.
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[162/0178] V. Gegenstände. §. 17. Schriften (Fortsetzung). Oesterreichische, Bayerische und Sächsische Gesetzgebung 1) folgt, bezeichnen als Gegenstände des Schrifteigenthumes: »li- terarische Erzeugnisse aller Art, sie mögen bereits ver- öffentlicht sein oder nicht.« Diese Terminologie zeichnet sich, wie bereits die vorige Untersuchung (oben S. 151) ergeben hat, nicht gerade durch grosse Bestimmtheit aus. Wenn nämlich unter den literarischen Erzeugnissen nur solche Werke ver- standen werden, welche für den literarischen Verkehr produ- zirt werden, so werden dadurch ausser den Werken der freien Rede, auch Privatbriefe und andere nicht ursprünglich für den Druck bestimmte Schriften ausgeschlossen. Ist diese Interpre- tation nach dem Obigen nicht zulässig und darf ebensowenig das rein subjective Ermessen, ob das Product nach seinem gei- stigen Gehalte für den literarischen Verkehr geeignet sei, über den Rechtsschutz des geistigen Eigenthumes entscheiden, so schliesst die Bezeichnung: literarische Erzeugnisse alle Gei- stesproducte ein, welche thatsächlich Gegenstand eines buch- händlerischen Verkehres werden und es lässt sich daraus nicht mit Bestimmtheit das Requisit ableiten, dass das Werk ur- sprünglich in schriftlicher Form produzirt sein müsse. Wenn also der Wortlaut der Bundesbeschlüsse allein maassgebend wäre, so würde man der von verschiedenen Schriftstellern 2) aufgestellten Ansicht, dass auch die Producte der freien Rede als solche gegen den unbefugten Abdruck geschützt seien, nicht unbedingt entgegen treten können. Allein die Bundesbeschlüsse als solche sind nicht Quellen eines gemeinsamen formellen Rechtes für das Deutsche Bundes- gebiet (oben S. 80 f.), sondern nur gemeinsame Normen für die Gesetzgebung der zum früheren Deutschen Bunde gehörigen Staaten und eine nähere Prüfung derjenigen Landesgesetze, welche die hier in Rede stehende Terminologie der Bundesbe- schlüsse adoptirt haben, ergibt, dass dieselben, mit Ausnahme der Bayerischen und der Sächsischen Gesetzgebung, das Erfor- derniss der schriftlichen Abfassung zur Bedingung des literari- schen Eigenthumes gemacht haben. 1) Oesterreich. Gesetz v. 19. October 1846 §. 1. Bayer. Gesetz v. 28. Juni 1865 Art. 1. Sächs. Gesetz v. 22. Februar 1844 Art. 1. 2) Wächter, Das Verlagsrecht Th. I S. 158 ff. Friedländer, Der Rechtsschutz gegen Nachdruck S. 32 f.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/178>, abgerufen am 27.04.2024.