Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klein, Felix: Vergleichende Betrachtungen über neuere geometrische Forschungen. Erlangen, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Unter den Leistungen der letzten fünfzig Jahre auf
dem Gebiete der Geometrie nimmt die Ausbildung der
projectivischen 1) Geometrie die erste Stelle ein.
Wenn es anfänglich schien, als sollten die sogenannten
metrischen Beziehungen ihrer Behandlung nicht zugänglich
sein, da sie beim Projiciren nicht ungeändert bleiben, so
hat man in neuerer Zeit gelernt, auch sie vom projectivischen
Standpuncte aufzufassen, so dass nun die projectivische
Methode die gesammte Geometrie umspannt. Die metri-
schen Eigenschaften erscheinen in ihr nur nicht mehr als
Eigenschaften der räumlichen Dinge an sich, sondern als Be-
ziehungen derselben zu einem Fundamental-Gebilde, dem
unendlich fernen Kugelkreise.

Vergleicht man mit der so allmählich gewonnenen
Auffassungsweise der räumlichen Dinge die Vorstellungen
der gewöhnlichen (elementaren) Geometrie, so entsteht die
Frage nach einem allgemeinen Principe, nach welchem
die beiden Methoden sich ausbilden konnten. Diese Frage
erscheint um so wichtiger als sich neben die elementare
und die projectivische Geometrie, ob auch minder entwickelt,
eine Reihe anderer Methoden stellt, denen man dasselbe
Recht selbständiger Existenz zugestehen muss. Dahin
gehören die Geometrie der reciproken Radien, die Geometrie
der rationalen Umformungen etc., wie sie in der Folge
noch erwähnt und dargestellt werden sollen.

Wenn wir es im Nachstehenden unternehmen, ein sol-
ches Princip aufzustellen, so entwickeln wir wohl keinen
eigentlich neuen Gedanken, sondern umgränzen nur klar
und deutlich, was mehr oder minder bestimmt von Manchem

1) Vergl. Note I. des Anhangs.
1 *

Unter den Leistungen der letzten fünfzig Jahre auf
dem Gebiete der Geometrie nimmt die Ausbildung der
projectivischen 1) Geometrie die erste Stelle ein.
Wenn es anfänglich schien, als sollten die sogenannten
metrischen Beziehungen ihrer Behandlung nicht zugänglich
sein, da sie beim Projiciren nicht ungeändert bleiben, so
hat man in neuerer Zeit gelernt, auch sie vom projectivischen
Standpuncte aufzufassen, so dass nun die projectivische
Methode die gesammte Geometrie umspannt. Die metri-
schen Eigenschaften erscheinen in ihr nur nicht mehr als
Eigenschaften der räumlichen Dinge an sich, sondern als Be-
ziehungen derselben zu einem Fundamental-Gebilde, dem
unendlich fernen Kugelkreise.

Vergleicht man mit der so allmählich gewonnenen
Auffassungsweise der räumlichen Dinge die Vorstellungen
der gewöhnlichen (elementaren) Geometrie, so entsteht die
Frage nach einem allgemeinen Principe, nach welchem
die beiden Methoden sich ausbilden konnten. Diese Frage
erscheint um so wichtiger als sich neben die elementare
und die projectivische Geometrie, ob auch minder entwickelt,
eine Reihe anderer Methoden stellt, denen man dasselbe
Recht selbständiger Existenz zugestehen muss. Dahin
gehören die Geometrie der reciproken Radien, die Geometrie
der rationalen Umformungen etc., wie sie in der Folge
noch erwähnt und dargestellt werden sollen.

