Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm zu schaffen machen? Sorge du für die,
denen du, bey aller deiner Karglautigkeit,
viel eher ein Wörtlein zu viel, denn eins zu
wenig sezen köntest.

Ein alter Schaden.

Ausser dem Vortreflichen und Guten noch
etwas Halbgutes oder gleichsam Gutes in
den Wissenschaften anzunehmen, ist mislich,
und hat mancherley üble Folgen, und das
aus der Ursach, weil das Halbgute und das
Mittelmässige nie beyzulegende Gränzstreitig-
keiten mit einander haben.

Wundergeschichte.

Es war einmal ein Mann, der viel aus-
ländische Schriften las, und selbst Bücher
schrieb. Er ging auf den Krücken der Aus-
länder, ritt bald auf ihren Rossen, bald auf
ihren Rossinanten, pflügte mit ihren Kälbern,
tanzte ihren Seiltanz. Viele seiner gutherzi-
gen und unbelesenen Landsleute hielten ihn für
einen rechten Wundermann. Doch etlichen
entging's nicht, wie es mit des Mannes
Schriften eigentlich zusammenhinge; aber
überall kamen sie ihm gleichwol nicht auf die
Spur. Und wie konten sie auch? Es war
ja unmöglich in jeden Kälberstall der Auslän-
der zu gehen.

Die
L 3

ihm zu ſchaffen machen? Sorge du fuͤr die,
denen du, bey aller deiner Karglautigkeit,
viel eher ein Woͤrtlein zu viel, denn eins zu
wenig ſezen koͤnteſt.

Ein alter Schaden.

Auſſer dem Vortreflichen und Guten noch
etwas Halbgutes oder gleichſam Gutes in
den Wiſſenſchaften anzunehmen, iſt mislich,
und hat mancherley uͤble Folgen, und das
aus der Urſach, weil das Halbgute und das
Mittelmaͤſſige nie beyzulegende Graͤnzſtreitig-
keiten mit einander haben.

Wundergeſchichte.

Es war einmal ein Mann, der viel aus-
laͤndiſche Schriften las, und ſelbſt Buͤcher
ſchrieb. Er ging auf den Kruͤcken der Aus-
laͤnder, ritt bald auf ihren Roſſen, bald auf
ihren Roſſinanten, pfluͤgte mit ihren Kaͤlbern,
tanzte ihren Seiltanz. Viele ſeiner gutherzi-
gen und unbeleſenen Landsleute hielten ihn fuͤr
einen rechten Wundermann. Doch etlichen
entging’s nicht, wie es mit des Mannes
Schriften eigentlich zuſammenhinge; aber
uͤberall kamen ſie ihm gleichwol nicht auf die
Spur. Und wie konten ſie auch? Es war
ja unmoͤglich in jeden Kaͤlberſtall der Auslaͤn-
der zu gehen.

Die
L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0241" n="165"/>
ihm zu &#x017F;chaffen machen? Sorge du fu&#x0364;r die,<lb/>
denen du, bey aller deiner Karglautigkeit,<lb/>
viel eher ein Wo&#x0364;rtlein zu viel, denn eins zu<lb/>
wenig &#x017F;ezen ko&#x0364;nte&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Ein alter Schaden.</head><lb/>
            <p>Au&#x017F;&#x017F;er dem <hi rendition="#fr">Vortreflichen</hi> und <hi rendition="#fr">Guten</hi> noch<lb/>
etwas <hi rendition="#fr">Halbgutes</hi> oder <hi rendition="#fr">gleich&#x017F;am Gutes</hi> in<lb/>
den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften anzunehmen, i&#x017F;t mislich,<lb/>
und hat mancherley u&#x0364;ble Folgen, und das<lb/>
aus der Ur&#x017F;ach, weil das <hi rendition="#fr">Halbgute</hi> und das<lb/><hi rendition="#fr">Mittelma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige</hi> nie beyzulegende Gra&#x0364;nz&#x017F;treitig-<lb/>
keiten mit einander haben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Wunderge&#x017F;chichte.</head><lb/>
            <p>Es war einmal ein Mann, der viel aus-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;che Schriften las, und &#x017F;elb&#x017F;t Bu&#x0364;cher<lb/>
&#x017F;chrieb. Er ging auf den Kru&#x0364;cken der Aus-<lb/>
la&#x0364;nder, ritt bald auf ihren Ro&#x017F;&#x017F;en, bald auf<lb/>
ihren Ro&#x017F;&#x017F;inanten, pflu&#x0364;gte mit ihren Ka&#x0364;lbern,<lb/>
tanzte ihren Seiltanz. Viele &#x017F;einer gutherzi-<lb/>
gen und unbele&#x017F;enen Landsleute hielten ihn fu&#x0364;r<lb/>
einen rechten Wundermann. Doch etlichen<lb/>
entging&#x2019;s nicht, wie es mit des Mannes<lb/>
Schriften eigentlich zu&#x017F;ammenhinge; aber<lb/>
u&#x0364;berall kamen &#x017F;ie ihm gleichwol nicht auf die<lb/>
Spur. Und wie konten &#x017F;ie auch? Es war<lb/>
ja unmo&#x0364;glich in jeden Ka&#x0364;lber&#x017F;tall der Ausla&#x0364;n-<lb/>
der zu gehen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">L 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0241] ihm zu ſchaffen machen? Sorge du fuͤr die, denen du, bey aller deiner Karglautigkeit, viel eher ein Woͤrtlein zu viel, denn eins zu wenig ſezen koͤnteſt. Ein alter Schaden. Auſſer dem Vortreflichen und Guten noch etwas Halbgutes oder gleichſam Gutes in den Wiſſenſchaften anzunehmen, iſt mislich, und hat mancherley uͤble Folgen, und das aus der Urſach, weil das Halbgute und das Mittelmaͤſſige nie beyzulegende Graͤnzſtreitig- keiten mit einander haben. Wundergeſchichte. Es war einmal ein Mann, der viel aus- laͤndiſche Schriften las, und ſelbſt Buͤcher ſchrieb. Er ging auf den Kruͤcken der Aus- laͤnder, ritt bald auf ihren Roſſen, bald auf ihren Roſſinanten, pfluͤgte mit ihren Kaͤlbern, tanzte ihren Seiltanz. Viele ſeiner gutherzi- gen und unbeleſenen Landsleute hielten ihn fuͤr einen rechten Wundermann. Doch etlichen entging’s nicht, wie es mit des Mannes Schriften eigentlich zuſammenhinge; aber uͤberall kamen ſie ihm gleichwol nicht auf die Spur. Und wie konten ſie auch? Es war ja unmoͤglich in jeden Kaͤlberſtall der Auslaͤn- der zu gehen. Die L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/241
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/241>, abgerufen am 21.11.2024.