Valentinian bedekte den Rhein von der Quelle bis zum Ausflusse mit Schlössern. Er baute so gar jenseits bis dicht an die Gränzen. Auch dieß dul- deten wir. Aber er verstand, in seiner Freude, die Duldung falsch. Denn er meinte, er könte auch über den Gränzen, auf Pirens Berge, unvermerkt ein Schloß bauen. Schon gruben die Römer, und senkten die Grundsteine. Syagrius, ein Vertrau- ter des Kaisers, Arator, und Hermogenes, zween Feldherren, waren die Anführer. Nach unsrer Gut- herzigkeit daucht es uns auch jezt noch zu früh, das Schwert zu zücken. Die Väter der Jünglinge, die Geisseln waren, erschienen, und flehten mit gebog- nem Knie die Römer an: Seyd nicht so sorglos we- gen eurer Sicherheit, und brecht die Bündnisse nicht so, ihr, die Treu und Glauben zu dieser Grösse er- hoben hat. Sie wurden kaum angehört. Sie gingen, und beweinten ins Geheim das Schiksal ihrer Söhne. Unsre verstekten Krieger sprangen hervor, umringten, befragten die Wiederkommen- den, eilten weiter, und hinderten den Bau so blu- tig, daß nur Syagrius entrann, die Botschaft zu bringen.
Das Gegentheil der Absicht.
Germanicus sammelte Teutoburgs Gebeine, und bedekte sie mit einem Grabhügel. Wir stäubten den Hügel weg. Der Römer hatte zerstreute Erin- nerungen zu einem Denkmale gemacht.
Das
Das Schloß uͤber der Graͤnze.
Valentinian bedekte den Rhein von der Quelle bis zum Ausfluſſe mit Schloͤſſern. Er baute ſo gar jenſeits bis dicht an die Graͤnzen. Auch dieß dul- deten wir. Aber er verſtand, in ſeiner Freude, die Duldung falſch. Denn er meinte, er koͤnte auch uͤber den Graͤnzen, auf Pirens Berge, unvermerkt ein Schloß bauen. Schon gruben die Roͤmer, und ſenkten die Grundſteine. Syagrius, ein Vertrau- ter des Kaiſers, Arator, und Hermogenes, zween Feldherren, waren die Anfuͤhrer. Nach unſrer Gut- herzigkeit daucht es uns auch jezt noch zu fruͤh, das Schwert zu zuͤcken. Die Vaͤter der Juͤnglinge, die Geiſſeln waren, erſchienen, und flehten mit gebog- nem Knie die Roͤmer an: Seyd nicht ſo ſorglos we- gen eurer Sicherheit, und brecht die Buͤndniſſe nicht ſo, ihr, die Treu und Glauben zu dieſer Groͤſſe er- hoben hat. Sie wurden kaum angehoͤrt. Sie gingen, und beweinten ins Geheim das Schikſal ihrer Soͤhne. Unſre verſtekten Krieger ſprangen hervor, umringten, befragten die Wiederkommen- den, eilten weiter, und hinderten den Bau ſo blu- tig, daß nur Syagrius entrann, die Botſchaft zu bringen.
Das Gegentheil der Abſicht.
Germanicus ſammelte Teutoburgs Gebeine, und bedekte ſie mit einem Grabhuͤgel. Wir ſtaͤubten den Huͤgel weg. Der Roͤmer hatte zerſtreute Erin- nerungen zu einem Denkmale gemacht.
Das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0378"n="302"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Das Schloß uͤber der Graͤnze.</hi></head><lb/><p>Valentinian bedekte den Rhein von der Quelle<lb/>
bis zum Ausfluſſe mit Schloͤſſern. Er baute ſo gar<lb/>
jenſeits bis dicht an die Graͤnzen. Auch dieß dul-<lb/>
deten wir. Aber er verſtand, in ſeiner Freude, die<lb/>
Duldung falſch. Denn er meinte, er koͤnte auch<lb/>
uͤber den Graͤnzen, auf Pirens Berge, unvermerkt<lb/>
ein Schloß bauen. Schon gruben die Roͤmer, und<lb/>ſenkten die Grundſteine. Syagrius, ein Vertrau-<lb/>
ter des Kaiſers, Arator, und Hermogenes, zween<lb/>
Feldherren, waren die Anfuͤhrer. Nach unſrer Gut-<lb/>
herzigkeit daucht es uns auch jezt noch zu fruͤh, das<lb/>
Schwert zu zuͤcken. Die Vaͤter der Juͤnglinge, die<lb/>
Geiſſeln waren, erſchienen, und flehten mit gebog-<lb/>
nem Knie die Roͤmer an: Seyd nicht ſo ſorglos we-<lb/>
gen eurer Sicherheit, und brecht die Buͤndniſſe nicht<lb/>ſo, ihr, die Treu und Glauben zu dieſer Groͤſſe er-<lb/>
hoben hat. Sie wurden kaum angehoͤrt. Sie<lb/>
gingen, und beweinten ins Geheim das Schikſal<lb/>
ihrer Soͤhne. Unſre verſtekten Krieger ſprangen<lb/>
hervor, umringten, befragten die Wiederkommen-<lb/>
den, eilten weiter, und hinderten den Bau ſo blu-<lb/>
tig, daß nur Syagrius entrann, die Botſchaft zu<lb/>
bringen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Das Gegentheil der Abſicht.</hi></head><lb/><p>Germanicus ſammelte Teutoburgs Gebeine, und<lb/>
bedekte ſie mit einem Grabhuͤgel. Wir ſtaͤubten<lb/>
den Huͤgel weg. Der Roͤmer hatte zerſtreute Erin-<lb/>
nerungen zu einem Denkmale gemacht.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Das</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[302/0378]
Das Schloß uͤber der Graͤnze.
Valentinian bedekte den Rhein von der Quelle
bis zum Ausfluſſe mit Schloͤſſern. Er baute ſo gar
jenſeits bis dicht an die Graͤnzen. Auch dieß dul-
deten wir. Aber er verſtand, in ſeiner Freude, die
Duldung falſch. Denn er meinte, er koͤnte auch
uͤber den Graͤnzen, auf Pirens Berge, unvermerkt
ein Schloß bauen. Schon gruben die Roͤmer, und
ſenkten die Grundſteine. Syagrius, ein Vertrau-
ter des Kaiſers, Arator, und Hermogenes, zween
Feldherren, waren die Anfuͤhrer. Nach unſrer Gut-
herzigkeit daucht es uns auch jezt noch zu fruͤh, das
Schwert zu zuͤcken. Die Vaͤter der Juͤnglinge, die
Geiſſeln waren, erſchienen, und flehten mit gebog-
nem Knie die Roͤmer an: Seyd nicht ſo ſorglos we-
gen eurer Sicherheit, und brecht die Buͤndniſſe nicht
ſo, ihr, die Treu und Glauben zu dieſer Groͤſſe er-
hoben hat. Sie wurden kaum angehoͤrt. Sie
gingen, und beweinten ins Geheim das Schikſal
ihrer Soͤhne. Unſre verſtekten Krieger ſprangen
hervor, umringten, befragten die Wiederkommen-
den, eilten weiter, und hinderten den Bau ſo blu-
tig, daß nur Syagrius entrann, die Botſchaft zu
bringen.
Das Gegentheil der Abſicht.
Germanicus ſammelte Teutoburgs Gebeine, und
bedekte ſie mit einem Grabhuͤgel. Wir ſtaͤubten
den Huͤgel weg. Der Roͤmer hatte zerſtreute Erin-
nerungen zu einem Denkmale gemacht.
Das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/378>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.