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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

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in einer der Mundarten Niederdeutschlands. Da-
mals waren, über unser ganzes Vaterland, nur
Mundarten, wie Büsche, ausgebreitet. Verpflanzte
Spröslinge Niederdeutschlands wurden weiter gen
Norden zu Wäldern. Der grosse Wald, unsre
Sprache, erhub sich später, und langsam in Ober-
deutschland. Luther, und wenige, die nach ihm,
wie er, aushauten, und pflanzten, haben den Wald
zum Haine gemacht.

Roßbach.

Sie kamen, sahn, flohn.

Die erhaltnen Waffen.

Audön, der König der Longobarden, hatte Turi-
senden, den König der Gepiden, überwunden, und
sein Sohn, Albön, den Sohn des Ueberwundnen,
Turismoden, in der Schlacht getödtet. Die Feld-
herrn der Longobarden sagten zu ihrem Könige:
Dein Sohn, der dir den Sieg erfochten hat, muß
nun auch mit dir von deinen Rehen essen, und aus
deiner Schale trinken.

Jch kann die deutsche Sitte nicht ändern. Jhr
wist, er muß mir, eh er mein Tischgenoß wird, erst
die Waffen eines ausländischen Fürsten bringen.

Albön eilte mit vierzig Jünglingen zu Turisen-
den, und foderte die Waffen seines Sohns. Turi-
send gab ihm ein Gastmahl, und sezte ihn an die
Stelle, wo sonst sein Sohn zu sizen pflegte. Aber
nun kont er die Erinnerung des Todten nicht mehr
aushalten.

Ach diese Stelle hier ist mir so werth; aber der
jezt daran sizet, ist mir ein bitterer Anblik.

Das
T 4

in einer der Mundarten Niederdeutſchlands. Da-
mals waren, uͤber unſer ganzes Vaterland, nur
Mundarten, wie Buͤſche, ausgebreitet. Verpflanzte
Sproͤslinge Niederdeutſchlands wurden weiter gen
Norden zu Waͤldern. Der groſſe Wald, unſre
Sprache, erhub ſich ſpaͤter, und langſam in Ober-
deutſchland. Luther, und wenige, die nach ihm,
wie er, aushauten, und pflanzten, haben den Wald
zum Haine gemacht.

Roßbach.

Sie kamen, ſahn, flohn.

Die erhaltnen Waffen.

Audoͤn, der Koͤnig der Longobarden, hatte Turi-
ſenden, den Koͤnig der Gepiden, uͤberwunden, und
ſein Sohn, Alboͤn, den Sohn des Ueberwundnen,
Turismoden, in der Schlacht getoͤdtet. Die Feld-
herrn der Longobarden ſagten zu ihrem Koͤnige:
Dein Sohn, der dir den Sieg erfochten hat, muß
nun auch mit dir von deinen Rehen eſſen, und aus
deiner Schale trinken.

Jch kann die deutſche Sitte nicht aͤndern. Jhr
wiſt, er muß mir, eh er mein Tiſchgenoß wird, erſt
die Waffen eines auslaͤndiſchen Fuͤrſten bringen.

Alboͤn eilte mit vierzig Juͤnglingen zu Turiſen-
den, und foderte die Waffen ſeines Sohns. Turi-
ſend gab ihm ein Gaſtmahl, und ſezte ihn an die
Stelle, wo ſonſt ſein Sohn zu ſizen pflegte. Aber
nun kont er die Erinnerung des Todten nicht mehr
aushalten.

Ach dieſe Stelle hier iſt mir ſo werth; aber der
jezt daran ſizet, iſt mir ein bitterer Anblik.

Das
T 4
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[295/0371] in einer der Mundarten Niederdeutſchlands. Da- mals waren, uͤber unſer ganzes Vaterland, nur Mundarten, wie Buͤſche, ausgebreitet. Verpflanzte Sproͤslinge Niederdeutſchlands wurden weiter gen Norden zu Waͤldern. Der groſſe Wald, unſre Sprache, erhub ſich ſpaͤter, und langſam in Ober- deutſchland. Luther, und wenige, die nach ihm, wie er, aushauten, und pflanzten, haben den Wald zum Haine gemacht. Roßbach. Sie kamen, ſahn, flohn. Die erhaltnen Waffen. Audoͤn, der Koͤnig der Longobarden, hatte Turi- ſenden, den Koͤnig der Gepiden, uͤberwunden, und ſein Sohn, Alboͤn, den Sohn des Ueberwundnen, Turismoden, in der Schlacht getoͤdtet. Die Feld- herrn der Longobarden ſagten zu ihrem Koͤnige: Dein Sohn, der dir den Sieg erfochten hat, muß nun auch mit dir von deinen Rehen eſſen, und aus deiner Schale trinken. Jch kann die deutſche Sitte nicht aͤndern. Jhr wiſt, er muß mir, eh er mein Tiſchgenoß wird, erſt die Waffen eines auslaͤndiſchen Fuͤrſten bringen. Alboͤn eilte mit vierzig Juͤnglingen zu Turiſen- den, und foderte die Waffen ſeines Sohns. Turi- ſend gab ihm ein Gaſtmahl, und ſezte ihn an die Stelle, wo ſonſt ſein Sohn zu ſizen pflegte. Aber nun kont er die Erinnerung des Todten nicht mehr aushalten. Ach dieſe Stelle hier iſt mir ſo werth; aber der jezt daran ſizet, iſt mir ein bitterer Anblik. Das T 4

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/371>, abgerufen am 23.11.2024.