Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Meßias.

Als sie sich umarmten. Wie Brüder erzittern, die beyde
Tugendhaft sind, und beyde den Tod fürs Vaterland suchten,
Wenn sie, vom Heldenblute noch voll, sich nach ewigen Thaten
Wiedersehn, und sich vor ihrem noch göttlichern Vater umarmen.
Gott sah sie fern, und segnete sie. So giengen sie beyde,
Herrlicher noch durch die Freundschaft, dem himmlischen Thron entgegen.
Also kamen sie weiter bis aus Allerheiligste Gottes.
Nah bey der Herrlichkeit Gottes, auf einem himmlischen Berge,
Ruht des Allerheiligsten Nacht. Ein lichthelles Glänzen
Wacht inwendig um Gottes Geheimniß. Das heilige Dunkel
Deckt nur das Jnnre vorm Auge der Engel. Bisweilen eröffnet,
Gott den dämmernden Vorhang durch majestätische Donner
Vor dem Blicke der himmlischen Schauer. Sie sehen, und feyren.

Jtzo stand auf einmal, bey des Allerheiligsten Eingang,
Wie ein Berg Gottes, der Altar des Mittlers, vor Gabriels Auge
Wolkenlos da. Er sah ihn, und gieng, in festlicher Schönheit,
Priesterlich zum Altar, und trug zwo goldene Schalen
Voll vom heiligen Räuchwerk, und stand tiefsinnig am Altar.
Neben ihm stand Eloa, und rief aus seiner Harfe
Göttliche Töne, den opfernden Seraph zum hohen Gebete
Vorzubereiten. Der hört ihn, und durch die allmächtige Harfe
Hub sich sein Geist voll Andacht empor. Wie der Ocean aufwallt
Wenn über ihm die Stimme des Herrn in Sturmwinden wandelt.
Gabriel sah Gott an, und sang mit mächtiger Stimme.
Nunmehr hörte der ewige Vater, es hörte der Himmel
Deine Gebete, Meßias. Gott selber zündte das Opfer
Wun-

Der Meßias.

Als ſie ſich umarmten. Wie Bruͤder erzittern, die beyde
Tugendhaft ſind, und beyde den Tod fuͤrs Vaterland ſuchten,
Wenn ſie, vom Heldenblute noch voll, ſich nach ewigen Thaten
Wiederſehn, und ſich vor ihrem noch goͤttlichern Vater umarmen.
Gott ſah ſie fern, und ſegnete ſie. So giengen ſie beyde,
Herrlicher noch durch die Freundſchaft, dem himmliſchen Thron entgegen.
Alſo kamen ſie weiter bis aus Allerheiligſte Gottes.
Nah bey der Herrlichkeit Gottes, auf einem himmliſchen Berge,
Ruht des Allerheiligſten Nacht. Ein lichthelles Glaͤnzen
Wacht inwendig um Gottes Geheimniß. Das heilige Dunkel
Deckt nur das Jnnre vorm Auge der Engel. Bisweilen eroͤffnet,
Gott den daͤmmernden Vorhang durch majeſtaͤtiſche Donner
Vor dem Blicke der himmliſchen Schauer. Sie ſehen, und feyren.

