Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
Der ehrerbietige Wegweiser.

Wer erfindet, der sint entweder die Ursa-
chen zu schon vorhandnen Wirkungen aus,
oder auch zu solchen Wirkungen, die erst noch
entstehn sollen, und die er selbst hervorbrin-
gen, oder durch andre will hervorbringen
lässen.

Bey der ersten Art der Erfindungen kann
es selten mit Gewisheit ausgemacht werden,
ob man gut erfunden habe. So ist es zum
Exempel noch nicht entschieden, ob die Ursach
der Sternbewegung, die zuerst Kepler, und,
nach ihm, Newron erfand, die wahre sey.

Bey der zweyten Art der Erfindungen ist
es offenbar, daß man nicht gut erfunden habe,
wenn die abgezwekte Wirkung nicht erfolgt;
und gut, wenn sie erfolgt. Man nehme zum
Exempel an, daß der Arzt durch seine neue
Arzeney völlige Genesung, der Dichter durch
sein Gedicht starke Rührung, der Mechani-
ker durch seine Machine Fortreibung einer ge-
wissen Last zu einer gewissen Weite haben her-
vorbringen wollen; so kann man von dem
Werthe ihrer Erfindungen nicht anders, als
nach dem Erfolge, urtheilen.

Die einfachsten Erfindungen können nur
dann die schwersten genant werden, wenn
durch Einfachheit die wenigsten Mittel zum

Zwe-
Der ehrerbietige Wegweiſer.

Wer erfindet, der ſint entweder die Urſa-
chen zu ſchon vorhandnen Wirkungen aus,
oder auch zu ſolchen Wirkungen, die erſt noch
entſtehn ſollen, und die er ſelbſt hervorbrin-
gen, oder durch andre will hervorbringen
laͤſſen.

Bey der erſten Art der Erfindungen kann
es ſelten mit Gewisheit ausgemacht werden,
ob man gut erfunden habe. So iſt es zum
Exempel noch nicht entſchieden, ob die Urſach
der Sternbewegung, die zuerſt Kepler, und,
nach ihm, Newron erfand, die wahre ſey.

Bey der zweyten Art der Erfindungen iſt
es offenbar, daß man nicht gut erfunden habe,
wenn die abgezwekte Wirkung nicht erfolgt;
und gut, wenn ſie erfolgt. Man nehme zum
Exempel an, daß der Arzt durch ſeine neue
Arzeney voͤllige Geneſung, der Dichter durch
ſein Gedicht ſtarke Ruͤhrung, der Mechani-
ker durch ſeine Machine Fortreibung einer ge-
wiſſen Laſt zu einer gewiſſen Weite haben her-
vorbringen wollen; ſo kann man von dem
Werthe ihrer Erfindungen nicht anders, als
nach dem Erfolge, urtheilen.

Die einfachſten Erfindungen koͤnnen nur
dann die ſchwerſten genant werden, wenn
durch Einfachheit die wenigſten Mittel zum

Zwe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0230" n="154"/>
          <div n="3">
            <head>Der ehrerbietige Wegwei&#x017F;er.</head><lb/>
            <p>Wer erfindet, der &#x017F;int entweder die Ur&#x017F;a-<lb/>
chen zu &#x017F;chon vorhandnen Wirkungen aus,<lb/>
oder auch zu &#x017F;olchen Wirkungen, die er&#x017F;t noch<lb/>
ent&#x017F;tehn &#x017F;ollen, und die er &#x017F;elb&#x017F;t hervorbrin-<lb/>
gen, oder durch andre will hervorbringen<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Bey der er&#x017F;ten Art der Erfindungen kann<lb/>
es &#x017F;elten mit Gewisheit ausgemacht werden,<lb/>
ob man gut erfunden habe. So i&#x017F;t es zum<lb/>
Exempel noch nicht ent&#x017F;chieden, ob die Ur&#x017F;ach<lb/>
der Sternbewegung, die zuer&#x017F;t Kepler, und,<lb/>
nach ihm, Newron erfand, die wahre &#x017F;ey.</p><lb/>
            <p>Bey der zweyten Art der Erfindungen i&#x017F;t<lb/>
es offenbar, daß man nicht gut erfunden habe,<lb/>
wenn die abgezwekte Wirkung nicht erfolgt;<lb/>
und gut, wenn &#x017F;ie erfolgt. Man nehme zum<lb/>
Exempel an, daß der Arzt durch &#x017F;eine neue<lb/>
Arzeney <hi rendition="#fr">vo&#x0364;llige</hi> Gene&#x017F;ung, der Dichter durch<lb/>
&#x017F;ein Gedicht <hi rendition="#fr">&#x017F;tarke</hi> Ru&#x0364;hrung, der Mechani-<lb/>
ker durch &#x017F;eine Machine <hi rendition="#fr">Fortreibung</hi> einer ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">La&#x017F;t</hi> zu einer gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">Weite</hi> haben her-<lb/>
vorbringen wollen; &#x017F;o kann man von dem<lb/>
Werthe ihrer Erfindungen nicht anders, als<lb/>
nach dem Erfolge, urtheilen.</p><lb/>
            <p>Die einfach&#x017F;ten Erfindungen ko&#x0364;nnen nur<lb/>
dann die &#x017F;chwer&#x017F;ten genant werden, wenn<lb/>
durch Einfachheit die wenig&#x017F;ten Mittel zum<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zwe-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0230] Der ehrerbietige Wegweiſer. Wer erfindet, der ſint entweder die Urſa- chen zu ſchon vorhandnen Wirkungen aus, oder auch zu ſolchen Wirkungen, die erſt noch entſtehn ſollen, und die er ſelbſt hervorbrin- gen, oder durch andre will hervorbringen laͤſſen. Bey der erſten Art der Erfindungen kann es ſelten mit Gewisheit ausgemacht werden, ob man gut erfunden habe. So iſt es zum Exempel noch nicht entſchieden, ob die Urſach der Sternbewegung, die zuerſt Kepler, und, nach ihm, Newron erfand, die wahre ſey. Bey der zweyten Art der Erfindungen iſt es offenbar, daß man nicht gut erfunden habe, wenn die abgezwekte Wirkung nicht erfolgt; und gut, wenn ſie erfolgt. Man nehme zum Exempel an, daß der Arzt durch ſeine neue Arzeney voͤllige Geneſung, der Dichter durch ſein Gedicht ſtarke Ruͤhrung, der Mechani- ker durch ſeine Machine Fortreibung einer ge- wiſſen Laſt zu einer gewiſſen Weite haben her- vorbringen wollen; ſo kann man von dem Werthe ihrer Erfindungen nicht anders, als nach dem Erfolge, urtheilen. Die einfachſten Erfindungen koͤnnen nur dann die ſchwerſten genant werden, wenn durch Einfachheit die wenigſten Mittel zum Zwe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/230
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/230>, abgerufen am 22.12.2024.