Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Kapitel

In der Herrschaftsküche mit den blau und weißen Kachelwänden wurde die Weihnachtspastete gebacken. Herr Mieszeck, der Küchenchef, litt am Magen und war sehr nervös. Wenn er es mit Trine, der Küchenmagd, gar nicht aushalten konnte, ging er in einen kleinen Nebenraum und spielte die Flöte. In der allgemeinen Küche war es lauter. Frau Mandelkoch befahl hier. Beständig kamen Leute, die hier nichts zu tun hatten, um zu sehen, zu riechen, sich zu wärmen und die Mägde zu kneifen. Amelie, die Zofe, stand vor dem Feuer und starrte vor sich hin. Die anderen störten sie nicht, man sah sie zuweilen an und flüsterte.

Beckmann erschien in seiner schwarzgoldenen Livree, mit seinen dicken Waden und dem weißen Engländergesicht. Unnahbar durchschritt er den Raum und verschwand in der Herrschaftsküche. Amelie schaute auf, folgte ihm mit Augen, die blank vor Bewunderung wurden. Dann seufzte sie, strich ihre kleine Schürze glatt und ging hinaus. Als Beckmann den finstern Gang hinuntereilte, der zur Außentüre führte, faßte jemand ihn am Rockaufschlag und zog ihn auf die Schwelle. "Auf dich wart' ich," sagte Amelie. Beckmanns starres Gesicht verzerrte sich. "Na - was denn? Hier doch nich."

"Jawoll," meinte Amelie. "Ich muß dich sprechen."

Beckmann blieb stehen, steckte das Kinn tief in den hohen Hemdkragen und seine Waden in den weißen Strümpfen zitterten vor Kälte. "Na - los," brummte er. Amelie lehnte sich an ihn, strich mit ihren kleinen roten Händen über seinen Rockärmel. "Ich muß doch wissen, was nu sein wird."

Achtes Kapitel

In der Herrschaftsküche mit den blau und weißen Kachelwänden wurde die Weihnachtspastete gebacken. Herr Mieszeck, der Küchenchef, litt am Magen und war sehr nervös. Wenn er es mit Trine, der Küchenmagd, gar nicht aushalten konnte, ging er in einen kleinen Nebenraum und spielte die Flöte. In der allgemeinen Küche war es lauter. Frau Mandelkoch befahl hier. Beständig kamen Leute, die hier nichts zu tun hatten, um zu sehen, zu riechen, sich zu wärmen und die Mägde zu kneifen. Amélie, die Zofe, stand vor dem Feuer und starrte vor sich hin. Die anderen störten sie nicht, man sah sie zuweilen an und flüsterte.

Beckmann erschien in seiner schwarzgoldenen Livree, mit seinen dicken Waden und dem weißen Engländergesicht. Unnahbar durchschritt er den Raum und verschwand in der Herrschaftsküche. Amélie schaute auf, folgte ihm mit Augen, die blank vor Bewunderung wurden. Dann seufzte sie, strich ihre kleine Schürze glatt und ging hinaus. Als Beckmann den finstern Gang hinuntereilte, der zur Außentüre führte, faßte jemand ihn am Rockaufschlag und zog ihn auf die Schwelle. „Auf dich wart’ ich,“ sagte Amélie. Beckmanns starres Gesicht verzerrte sich. „Na – was denn? Hier doch nich.“