Jtzo ſtand auf einmal, bey des Allerheiligſten Eingang,
Wie ein Berg Gottes, der Altar des Mittlers, vor Gabriels Auge
Wolkenlos da. Er ſah ihn, und gieng, in feſtlicher Schoͤnheit,
Prieſterlich zum Altar, und trug zwo goldene Schalen
Voll vom heiligen Raͤuchwerk, und ſtand tiefſinnig am Altar.
Neben ihm ſtand Eloa, und rief aus ſeiner Harfe
Goͤttliche Toͤne, den opfernden Seraph zum hohen Gebete
Vorzubereiten. Der hoͤrt ihn, und durch die allmaͤchtige Harfe
Hub ſich ſein Geiſt voll Andacht empor. Wie der Ocean aufwallt
Wenn uͤber ihm die Stimme des Herrn in Sturmwinden wandelt.
Gabriel ſah Gott an, und ſang mit maͤchtiger Stimme.
Nunmehr hoͤrte der ewige Vater, es hoͤrte der Himmel
Deine Gebete, Meßias. Gott ſelber zuͤndte das Opfer
Wun-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="24">
              <l>
                <pb facs="#f0028" n="16"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Als &#x017F;ie &#x017F;ich umarmten. Wie Bru&#x0364;der erzittern, die beyde</l><lb/>
              <l>Tugendhaft &#x017F;ind, und beyde den Tod fu&#x0364;rs Vaterland &#x017F;uchten,</l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;ie, vom Heldenblute noch voll, &#x017F;ich nach ewigen Thaten</l><lb/>
              <l>Wieder&#x017F;ehn, und &#x017F;ich vor ihrem noch go&#x0364;ttlichern Vater umarmen.</l><lb/>
              <l>Gott &#x017F;ah &#x017F;ie fern, und &#x017F;egnete &#x017F;ie. So giengen &#x017F;ie beyde,</l><lb/>
              <l>Herrlicher noch durch die Freund&#x017F;chaft, dem himmli&#x017F;chen Thron entgegen.</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o kamen &#x017F;ie weiter bis aus Allerheilig&#x017F;te Gottes.</l><lb/>
              <l>Nah bey der Herrlichkeit Gottes, auf einem himmli&#x017F;chen Berge,</l><lb/>
              <l>Ruht des Allerheilig&#x017F;ten Nacht. Ein lichthelles Gla&#x0364;nzen</l><lb/>
              <l>Wacht inwendig um Gottes Geheimniß. Das heilige Dunkel</l><lb/>
              <l>Deckt nur das Jnnre vorm Auge der Engel. Bisweilen ero&#x0364;ffnet,</l><lb/>
              <l>Gott den da&#x0364;mmernden Vorhang durch maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;che Donner</l><lb/>
              <l>Vor dem Blicke der himmli&#x017F;chen Schauer. Sie &#x017F;ehen, und feyren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="25">
              <l>Jtzo &#x017F;tand auf einmal, bey des Allerheilig&#x017F;ten Eingang,</l><lb/>
              <l>Wie ein Berg Gottes, der Altar des Mittlers, vor Gabriels Auge</l><lb/>
              <l>Wolkenlos da. Er &#x017F;ah ihn, und gieng, in fe&#x017F;tlicher Scho&#x0364;nheit,</l><lb/>
              <l>Prie&#x017F;terlich zum Altar, und trug zwo goldene Schalen</l><lb/>
              <l>Voll vom heiligen Ra&#x0364;uchwerk, und &#x017F;tand tief&#x017F;innig am Altar.</l><lb/>
              <l>Neben ihm &#x017F;tand Eloa, und rief aus &#x017F;einer Harfe</l><lb/>
              <l>Go&#x0364;ttliche To&#x0364;ne, den opfernden Seraph zum hohen Gebete</l><lb/>
              <l>Vorzubereiten. Der ho&#x0364;rt ihn, und durch die allma&#x0364;chtige Harfe</l><lb/>
              <l>Hub &#x017F;ich &#x017F;ein Gei&#x017F;t voll Andacht empor. Wie der Ocean aufwallt</l><lb/>
              <l>Wenn u&#x0364;ber ihm die Stimme des Herrn in Sturmwinden wandelt.</l><lb/>
              <l>Gabriel &#x017F;ah Gott an, und &#x017F;ang mit ma&#x0364;chtiger Stimme.</l><lb/>
              <l>Nunmehr ho&#x0364;rte der ewige Vater, es ho&#x0364;rte der Himmel</l><lb/>
              <l>Deine Gebete, Meßias. Gott &#x017F;elber zu&#x0364;ndte das Opfer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wun-</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0028] Der Meßias. Als ſie ſich umarmten. Wie Bruͤder erzittern, die beyde Tugendhaft ſind, und beyde den Tod fuͤrs Vaterland ſuchten, Wenn ſie, vom Heldenblute noch voll, ſich nach ewigen Thaten Wiederſehn, und ſich vor ihrem noch goͤttlichern Vater umarmen. Gott ſah ſie fern, und ſegnete ſie. So giengen ſie beyde, Herrlicher noch durch die Freundſchaft, dem himmliſchen Thron entgegen. Alſo kamen ſie weiter bis aus Allerheiligſte Gottes. Nah bey der Herrlichkeit Gottes, auf einem himmliſchen Berge, Ruht des Allerheiligſten Nacht. Ein lichthelles Glaͤnzen Wacht inwendig um Gottes Geheimniß. Das heilige Dunkel Deckt nur das Jnnre vorm Auge der Engel. Bisweilen eroͤffnet, Gott den daͤmmernden Vorhang durch majeſtaͤtiſche Donner Vor dem Blicke der himmliſchen Schauer. Sie ſehen, und feyren. Jtzo ſtand auf einmal, bey des Allerheiligſten Eingang, Wie ein Berg Gottes, der Altar des Mittlers, vor Gabriels Auge Wolkenlos da. Er ſah ihn, und gieng, in feſtlicher Schoͤnheit, Prieſterlich zum Altar, und trug zwo goldene Schalen Voll vom heiligen Raͤuchwerk, und ſtand tiefſinnig am Altar. Neben ihm ſtand Eloa, und rief aus ſeiner Harfe Goͤttliche Toͤne, den opfernden Seraph zum hohen Gebete Vorzubereiten. Der hoͤrt ihn, und durch die allmaͤchtige Harfe Hub ſich ſein Geiſt voll Andacht empor. Wie der Ocean aufwallt Wenn uͤber ihm die Stimme des Herrn in Sturmwinden wandelt. Gabriel ſah Gott an, und ſang mit maͤchtiger Stimme. Nunmehr hoͤrte der ewige Vater, es hoͤrte der Himmel Deine Gebete, Meßias. Gott ſelber zuͤndte das Opfer Wun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/28
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/28>, abgerufen am 26.04.2024.