Wenn wir es im Nachstehenden unternehmen, ein sol-
ches Princip aufzustellen, so entwickeln wir wohl keinen
eigentlich neuen Gedanken, sondern umgränzen nur klar
und deutlich, was mehr oder minder bestimmt von Manchem

1) Vergl. Note I. des Anhangs.
1 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0011" n="[3]"/>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#in">U</hi>nter den Leistungen der letzten fünfzig Jahre auf<lb/>
dem Gebiete der Geometrie nimmt die Ausbildung der<lb/><hi rendition="#g">projectivischen</hi> <note place="foot" n="1)">Vergl. Note I. des Anhangs.</note> <hi rendition="#g">Geometrie</hi> die erste Stelle ein.<lb/>
Wenn es anfänglich schien, als sollten die sogenannten<lb/>
metrischen Beziehungen ihrer Behandlung nicht zugänglich<lb/>
sein, da sie beim Projiciren nicht ungeändert bleiben, so<lb/>
hat man in neuerer Zeit gelernt, auch sie vom projectivischen<lb/>
Standpuncte aufzufassen, so dass nun die projectivische<lb/>
Methode die gesammte Geometrie umspannt. Die metri-<lb/>
schen Eigenschaften erscheinen in ihr nur nicht mehr als<lb/>
Eigenschaften der räumlichen Dinge an sich, sondern als Be-<lb/>
ziehungen derselben zu einem Fundamental-Gebilde, dem<lb/>
unendlich fernen Kugelkreise.</p><lb/>
        <p>Vergleicht man mit der so allmählich gewonnenen<lb/>
Auffassungsweise der räumlichen Dinge die Vorstellungen<lb/>
der gewöhnlichen (elementaren) Geometrie, so entsteht die<lb/>
Frage nach einem allgemeinen Principe, nach welchem<lb/>
die beiden Methoden sich ausbilden konnten. Diese Frage<lb/>
erscheint um so wichtiger als sich neben die elementare<lb/>
und die projectivische Geometrie, ob auch minder entwickelt,<lb/>
eine Reihe anderer Methoden stellt, denen man dasselbe<lb/>
Recht selbständiger Existenz zugestehen muss. Dahin<lb/>
gehören die Geometrie der reciproken Radien, die Geometrie<lb/>
der rationalen Umformungen etc., wie sie in der Folge<lb/>
noch erwähnt und dargestellt werden sollen.</p><lb/>
        <p>Wenn wir es im Nachstehenden unternehmen, ein sol-<lb/>
ches Princip aufzustellen, so entwickeln wir wohl keinen<lb/>
eigentlich neuen Gedanken, sondern umgränzen nur klar<lb/>
und deutlich, was mehr oder minder bestimmt von Manchem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0011] Unter den Leistungen der letzten fünfzig Jahre auf dem Gebiete der Geometrie nimmt die Ausbildung der projectivischen 1) Geometrie die erste Stelle ein. Wenn es anfänglich schien, als sollten die sogenannten metrischen Beziehungen ihrer Behandlung nicht zugänglich sein, da sie beim Projiciren nicht ungeändert bleiben, so hat man in neuerer Zeit gelernt, auch sie vom projectivischen Standpuncte aufzufassen, so dass nun die projectivische Methode die gesammte Geometrie umspannt. Die metri- schen Eigenschaften erscheinen in ihr nur nicht mehr als Eigenschaften der räumlichen Dinge an sich, sondern als Be- ziehungen derselben zu einem Fundamental-Gebilde, dem unendlich fernen Kugelkreise. Vergleicht man mit der so allmählich gewonnenen Auffassungsweise der räumlichen Dinge die Vorstellungen der gewöhnlichen (elementaren) Geometrie, so entsteht die Frage nach einem allgemeinen Principe, nach welchem die beiden Methoden sich ausbilden konnten. Diese Frage erscheint um so wichtiger als sich neben die elementare und die projectivische Geometrie, ob auch minder entwickelt, eine Reihe anderer Methoden stellt, denen man dasselbe Recht selbständiger Existenz zugestehen muss. Dahin gehören die Geometrie der reciproken Radien, die Geometrie der rationalen Umformungen etc., wie sie in der Folge noch erwähnt und dargestellt werden sollen. Wenn wir es im Nachstehenden unternehmen, ein sol- ches Princip aufzustellen, so entwickeln wir wohl keinen eigentlich neuen Gedanken, sondern umgränzen nur klar und deutlich, was mehr oder minder bestimmt von Manchem 1) Vergl. Note I. des Anhangs. 1 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klein_geometrische_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klein_geometrische_1872/11
Zitationshilfe: Klein, Felix: Vergleichende Betrachtungen über neuere geometrische Forschungen. Erlangen, 1872, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klein_geometrische_1872/11>, abgerufen am 21.11.2024.