„Jawoll,“ meinte Amélie. „Ich muß dich sprechen.“

Beckmann blieb stehen, steckte das Kinn tief in den hohen Hemdkragen und seine Waden in den weißen Strümpfen zitterten vor Kälte. „Na – los,“ brummte er. Amélie lehnte sich an ihn, strich mit ihren kleinen roten Händen über seinen Rockärmel. „Ich muß doch wissen, was nu sein wird.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0066" n="64"/>
      <div n="1">
        <head>Achtes Kapitel</head><lb/>
        <p>In der Herrschaftsküche mit den blau und weißen Kachelwänden wurde die Weihnachtspastete gebacken. Herr Mieszeck, der Küchenchef, litt am Magen und war sehr nervös. Wenn er es mit Trine, der Küchenmagd, gar nicht aushalten konnte, ging er in einen kleinen Nebenraum und spielte die Flöte. In der allgemeinen Küche war es lauter. Frau Mandelkoch befahl hier. Beständig kamen Leute, die hier nichts zu tun hatten, um zu sehen, zu riechen, sich zu wärmen und die Mägde zu kneifen. Amélie, die Zofe, stand vor dem Feuer und starrte vor sich hin. Die anderen störten sie nicht, man sah sie zuweilen an und flüsterte.</p>
        <p>Beckmann erschien in seiner schwarzgoldenen Livree, mit seinen dicken Waden und dem weißen Engländergesicht. Unnahbar durchschritt er den Raum und verschwand in der Herrschaftsküche. Amélie schaute auf, folgte ihm mit Augen, die blank vor Bewunderung wurden. Dann seufzte sie, strich ihre kleine Schürze glatt und ging hinaus. Als Beckmann den finstern Gang hinuntereilte, der zur Außentüre führte, faßte jemand ihn am Rockaufschlag und zog ihn auf die Schwelle. &#x201E;Auf dich wart&#x2019; ich,&#x201C; sagte Amélie. Beckmanns starres Gesicht verzerrte sich. &#x201E;Na &#x2013; was denn? Hier doch nich.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Jawoll,&#x201C; meinte Amélie. &#x201E;Ich muß dich sprechen.&#x201C;</p>
        <p>Beckmann blieb stehen, steckte das Kinn tief in den hohen Hemdkragen und seine Waden in den weißen Strümpfen zitterten vor Kälte. &#x201E;Na &#x2013; los,&#x201C; brummte er. Amélie lehnte sich an ihn, strich mit ihren kleinen roten Händen über seinen Rockärmel. &#x201E;Ich muß doch wissen, was nu sein wird.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0066] Achtes Kapitel In der Herrschaftsküche mit den blau und weißen Kachelwänden wurde die Weihnachtspastete gebacken. Herr Mieszeck, der Küchenchef, litt am Magen und war sehr nervös. Wenn er es mit Trine, der Küchenmagd, gar nicht aushalten konnte, ging er in einen kleinen Nebenraum und spielte die Flöte. In der allgemeinen Küche war es lauter. Frau Mandelkoch befahl hier. Beständig kamen Leute, die hier nichts zu tun hatten, um zu sehen, zu riechen, sich zu wärmen und die Mägde zu kneifen. Amélie, die Zofe, stand vor dem Feuer und starrte vor sich hin. Die anderen störten sie nicht, man sah sie zuweilen an und flüsterte. Beckmann erschien in seiner schwarzgoldenen Livree, mit seinen dicken Waden und dem weißen Engländergesicht. Unnahbar durchschritt er den Raum und verschwand in der Herrschaftsküche. Amélie schaute auf, folgte ihm mit Augen, die blank vor Bewunderung wurden. Dann seufzte sie, strich ihre kleine Schürze glatt und ging hinaus. Als Beckmann den finstern Gang hinuntereilte, der zur Außentüre führte, faßte jemand ihn am Rockaufschlag und zog ihn auf die Schwelle. „Auf dich wart’ ich,“ sagte Amélie. Beckmanns starres Gesicht verzerrte sich. „Na – was denn? Hier doch nich.“ „Jawoll,“ meinte Amélie. „Ich muß dich sprechen.“ Beckmann blieb stehen, steckte das Kinn tief in den hohen Hemdkragen und seine Waden in den weißen Strümpfen zitterten vor Kälte. „Na – los,“ brummte er. Amélie lehnte sich an ihn, strich mit ihren kleinen roten Händen über seinen Rockärmel. „Ich muß doch wissen, was nu sein wird.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/66
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/66>, abgerufen am 21.11.2024.